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BGH - Entscheidung vom 15.08.2007

5 StR 216/07

Normen:
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1a

Fundstellen:
NStZ-RR 2007, 375

BGH, Urteil vom 15.08.2007 - Aktenzeichen 5 StR 216/07

DRsp Nr. 2007/15905

Pfefferspray als gefährliches Werkzeug

Das bei dieser Tat mitgeführte Pfefferspray erfüllt lediglich die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB als gefährliches Werkzeug.

Normenkette:

StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1a ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten Z. wegen "bewaffneten Raubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt (Einzelfreiheitsstrafen jeweils sechs Jahre). Den Angeklagten E. hat es wegen "bewaffneten Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung sowie wegen Beihilfe zum bewaffneten Raub in Tateinheit mit Freiheitsberaubung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt (Einzelfreiheitsstrafen ein Jahr und drei Jahre). Die Revisionen der Angeklagten führen zu Korrekturen der Schuldsprüche und zur Aufhebung der Strafaussprüche.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

a) Der Angeklagte Z. war im Juni 2005 mit dem Zeugen H. übereingekommen, in B. einen E.-Markt zu überfallen. Beim Ausspähen des Tatortes trafen sie auf den dort als Auszubildenden tätigen Angeklagten E., der gemeinsam mit H. die Berufsschule besuchte. H. verlangte von dem von Z. eingeschüchterten E. Informationen über die Örtlichkeiten des Geschäfts. Der Angeklagte E. zeigte Z. und H. eine Luke zum Fenster der Herrentoilette im Keller des Geschäftes für den Einstieg und erläuterte die Sicherheitstechnik und die Art des Tresors. Einen Überfall an einem Montagmorgen bezeichnete er wegen der dann noch im Tresor befindlichen Wochenendeinnahmen als besonders lohnend. Der Angeklagte E. rechnete damit, dass die Täter bei dem Überfall auch eine Schusswaffe bei sich führten. Denn ihm war klar, dass die überfallenen Personen nur mittels einer Schusswaffe dazu würden bewegt werden können, den Tresor zu öffnen. Z. und H. führten den Überfall am 6. Juni 2005 mit einer Schreckschusspistole und einem Messer aus. Sie versteckten sich in der Herrentoilette. Gegen 5.00 Uhr stürmten die beiden mit den vorgehaltenen Waffen in den Aufenthaltsraum des Personals; sie zwangen die drei dort befindlichen Verkäuferinnen zu Boden. Z. hielt die Pistole der Zeugin St. an den Kopf und forderte den Tresorschlüssel. Nach einer Todesdrohung führte Z. - die Pistole gegen den Kopf der Zeugin haltend - die Bedrohte zum Tresor. Sie öffnete ihn und packte auf Geheiß des Z. 25.000 EUR in eine Tüte. H. hatte die beiden anderen Verkäuferinnen mit Kabelbindern an den Handgelenken gefesselt. Der Angeklagte Z. schloss die drei überfallenen Frauen im Büro ein.

b) Z. schlug E. wenige Tage später vor, sich an weiteren Überfällen zu beteiligen, weil er aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen gut einsteigen könne. Der Angeklagte E. lehnte zunächst ab, beugte sich dann aber dem Vorschlag, weil er Repressalien befürchtete. Die Wahl fiel schließlich auf einen Sp.-Markt in B..

Die Angeklagten sägten dort am 25. Juni 2005 gegen 2.00 Uhr an einem Fenstergitter, bis es beiseitegeschoben werden konnte. Dann warfen sie die Scheibe ein und liefen zunächst vom Tatort weg, um mögliche Reaktionen auf den verursachten Lärm abzuwarten. Z. übergab E. eine Schreckschusspistole und Pfefferspray. Dieser kletterte durch das eingeworfene Fenster in den Lebensmittelmarkt und wartete im Aufenthaltsraum des Personals. Z. passte auf dem Parkplatz des Marktes auf und meldete E. gegen 6.00 Uhr telefonisch die Ankunft der Zeugin Se . Diese kontrollierte wegen eines von E. verursachten Geräuschs die Toilette. Der mit einer schwarzen Sturmhaube maskierte Angeklagte richtete die Waffe auf die Zeugin, die vor Schreck hinfiel. Der Angeklagte richtete die Schreckschusspistole dann direkt auf ihren Kopf und fragte: "Wo ist der Tresor?". Daraufhin stand die zutiefst verängstigte Zeugin auf, führte den Angeklagten zum Tresor und schloss ihn auf, während weiterhin die Waffe auf den Kopf der Zeugin gerichtet war. Die Zeugin packte das Geld aus den Kassetten in eine Tüte, auf Verlangen auch das Kleingeld. Der Angeklagte vergewisserte sich, dass der Tresor auch wirklich leer war. Er nahm die Tüte mit dem Geld - insgesamt etwa 5.000 EUR - und drängte die Zeugin in den Flur. Dort forderte er die Zeugin auf, sich an die Wand zu stellen, wodurch die Zeugin Todesängste erlitt. Sie musste sich schließlich auf den Boden legen, wo sie der Angeklagte an Händen und Füßen mit Klebeband fesselte. Auch den Mund der Zeugin versuchte er zu verkleben. E. übergab dann Z. die Beute, der daraus wiederum 300 EUR dem E. übergab.

2. Die Beweisantragsrügen der Angeklagten sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ).

a) Der Angeklagte Z. hat es unterlassen, zur Antragsbegründung eingereichte und verlesene ärztliche Atteste und eine Bescheinigung einer Diplompsychologin, den Gesundheitszustand der Freundin dieses Angeklagten betreffend, vorzulegen. Solches wäre zum Verständnis der Ablehnungsentscheidung des Landgerichts aber wesentlich gewesen. Die Strafkammer hat nämlich den von der Verteidigung vorgetragenen Umstand, der Angeklagte habe sich aus einer Art persönlicher Abhängigkeit um seine damalige Freundin gekümmert, als ungeeignet dafür angesehen, dass der Angeklagte die Straftaten unter Ausschluss oder Einschränkung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgeführt hat.

b) Der Angeklagte E. hat es unterlassen, mit seiner Rüge, der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sei zu Unrecht abgelehnt worden, ein zur Begründung des Antrags eingereichtes Persönlichkeitsprofil des Angeklagten vorzulegen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ).

3. Auf die Sachrügen der Angeklagten hat der Senat lediglich die Schuldsprüche zu korrigieren. Da die Tatbilder davon gekennzeichnet sind, dass die Tatopfer das Geld den Tätern aushändigten, liegt jeweils schwere räuberische Erpressung und nicht schwerer Raub vor.

Im Fall 1 der Urteilsgründe hat das Landgericht zwar keine Feststellungen treffen können, ob die verwendete Schreckschusspistole auch geladen war. Dies ist aber Voraussetzung, um den vom Landgericht angenommenen - besonders schweren - "bewaffneten Raub" im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen zu können (vgl. BGHSt 48, 197 , 201 ff.). Indes ist in diesem Fall die Qualifikation wegen eines anderen gefährlichen Werkzeugs durch das von dem Mittäter H. bei der Tat verwendete Messer gegeben (vgl. BGHSt aaO. S. 206). Dass der Angeklagte E. bei der unmittelbaren Tatausführung durch zwei Mittäter auch solches in seinen Gehilfenvorsatz mit der gebotenen Bestimmtheit aufgenommen hat, liegt auf der Hand.

Im Fall 2 der Urteilsgründe hat indes der vom Landgericht angenommene - besonders schwere - "bewaffnete Raub" keinen Bestand. Das bei dieser Tat mitgeführte Pfefferspray erfüllt lediglich die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB als gefährliches Werkzeug (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 105 ; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 250 Rdn. 6a), die verwendete Schreckschusspistole diejenigen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1a Waffe 2; BGH NStZ-RR 2002, 265 ; 2004, 169 ); das gleiche gilt für das Klebeband als Fesselungswerkzeug (vgl. BGHSt 48, 365 , 371). Der Senat hält es - entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts - für ausgeschlossen, dass eine neue Hauptverhandlung die Angeklagten belastende Erkenntnisse zum Ladezustand der Schreckschusspistole zu Tage fördern könnte, und entscheidet deshalb zum Schuldspruch auf schwere räuberische Erpressung gemäß § 253 Abs. 1, §§ 255 , 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und lit. b StGB durch. Nach den Feststellungen gibt das Tatbild keinen Anlass für die Annahme eines erpresserischen Menschenraubes nach § 239a StGB , weil der Bemächtigungssituation keine eigenständige Bedeutung zukam (vgl. BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 8). Weitergehende Feststellungen hierzu sind von der neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten.

4. Demnach haben die Strafaussprüche im Fall 2 der Urteilsgründe hinsichtlich beider Angeklagten keinen Bestand. Dies zieht auch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen nach sich. Die Einzelstrafen sind insoweit aus dem weniger schweren Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 StGB neu zu bestimmen.

Der Senat kann ferner nicht ausschließen, dass im Fall 1 der Urteilsgründe die Bemessung der Strafen durch die angenommene Verwendung einer Waffe zum Nachteil der Angeklagten beeinflusst worden sind. Deshalb wird der neue Tatrichter alle Strafen auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die bei dem hier vorliegenden bloßen Subsumtionsfehler bestehen bleiben können, neu zu bestimmen haben. Zusätzliche Feststellungen können nur insoweit getroffen werden, als sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten würden. Damit werden Umstände, die erneut auf die Voraussetzungen der §§ 20 , 21 StGB abzielen, nicht mehr Gegenstand weiterer tatrichterlicher Prüfung sein können.

Vorinstanz: 22.6.2006,
Fundstellen
NStZ-RR 2007, 375