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BGH - Entscheidung vom 27.03.2007

X ZR 130/03

Normen:
IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
EPÜ Art. 138 Abs. 1 lit. a

BGH, Urteil vom 27.03.2007 - Aktenzeichen X ZR 130/03

DRsp Nr. 2007/9475

Nichtigerklärung eines Patents betreffend ein Schienengleis mangels erfinderischer Tätigkeit

Normenkette:

IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 ; EPÜ Art. 138 Abs. 1 lit. a ;

Tatbestand:

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 726 359 (Streitpatents), das am 12. Dezember 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmuster 94 20 123 und 94 20 124 vom 16. Dezember 1994 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft ein "Schienengleis, insbesondere für Rasen" und umfasst 14 Patentansprüche.

Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:

"1. Schienengleis mit folgenden Merkmalen:

eine Gleisunterkonstruktion (2);

zwei Schienen (10), die einen Schienenkopf (11), einen Schienensteg (12) und einen Schienenfuß (13) unter Bildung von Schienenkammern (14) aufweisen und mittels Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20), welche einen Klemmkopf (21) und eine Verankerung (25) aufweisen, in vorgesehenem Abstand voneinander an der Gleisunterkonstruktion (2) befestigt sind, und Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen, die stangenartige Füllkörper (32) enthalten und eine Breite aufweisen, mit der sie bis zu den Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20) reichen, und eine Höhe besitzen, die wenigstens bis unter die Schienenköpfe (11) reicht, wobei die Füllkörper (32) an ihrer der Kammer (14) abgewandten Seite jeweils eine oder mehrere nach unten offene Aussparungen (31, 31a) besitzen, die Hohlräume für die Aufnahme der Köpfe (21) der betreffenden Befestigungseinrichtungen (20) bilden, und die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit Abdeckhauben (33) ausgebildet sind, die mit jeweils einem zugehörigen Füllkörper (32) verbunden sind und jeweils einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweisen,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen von in Schienenlängsrichtung ausgerichteten, balkenartigen Formteilen (30) gebildet werden, die an jeweils einer Seite gemäß der Kontur der Schiene (10) angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer (10) auszufüllen, und die im Wesentlichen aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung bestehen und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden, wobei die offene Bauweise oder eine solche mit fester Fahrbahn bzw. mit einer Wachstumsschicht (7, 9) zwischen sich gegenüberstehenden balkenartigen Formteilen (30) bei dem Schienengleis angewendet werden kann."

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 2 und 6 der Patentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele.

Folgt Graphik

Wegen der übrigen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerinnen greifen mit ihrer Nichtigkeitsklage die Patentansprüche 1, 2, 4, 5, 8, 12, 13 und 14 an und machen geltend, die Priorität der deutschen Gebrauchsmuster 94 20 123 und 94 20 124 sei zu Unrecht beansprucht. Im Hinblick darauf sei die Lehre des Streitpatents nicht neu. Sie sei auch deswegen nicht neu, weil sie im Stand der Technik vorbenutzt worden sei und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen, mit der diese ihr Klageziel weiterverfolgen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt Patentanspruch 1 des Streitpatents hilfsweise in folgenden Fassungen:

Hilfsantrag I

Schienengleis mit folgenden Merkmalen:

eine Gleisunterkonstruktion (2);

zwei Schienen (10), die einen Schienenkopf (11), einen Schienensteg (12) und einen Schienenfuß (13) unter Bildung von Schienenkammern (14) aufweisen und mittels Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20), welche einen Klemmkopf (21) und eine Verankerung (25) aufweisen, in vorgesehenem Abstand voneinander an der Gleisunterkonstruktion (2) befestigt sind, und Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen, die stangenartige Füllkörper (32) enthalten und eine Breite aufweisen, mit der sie bis zu den Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20) reichen, und eine Höhe besitzen, die wenigstens bis unterhalb der Schienenköpfe (11) reicht, und die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit Abdeckhauben (33) ausgebildet sind, die mit jeweils einem zugehörigen Füllkörper (32) verbunden sind und jeweils einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweisen, wobei die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen von in Schienenlängsrichtung ausgerichteten, balkenartigen Formteilen (30) gebildet werden, die an jeweils einer Seite gemäß der Kontur der Schiene (10) angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer (14) auszufüllen, wobei im Bereich des Klemmkopfes (21) die balkenartigen Formteile (30) an ihrer Unterseite einschließlich der Füllkörper (32) an deren der Kammer (14) abgewandten Seite nach unten offen ausgespart sind, um Hohlräume (31, 31a) zur Aufnahme der jeweiligen Klemmköpfe (21) zu bilden, und die balkenartigen Formteile (30) im Wesentlichen aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung bestehen und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden, wobei ermöglicht ist, die offene Bauweise und eine solche mit fester Fahrbahn mit einer Wachstumsschicht (7, 9) zwischen sich gegenüberstehenden balkenartigen Formteilen (30) bei dem Schienengleis einzudecken, und wobei die balkenartigen Formteile (30) integral ausgebildet sind;

wobei die Beschreibung in Spalte 2, Zeile 47 wie folgt ergänzt werden soll:

Die Ausführungsformen der Fig. 1 bis 4 fallen nicht wortsinngemäß unter die Ansprüche.

Hilfsantrag II

Schienengleis mit folgenden Merkmalen:

eine Gleisunterkonstruktion (2);

zwei Schienen (10), die einen Schienenkopf (11), einen Schienensteg (12) und einen Schienenfuß (13) unter Bildung von Schienenkammern (14) aufweisen und mittels Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20), welche einen Klemmkopf (21) und eine Verankerung (25) aufweisen, in vorgesehenem Abstand voneinander an der Gleisunterkonstruktion (2) befestigt sind, und Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen, die stangenartige Füllkörper (32) enthalten, die eine Breite aufweisen, mit der sie bis zu den Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20) reichen, und die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit Abdeckhauben (33) ausgebildet sind, die mit jeweils einem zugehörigen Füllkörper (32) verbunden sind und jeweils einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweisen, wobei die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen von in Schienenlängsrichtung ausgerichteten, balkenartigen Formteilen (30) gebildet werden, die an jeweils einer Seite gemäß der Kontur der Schiene (10) angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer (14) auszufüllen, und die eine Breite aufweisen, mit der sie bis über die Schienenfuß-Klemmeinrichtungen (20) hinwegreichen und eine Höhe besitzen, die wenigstens bis unterhalb der Schienenköpfe (11) reicht, wobei an der Unterseite der balkenartigen Formteile (30) im Bereich des Klemmkopfes (21) ein Hohlraum (31) zu dessen Aufnahme ausgespart ist, wobei die Hohlräume unter anderem durch eine oder mehrere unten offene Aussparungen (31, 31a) gebildet werden, welche an der der Kammer abgewandten Seite der Füllkörper (32) angeordnet sind, und die balkenartigen Formteile (30) im Wesentlichen aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung bestehen und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden, wobei ermöglicht ist, die offene Bauweise und eine solche mit fester Fahrbahn mit einer Wachstumsschicht (7, 9) zwischen sich gegenüberstehenden balkenartigen Formteilen (30) bei dem Schienengleis einzudecken, und wobei die balkenartigen Formteile (30) integral ausgebildet sind;

wobei die Beschreibung in Spalte 2, Zeile 47 wie folgt ergänzt werden soll:

Die Ausführungsformen der Fig. 1 bis 4 fallen nicht wortsinngemäß unter die Ansprüche.

Hilfsantrag III

Schienengleis, insbesondere mit Rasen und mit Querschwellen, mit folgenden Merkmalen:

eine Gleisunterkonstruktion (2);

zwei Schienen (10), die einen Schienenkopf (11), einen Schienensteg (12) und einen Schienenfuß (13) unter Bildung von Schienenkammern (14) aufweisen und mittels Schienenfuß-Klemmeinrichtungen (20), welche einen Klemmkopf (21) und eine Klemmverankerung (25) aufweisen, in vorgesehenem Abstand voneinander an der Gleisunterkonstruktion (2) befestigt sind; und

Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit in Schienenlängsrichtung ausgerichteten balkenartigen Formteilen (30) gebildet sind, die vornehmlich aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung bestehen, dass die balkenartigen Formteile (30) eine Breite aufweisen, mit der sie bis über die Schienfuß-Klemmeinrichtungen (20) hinwegreichen, und eine Höhe besitzen, die wenigstens bis unterhalb des Schienenkopfes (11) reicht, um die jeweilige Schienenkammer (14) klemmend auszufüllen und sich an der Gleisunterkonstruktion abzustützen, wobei die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen stangenartige Schenkel (32) und Schenkel (33, 34) enthalten, wobei der Schenkel (33) einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweist, und

dass an der Unterseite der balkenartigen Formteile (30) im Bereich der Schienenklemmeinrichtungen (20) je ein Hohlraum (31) zur Aufnahme der jeweiligen Köpfe (21) der betreffenden Klemmeinrichtung (20) vorgesehen ist, und wobei die Schenkel (32) an ihrer der Kammer (14) abgewandten Seite jeweils eine oder mehrere unten offene Aussparungen besitzen, und wobei die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen an jeweils einer Seite gemäß der Kontur der Schiene (10) angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer (14) auszufüllen, und im Wesentlichen aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung bestehen und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden, wobei ermöglicht ist, die offene Bauweise und eine solche mit fester Fahrbahn mit einer Wachstumsschicht (7, 9) zwischen sich gegenüberstehenden balkenartigen Formteilen (30) bei einem Schienengleis einzudecken;

wobei die Beschreibung und Zeichnungen den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 94 20 124 folgen sollen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. U. M. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

I. Das Streitpatent betrifft ein Schienengleis, insbesondere ein Rasengleis. Unter Rasengleis ist dabei ein Schienengleis zu verstehen, zwischen dessen Schienen sich Rasen oder ähnlicher Bewuchs befindet. Wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, war es zum Zeitpunkt der Priorität des Streitpatents erwünscht, das Schienenbett mit Rasen bewachsen zu lassen. Dabei waren jedoch die Schienen von Rasen frei zu halten, um das Fahrverhalten der Schienenfahrzeuge nicht zu beeinflussen.

Die Streitpatentschrift beschreibt eingangs bekannte Schienengleise. Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 85 20 560 sei ein Schienengleis bekannt, bei dem ein Spurrillendichtprofil aus Gummi oder gummiähnlichem Kunststoff vorgesehen sei, das in den Fugen zwischen der Schiene und Straßenbelägen unter Vorspannung eingeklemmt werde. Um die Dichtfunktion zu gewährleisten, sei das Gummi weich und könne sich ohne Stützung durch den Straßenbelag nicht an der Schiene halten. Deshalb sei es nicht möglich, eine für Rasengleise erforderliche Wachstumsschicht aufzubringen. Bei der aus der deutschen Offenlegungsschrift 43 44 815 bekannten Vorrichtung, die zur Reduktion von Körper- und Luftschall diene, seien stangenartige Dämpfungselemente aus Gummi oder Elastomer-Kunststoffmischungen vorgesehen, die mittels bügelförmiger Vorspannorgane und Halteeinrichtungen an die Schiene im Bereich der Schienenkammern angepresst gehalten würden. Das Verfüllen des Raums zwischen und seitlich der Schienen mit einer Wachstumsschicht sei nicht vorgesehen.

Das Streitpatent gibt weiter an, an den bisherigen Versuchen, den Raum zwischen den Gleisen mit Gras bewachsen zu lassen, sei nachteilig, dass der intensive Kontakt mit der Gleiskonstruktion zu unerwünschten Streuströmen führe, die den korrosiven Angriff auf metallische Teile am Schienengleis selbst und auch in der Umgebung verstärke.

Die Streitpatentschrift bezeichnet es vor diesem Hintergrund als Aufgabe der Erfindung, ein bekanntes Schienengleis so auszubilden, dass der Bahnkörper weitgehend von Rasen oder anderen Bewachsungen bedeckt sein kann und dem Korrosionsschutz Rechnung getragen wird. Die Erfindung soll zugleich die Befahrbarkeit durch bereifte Straßenfahrzeuge verbessern.

Zur Lösung schlägt die Streitpatentschrift ein Schienengleis vor, das nach der Gliederung des Bundespatentgerichts, die die Parteien übernommen haben, folgende Merkmale aufweist:

a) eine Gleisunterkonstruktion (2);

b) zwei Schienen (10),

b1) die einen Schienenkopf (11),

b2) einen Schienensteg (12) und

b3) einen Schienenfuß (13) unter Bindung von Schienenkammern (14) aufweisen;

c) Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20),

c1) welche einen Klemmkopf (21)

c2) und eine Verankerung (25) aufweisen,

c3) mit denen die Schienen in vorgesehenem Abstand voneinander an der Gleisunterkonstruktion (2) befestigt sind;

d) Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen,

d1) die stangenartige Füllkörper (32) enthalten

d2) und eine Breite aufweisen, mit der sie bis zu den Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20) reichen,

d3) und eine Höhe besitzen, die wenigstens bis unterhalb der Schienenköpfe (11) reicht,

d4) wobei die Füllkörper (32) an ihrer der Kammer (14) abgewandten Seite jeweils eine oder mehrere nach unten offene Aussparungen (31, 31a) besitzen,

d5) die Hohlräume zur Aufnahme der Köpfe (21) der betreffenden Befestigungseinrichtungen (20) bilden,

d6) und die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit Abdeckhauben (33) ausgebildet sind,

d6.1) die mit jeweils einem zugehörigen Füllkörper (32) verbunden sind

d6.2) und jeweils einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweisen;

e) die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen werden von in Schienenlängsrichtung ausgerichteten, balkenartigen Formteilen (30) gebildet, die

e1) an jeweils einer Seite der Kontur der Schiene (10) angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer (10) auszufüllen,

e2) im Wesentlichen aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethananbindung bestehen

e3) und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn mit genügender Tragfähigkeit zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug bilden,

f) wobei

f1) die offene Bauweise oder

f2) eine solche mit fester Fahrbahn bzw.

f3) mit einer Wachstumsschicht (7, 9)

zwischen sich gegenüberstehenden balkenartigen Formteilen (30) angewendet werden kann.

Die Streitpatentschrift gibt an, dass damit folgende Vorteile gegenüber bekannten Schienengleisen erreicht würden:

Die Klemmbefestigungsvorrichtung der Schienen werde gegen von oben einwirkende Feuchtigkeit geschützt. Gleichwohl könne der Gleiskörper als Rasenfläche benutzt werden. Dabei sei es möglich, dass der Rasen erst im Abstand von der Schiene beginne, was das Mähen des Rasens erleichtere. Die aus Metall bestehenden Befestigungsteile seien von isolierendem Kunststoff umgeben, so dass der elektrische Widerstand gegen Streuströme, die eine erhöhte Korrosion an den Schienen und anderen Metallteilen zur Folge hätten, verbessert werde. Der von den die Schienen benutzenden Straßenbahnen ausgelöste Körper- und Luftschall werde gedämpft. Außerdem habe sich gezeigt, dass sich bei Verwendung von zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung eine gute Passform des Formteils für die Schienenkammer erreichen lasse und dass Füllkörper und Abdeckhaube hinreichend stabil seien, um von Straßenfahrzeugen mit Gummibereifung befahren zu werden. Hierzu gibt die Streitpatentschrift bei der Beschreibung der Fig. 5 an, dass die Schienen von balkenartigen Formteilen flankiert werden, die sich über zwei benachbarte Betonschwellen erstrecken und jeweils stumpf aneinander stoßen, so dass neben den Schienen eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug gebildet werde (Sp. 4 Z. 57 - Sp. 5 Z. 5).

Das auf den zuletzt genannten Vorteil abzielende Merkmal e3) ist dabei dahin zu verstehen, dass die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen zum Befahren durch Straßenfahrzeuge geeignet sind. Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten überzeugend dargestellt hat, ist die Frage, wo Flächenkräfte innerhalb des Bahnkörpers eingeleitet werden können, abhängig von der Geometrie des Bahnkörpers und der Straßenfahrzeuge. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten die unterschiedlichen Spurbreiten und Aufstandsbreiten der bei Rettungsfahrzeugen relevanten Fahrzeugklassen auf einem regelspurigen Rasengleis mit Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen maßstäblich dargestellt; daraus ist ersichtlich, dass die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen für die Fahrzeugklassen Klein-LKW/Transporter und LKW infolge der größeren Spurbreite nur einseitig als Behelfsfahrbahn genutzt werden können, wenn das Gleis eine Regelspur aufweist. Daraus folgt, dass es bei dem Merkmal e3) des Streitpatents um die grundsätzliche Befahrbarkeit der Gleisanlage geht und nicht um eine durchgängige Spur, die für alle in Betracht kommenden Fahrzeuge nicht einheitlich sein kann.

II. Es kann dahinstehen, ob die Prioritäten der beiden deutschen Gebrauchsmuster 94 20 123 und 94 20 124 zu Recht in Anspruch genommen worden sind und ob die Lehre des Streitpatents neu ist. Sie ergab sich jedenfalls für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Als Fachmann ist hier in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen ein Diplomingenieur mit Fachhochschulabschluss anzusehen, der über Grundkenntnisse und eine mehrjährige praktische Tätigkeit auf dem Fachgebiet des schienengebundenen Stadtverkehrs verfügt.

Ein so qualifizierter fachkundiger Leser entnahm - wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat - den als Anlagen NK 21 bis 23 vorgelegten Zeitungsartikeln, dass die auf dem Foto in NK 21 erkennbaren Schienenanschlussstücke an die Schienenform angepasst sind und andererseits einen Abstand zwischen Schiene und Bewuchs gewährleisten und so Korrosion und Streuströme verringern. Dass diese Anforderungen an Schienenanschlussstücke zu stellen sind, gehört zu dem bei dem einschlägigen Fachmann nicht seiner Ausbildung zugrunde zu legenden Fachwissen. Die auf den Fotos erkennbaren Schienenanschlussstücke zeigen zudem an ihrer Unterseite Aussparungen zur Aufnahme der ebenfalls auf dem Foto zu erkennenden Schienenbefestigungselemente. Über das verwendete Material ist dem zum Foto gehörenden Zeitungsartikel zu entnehmen, dass es unter anderem aus Altreifen besteht. Aus den auf dem Foto ersichtlichen Verformungen ergibt sich weiter, dass es sich um ein weiches Material handelt, dessen Dichte relativ gering ist. Daraus folgt auch, dass es sich bei den Schienenanschlussstücken um massive feste Körper und nicht um Hohlkörper handelt, da bei letzteren eine Durchbiegung durch das Eigengewicht, wie auf den Fotos erkennbar, nicht zu erwarten ist. Aus den dort erkennbaren Verformungen ist für einen fachkundigen Betrachter ersichtlich, dass die Schienenanschlussstücke für ein Befahren mit Straßenfahrzeugen nicht geeignet sind. Dass die Gleisanlage für Rettungsfahrzeuge befahrbar ausgestaltet werden sollte, ergibt sich jedoch aus dem Zeitungsartikel NK 22.

Sollte dieser Anforderung Rechnung getragen werden, boten sich für eine entsprechende Weiterentwicklung, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, verschiedene Möglichkeiten, wobei das Nächstliegende war, Form und Material zu variieren. Andere Möglichkeiten, insbesondere den Auflagepunkt an den Schwellen zu ändern oder die Schotterschicht zur Kraftableitung zu nutzen, verlangten größeren Aufwand bei Entwicklung und Ausführung. Die Form der Schienenanschlussstücke zu ändern, hatte ein Entwickler jedoch deshalb keine Veranlassung, weil sie sich als vorteilhaft herausgestellt hatte. Sie brachten alle diejenigen Vorteile mit sich, die auch die Streitpatentschrift als Vorzüge der Lehre des Streitpatents nennt, ausgenommen die angestrebte Befahrbarkeit für Rettungsfahrzeuge. Sollte zusätzlich dieses Merkmal erfüllt werden, ohne die anderen Vorteile in Frage zu stellen, lag es nahe, das Material mit dem Ziel der Verbesserung des Elastizitätsmoduls zu variieren. Soweit der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, dies habe nicht ohne weiteres zur Lösung des Streitpatents geführt, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Der Senat ist überzeugt, dass die Schwierigkeit, das geeignete Material zu finden, einen Fachmann nicht davon abgehalten hätte, die Lösung durch eine Veränderung des verwendeten Materials zu erreichen. Hierzu fand sich einerseits eine Anregung in der deutschen Offenlegungsschrift 40 04 208 (NK 5). Diese betrifft eine Vorrichtung, die vornehmlich der Schalldämmung an Straßenbahnschienen dienen soll. Es wird dort jedoch (Sp. 2 Z. 14-20) ausgeführt, dass Gummireifenteile aus der Verarbeitung von Altreifen mit schäumendem Polyurethan zu hochelastischen Körpern verarbeitet werden könnten, die eine gewisse Nachgiebigkeit besäßen, so dass höherfrequente Schwingungen weniger gut weitergeleitet und abgestrahlt würden, andererseits sei dieses Material aber fest genug, Verkehrsbelastungen auszuhalten. Damit wird dort ausdrücklich die Belastbarkeit für das Befahren mit Straßenfahrzeugen angesprochen. Außerdem bestand die Möglichkeit, für die weitere Ausbildung des Materials mit Blick auf seine Eignung zum Befahren einen weiteren, notfalls externen, Fachmann zuzuziehen. Der Senat hat keinen Zweifel, dass auf diese Weise das Material, das - wie sich aus der der deutschen Offenlegungsschrift 40 04 208 (NK 5) ergibt - als solches bekannt war, als geeignetes Material aufgefunden worden wäre. Einer erfinderischen Tätigkeit bedurfte es dazu nicht, es hätte vielmehr die Nachfrage und das Experimentieren mit dem verwendeten Material ausgereicht.

III. Auch in der Fassung der Hilfsanträge beruht Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Änderungen im Vergleich zu Patentanspruch 1 des Streitpatents in den Hilfsanträgen I und II betreffen die nähere Ausgestaltung der balkenartigen Formteile und ihre integrale Ausbildung. Diese Ausgestaltung der Formteile liegt, soweit sie nicht ohnehin durch die Vorbenutzung vorweggenommen ist, im Bereich handwerklichen Könnens und erfordert weder für sich genommen noch in Kombination mit den weiteren Merkmalen eine erfinderische Tätigkeit. Mit der Fassung des Hilfsantrags III hat die Beklagte die Fassung des deutschen Gebrauchsmusters 94 20 124 übernommen, um die Priorität dieses Gebrauchsmusters in Anspruch nehmen zu können. Damit wird Patentanspruch 1 inhaltlich nicht geändert, sondern lediglich auf eine nach dem Vorstehenden nahegelegte Ausführungsform beschränkt.

IV. Auch die von den Klägerinnen angegriffenen Unteransprüche haben keinen Bestand. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass sie die erfinderische Tätigkeit begründen könnten; dies ist auch nicht ersichtlich.

Aus der Urteilsformel ergibt sich, dass diese Unteransprüche Bestand haben, soweit sie auf nicht angegriffene Patentansprüche rückbezogen sind. Im Übrigen waren auch sie für nichtig zu erklären.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: BPatG, vom 08.07.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 5/02 (EU)