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BGH - Entscheidung vom 04.04.2007

III ZR 197/06

Normen:
BGB § 117
BJagdG § 11 § 35
RhPfLJagdG § 31

Fundstellen:
BGHReport 2007, 641
NJW-RR 2007, 1209

BGH, Beschluss vom 04.04.2007 - Aktenzeichen III ZR 197/06

DRsp Nr. 2007/7680

Rechtsfolgen der Anpachtung einer Jagd durch einen Strohmann; Begriff des Scheingeschäfts; Rechtsfolgen der gütlichen Einigung über den Ausgleich von Wildschäden

»a) Zu den Voraussetzungen eines Scheingeschäfts bei der Anpachtung einer Jagd durch einen Strohmann.b) Die gütliche Einigung über den Ausgleich von Wildschäden im Vorverfahren schließt eine spätere Berufung des Jagdpächters auf materiellrechtliche Mängel der Erklärung nicht aus.«

Normenkette:

BGB § 117 ; BJagdG § 11 § 35 ; RhPfLJagdG § 31 ;

Gründe:

I.

Die klagende Jagdgenossenschaft nimmt den Beklagten zu 2 als Pächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirks S. II und die Beklagte zu 1 als Erbin des früheren Mitpächters, des ursprünglichen Beklagten zu 1 (im Folgenden einheitlich: der Beklagte zu 1), auf Zahlung von Wildschadensersatz für die Jahre 2001 und 2002 in Höhe von 31. 232 EUR in Anspruch. Unter dem 22. März 1995 unterzeichneten die Beklagten einen entsprechenden Jagdpachtvertrag. Sie wenden gegenüber der Klage im Wesentlichen ein, als leitende Angestellte der P. H. AG hätten sie nur formell die Pächterrolle übernommen, da diese mangels Jagdpachtfähigkeit nach außen keinen Jagdpachtvertrag habe schließen können. Pächterin habe in Wirklichkeit diese sein sollen. Sie habe bis zu ihrer Insolvenz auch die Pächterrechte ausgeübt und alle Kosten getragen. Das habe die Klägerin gewusst und gebilligt.

Amtsgericht und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Klägerin die Zulassung der Revision.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 , § 544 ZPO ).

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil der zugrunde liegende Jagdpachtvertrag mit den Beklagten nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen als Scheingeschäft gemäß § 117 Abs.1 BGB nichtig ist. Das kann der Senat selbst entscheiden, obwohl das Landgericht diese Frage letztlich offen gelassen und auf derselben Tatsachengrundlage eine Gesetzesumgehung und Nichtigkeit gemäß § 134 BGB i.V.m. §11 Abs. 6 Satz 1 BJagdG angenommen hat (siehe auch für einen vergleichbaren Fall OLG Koblenz, Urteil vom 6. Juli 1994 - 7 U 1173/93 - juris: Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags nach §§ 117 , 134 BGB ). Umgehungsabsicht würde voraussetzen, dass die vertraglich vereinbarten Rechtsfolgen ernsthaft gewollt wären (Palandt/Heinrichs, BGB , 66. Aufl., § 117 Rn. 5). Das ist nach dem festgestellten Sachverhalt indes nicht der Fall.

a) Ein bloßes Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäft hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen (BGHZ 36, 84, 87 f.; Senatsurteil vom 24. Januar 1980 - III ZR 169/78, NJW 1980, 1572, 1573; BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03, ZIP 2006, 1639 , 1640). Wird beim Vertragsschluss eine Person als Vertragspartner vorgeschoben (sogenannter Strohmann), so sind die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts allerdings in der Regel nicht erfüllt. Denn die erklärte Rechtsfolge ist von den Beteiligten normalerweise ernsthaft gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde. Das gilt selbst dann, wenn der Vertragspartner die Strohmanneigenschaft kannte; auch hier ist ausschlaggebend, ob die Parteien die Rechtsfolgen der Vereinbarung, insbesondere die damit für sie selbst verbundenen Pflichten, wirklich herbeiführen wollen (BGHZ 21, 378, 381 f.; Senatsurteile vom 24. Januar 1980 aaO und vom 22. Oktober 1981 - III ZR 149/80, NJW 1982, 569 f.; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 19/94, NJW 1995, 727 ).

b) Nach diesen Maßstäben ist - im Gegensatz zu der Fallgestaltung, die dem Senatsbeschluss vom 29. September 1983 - III ZR 8/83 - (Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 69) zugrunde lag - hier von einem Scheingeschäft auszugehen.

Das Berufungsgericht stellt dazu fest: Tatsächlich berechtigt und verpflichtet aus dem Jagdpachtvertrag sollten nicht die Beklagten, sondern die hinter diesen stehende P. H. AG werden. Über den Umstand hinaus, dass diese sämtliche Kosten im Zusammenhang mit den Jagdbezirken S. I und II übernommen habe, sprächen dafür folgende weiteren Gründe: In einer Abtretungs- und Nutzungserklärung zwischen den Beklagten und der Aktiengesellschaft vom 24. März 1995 werde ausdrücklich festgehalten, dass die Jagdbezirke für die P. H. AG gepachtet worden seien und erklärt, alle Rechte und Pflichten seien an das Unternehmen abgetreten worden, deren Hauptniederlassung auch alle Kosten und Folgekosten der Pachtverträge übernehme und dass diese das Revier zur uneingeschränkten Verfügung habe. Auch die Verpflichtungserklärungen der P. H. AG vom 3. November 1999 und vom 28. März 2000 belegten, dass diese sich als Nutzerin beider Jagdbezirke angesehen habe. Entsprechend habe sie Einladungen zur Jagd "im Revier P. H. " verschickt. Schließlich spreche auch das Ergebnis der vom Amtsgericht durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme indiziell dafür, dass tatsächlich die P. H. AG die Pächterrolle ausgeübt habe. Aus alledem folge, dass diese faktisch Pächterin von S. II gewesen sei. Zur Überzeugung der Kammer stehe überdies fest, dass die Klägerin bereits beim Abschluss des Jagdpachtvertrags gewusst habe, dass eigentliche Pächterin die P. H. AG habe sein sollen und dass dies auch alle Parteien gewollt hätten. Die P. H. AG habe vor Abschluss des hier interessierenden Pachtvertrags schon jahrelang die faktische Pächterrolle und schlechthin alle Pächterrechte in dem Jagdbezirk S. I ausgeübt. Der Zeuge N. , der dort die Rolle des Jagdpächters übernommen habe, sei finanziell nicht in der Lage gewesen, für die Kosten aufzukommen. Trotzdem habe die Klägerin mit ihm den Pachtvertrag geschlossen, weil sie auf die vermeintliche Solvenz des Unternehmens vertraut habe. Dies verdeutliche, dass es der Klägerin gleichgültig gewesen sei, wer formell die Pächterrolle getragen habe. Gleiches gelte für den streitgegenständlichen Pachtvertrag S. II. Auch die Klägerin habe somit die P. H. AG und nicht die Beklagten als Pächter von S. II angesehen. Dies belegten zudem ihre Protokolle und ihre Korrespondenz mit der Aktiengesellschaft nach dem Ausscheiden der Beklagten aus der Firma zum 1. Januar 1998, in der die Klägerin mit der P. H. AG über eine Auswechselung der Beklagten als Jagdpächter gegen neue Mitarbeiter der Gesellschaft verhandelt habe. Die Tatsache, dass die P. H. AG für die Beklagten gebürgt habe, spreche nicht dagegen, dass diese eigentliche Pächterin habe sein sollen. Dadurch habe die Klägerin eine Absicherung gegenüber der P. H. AG erhalten.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die - allerdings rechtlich den Tatbestand eines Scheingeschäfts ausfüllende - Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die Beklagten seien tatsächlich nicht Pächter gewesen, vielmehr die P. H. AG, und dies sei entgegen dem Vertragstext von den Parteien auch so gewollt gewesen, frei von Rechtsfehlern. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde weiter erhobenen Rügen einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Klägerin hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ).

2. Entgegen der Beschwerdebegründung ist es den Beklagten auch nicht wegen der gütlichen Einigungen über den Ausgleich von Wildschäden in den nach Landesrecht durchgeführten Vorverfahren verwehrt, sich jetzt auf die Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags zu berufen. Rechtsfolge einer solchen gütlichen Einigung gemäß § 62 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes vom 25. Februar 1981 (GVBl S. 27) ist nach den Bestimmungen der § 35 BJagdG und § 31 RhPfLJagdG, ungeachtet der damit verbundenen Vollstreckbarkeit, eine rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung als Anerkenntnis oder Vergleich. Materiell-rechtliche Mängel dieser Erklärungen können darum auch noch nachträglich geltend gemacht werden (vgl. für eine Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung Mitzschke/Schäfer, BJagdG , 4. Aufl., § 35 Rn. 16). Im Streitfall fehlt es, da die Beklagten in Wahrheit nicht Jagdpächter waren, für die Klägerin erkennbar an einer dem Zeugen N. wirksam erteilten Vollmacht.

Vorinstanz: LG Trier, vom 01.08.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 268/05
Vorinstanz: AG Prüm, vom 07.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 6 C 477/02
Fundstellen
BGHReport 2007, 641
NJW-RR 2007, 1209