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BGH - Entscheidung vom 19.07.2007

III ZR 20/07

Normen:
RhPf POG § 5 § 6
THW-HelfRG (vom 22. Januar 1990, BGBl. I S. 118) § 1 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 683

Fundstellen:
BGHReport 2007, 1173
BauR 2007, 1872
DVBl 2008, 136
DÖV 2008, 80
NVwZ 2008, 349
UPR 2008, 58
VersR 2007, 1707
WM 2007, 2123

BGH, Urteil vom 19.07.2007 - Aktenzeichen III ZR 20/07

DRsp Nr. 2007/14871

Erstattung der Kosten des Technischen Hilfswerks bei Einsatz zur Gefahrenabwehr

»Wird das Technische Hilfswerk auf Anforderung der zuständigen (rheinland-pfälzischen) Ordnungsbehörde zur Gefahrenabwehr eingesetzt, so sind die dadurch entstehenden Kosten in den Erstattungsanspruch der Ordnungsbehörde gegen den Gefahrenverursacher einzustellen. Ein Direktanspruch des THW gegen den Verursacher aus Geschäftsführung ohne Auftrag besteht nicht.«

Normenkette:

RhPf POG § 5 § 6 ; THW-HelfRG (vom 22. Januar 1990, BGBl. I S. 118) § 1 Abs. 2 Nr. 3 ; BGB § 683 ;

Tatbestand:

Die klagende Bundesrepublik Deutschland ist Trägerin des Technischen Hilfswerks, einer nicht rechtsfähigen Bundesanstalt mit eigenem Verwaltungsunterbau im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten zu 1 ist der Straßen- und Tiefbau. Die Beklagte zu 2, ein Unternehmen der Teerindustrie, stellt Bitumen-Emulsionen für den Straßenbau her, unter anderem Estol-Haftkleber, der zur Herstellung und Sanierung von Straßendecken benutzt wird. Der Haftkleber wird in Servicetanks (in mehrere 1.000 l fassenden Lkw-Tankanhängern) ausgeliefert.

Im April 2003 führte die Beklagte zu 1 eine Deckensanierung der Kreisstraße 39 im Gebiet der Gemeinde E. durch. Den hierfür benötigten Estol-Haftkleber bestellte sie bei der Beklagten zu 2. Er wurde in einem Tankwagen der Beklagten zu 2 vereinbarungsgemäß am 24. April 2003 auf der Baustelle angeliefert. Am 3. Mai 2003 wurde festgestellt, dass ca. 1.500 Liter des Haftklebers ausgelaufen waren. Der Kleber gelangte über die Fahrbahn in einen Einlaufschacht der Straßenentwässerung sowie über die Entwässerungsleitung in den L bach, wo es zu einem Fischsterben kam.

Nach Meldung dieses Vorfalls bei der Polizei ordnete die Kreisverwaltung Südwestpfalz die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen an. Daran beteiligte sich auf Anforderung auch das Technische Hilfswerk mit mehreren Ortsverbänden.

Die Kreisverwaltung Südwestpfalz stellte beiden Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten der Sanierung, darunter jedoch nicht diejenigen des Technischen Hilfswerks, mit Leistungsbescheiden in Rechnung. Die Widersprüche und die verwaltungsgerichtlichen Klagen der Beklagten blieben erfolglos.

Die Klägerin hatte die durch den Einsatz des Technischen Hilfswerks verursachten Aufwendungen gegenüber der Kreisverwaltung Südwestpfalz geltend gemacht. Diese war jedoch der Auffassung, dass die Klägerin sich unmittelbar an die Beklagten halten müsse. Dementsprechend nimmt die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz in Höhe von 46.625,91 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 , 683 , 670 BGB ) nicht zu.

1. Bei der hier in Rede stehenden Sanierung des verunreinigten Baches war das Technische Hilfswerk auf Anforderung der Kreisverwaltung Südwestpfalz als der zuständigen Wasser- und Bodenschutzbehörde tätig geworden. Die Sanierung selbst stellte eine von der Kreisverwaltung getroffene ordnungsbehördliche Maßnahme dar. Dementsprechend hat auch das Verwaltungsgericht als Rechtsgrundlage für die dortigen Aufwendungsersatzansprüche der Kreisverwaltung § 94 Abs. 1 des Wassergesetzes für das Land Rheinland-Pfalz (Landeswassergesetz - LWG ) in Verbindung mit § 108 Abs. 1 LWG und § 6 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes ( POG ) herangezogen. Auch in der Rechtsprechung des Senats ist seit langem anerkannt, dass Maßnahmen des Gewässerschutzes mit den Mitteln des Ordnungsrechts durchgesetzt werden können (Senatsurteil BGHZ 126, 279 , 281 m.w.N.). Die Beklagte zu 1 war als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Tankfahrzeug als diejenige Anlage, von der die Gefahr ausgegangen war (§ 5 Abs. 1 POG ), die Beklagte zu 2 als Eigentümerin (§ 5 Abs. 2 POG ) in Anspruch genommen worden.

2. Diese öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz des Technischen Hilfswerks schließen allerdings - wie der Revision zuzugeben ist - die Anwendung der Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht von vornherein aus. Die §§ 677 ff. BGB sind grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Verwaltungsträgern und Privatpersonen anwendbar. Die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag der Verwaltung für den Bürger verbietet sich nicht einmal dann ohne weiteres, wenn die öffentliche Hand bei dem betreffenden Vorgang hauptsächlich zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten tätig geworden ist (st. Rspr.; vgl. insbesondere Senatsurteil BGHZ 156, 394, 397 f. m.zahlr.w.N., auch zu den gegen diese Betrachtungsweise im Schrifttum erhobenen Bedenken).

3. Bei solchen Fallgestaltungen ist der Rückgriff auf den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683 , 670 BGB jedoch dann ausgeschlossen, wenn vorrangige einschlägige Regelungen über die Erstattung von Kosten und Auslagen für die betreffenden Maßnahmen der Gefahrenabwehr bestehen (Senatsurteil BGHZ 156, 394, 398 ff.). Auch im allgemeinen bürgerlichen Recht sind Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich dann nicht gegeben, wenn besondere Bestimmungen das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 - X ZR 66/01 = NJW-RR 2004, 81 , 83). Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass hier in § 6 Abs. 2 POG eine derartige Sonderregelung getroffen worden ist.

a) Die Beklagten sind - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - als die nach § 5 POG Verantwortlichen der für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörde zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die unmittelbare Ausführung der getroffenen Gefahrenabwehrmaßnahmen entstanden sind. Dementsprechend hat die Kreisverwaltung Südwestpfalz den Beklagten in den die Erstattung dieser Kosten betreffenden Leistungsbescheiden mit Recht auch die Kosten eingeschalteter privater Unternehmer in Rechnung gestellt. Entgegen der Auffassung der Revision besteht kein Grund, die dem Technischen Hilfswerk erwachsenen Kosten anders zu behandeln.

b) Zwar dürfte es zutreffen, dass die Leistungen des Technischen Hilfswerks nicht aufgrund eines von der Kreisverwaltung erteilten (privatrechtlichen) Auftrags (bzw. Dienst- oder Werkvertrages), sondern aufgrund einer als hoheitlich einzustufenden "Anforderung" erbracht worden sind. Dies steht jedoch einer Einbeziehung in den von der Kreisverwaltung geltend zu machenden Erstattungsanspruch nicht entgegen. Die umfassende Zuständigkeit der Kreisverwaltung für die hier in Rede stehenden Gefahrenabwehrmaßnahmen erfordert vielmehr auch bei der Regelung der dadurch verursachten Kosten eine Bündelung sämtlicher Erstattungsansprüche in der Hand dieser Behörde. Dies entspricht zugleich auch dem wohlverstandenen Interesse der in Anspruch genommenen Personen, im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung sämtliche Einwände gegen Grund und Höhe der Ersatzpflicht gegen die anordnende Behörde als sachnächsten Gegner geltend machen zu können. Daher ist es geboten, den Begriff des "Beauftragten" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 POG nicht auf (private) selbständige Unternehmer zu beschränken (so aber De Clerck/Schmidt, POG [Stand: Juni 2000], § 6 Anm. II 3), sondern auch auf andere Stellen und Behörden zu erstrecken, die von der zuständigen Behörde zur Gefahrenabwehr herangezogen werden (in diesem Sinne Roos, POG , 3. Aufl., § 6 Rn. 1; ebenso Gusy, Polizeirecht, 6. Aufl., Rn. 459). Nur diese Sichtweise entspricht auch den allgemeinen amtshilferechtlichen Bestimmungen (§§ 4 bis 8 VwVfG ), wonach der ersuchten Behörde entstehende Auslagen von der ersuchenden Behörde zu erstatten sind (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ) und die Frage, ob und in welcher Höhe derartige Kosten dem Bürger in Rechnung gestellt werden können, allein nach Maßgabe der jeweiligen Kostengesetze zu beantworten ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG , 9. Aufl., § 8 , Rn. 1 und 12; siehe auch zu § 19 Abs. 2 BPolG VG Münster, Urteil vom 12. Juli 2006 - 1 K 1341/03 - juris, Rn. 35).

c) Werden von der zuständigen Gefahrenabwehrbehörde Ortsverbände des Technischen Hilfswerks herangezogen, so ergeben sich insoweit keine Besonderheiten. Dabei spielt es insbesondere keine Rolle, ob - wozu Feststellungen fehlen - es sich bei dem vorliegenden Schadensereignis um einen Unglücksfall größeren Ausmaßes im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 des THW-Helferrechtsgesetzes vom 22. Januar 1990 (BGBl. I S. 118) handelte. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ist zu berücksichtigen, dass diese Bestimmung keine echte Aufgabennorm, sondern eine gesetzliche Beschreibung der vom Technischen Hilfswerk zu leistenden Amtshilfe darstellt, für die die §§ 4 bis 8 VwVfG ergänzend heranzuziehen sind (Roewer, THW-Gesetz, 2. Aufl., § 1 Rn. 19, 27 und 32 sowie, hinsichtlich der Kostenfrage, Rn. 37).

Vergeblich beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang auf § 5 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie über die Durchführung und Abrechnung von Hilfeleistungen des Technischen Hilfswerks - Abrechnungsrichtlinie - nach dem Stand vom 1. Januar 2002. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 sind Kosten für technische Hilfe grundsätzlich der zuständigen Stelle in Rechnung zu stellen. Bei technischer Hilfe auf Veranlassung der Polizei ist nicht diese, sondern allein der Begünstigte kostenpflichtig (§ 5 Abs. 2 Satz 2). Zwar spricht diese letztere Regelung dafür, dass die Kosten des Einsatzes vom Technischen Hilfswerk unter Umgehung der anordnenden Gefahrenabwehrbehörde dem Verursacher unmittelbar in Rechnung gestellt werden können. Jedoch vermag eine bloße Verwaltungsvorschrift die Richtigkeit des anhand der einschlägigen Gesetzesbestimmungen gewonnenen Auslegungsergebnisses nicht in Frage zu stellen.

4. Da nach alledem eine unmittelbare Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin ausscheidet, ist die Klage zu Recht abgewiesen worden.

Vorinstanz: OLG Zweibrücken, vom 19.12.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 29/06
Vorinstanz: LG Zweibrücken, vom 20.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 47/05
Fundstellen
BGHReport 2007, 1173
BauR 2007, 1872
DVBl 2008, 136
DÖV 2008, 80
NVwZ 2008, 349
UPR 2008, 58
VersR 2007, 1707
WM 2007, 2123