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BGH - Entscheidung vom 25.09.2007

VI ZB 22/07

Normen:
ZPO § 4 Abs. 1
GKG § 43 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
NJW-RR 2008, 374

BGH, Beschluß vom 25.09.2007 - Aktenzeichen VI ZB 22/07

DRsp Nr. 2007/19517

Erhöhung des Streitwerts bei Geltendmachung von Anwaltskosten

Vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten (restlichen) Hauptanspruchs wirken nicht werterhöhend. Das gilt auch dann, wenn diese Kosten neben der im Klageweg geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrages sind.

Normenkette:

ZPO § 4 Abs. 1 ; GKG § 43 Abs. 1 ; RVG § 23 Abs. 1 S. 1 ;

Gründe:

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Mietwagenkosten in Höhe von 1.031,98 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Daneben begehrt er Ersatz des auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Teiles der vorprozessualen Geschäftsgebühr eines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 77,04 EUR nebst Zinsen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Mietwagenkosten in Höhe von 474,30 EUR nebst Zinsen sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 27,96 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung hat es nicht zugelassen. Gegen das Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Diese hat das Landgericht als unzulässig verworfen, weil die Berufungssumme von 600 EUR (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ) nicht erreicht sei. Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er geltend macht, das Landgericht habe seiner Berechnung der Berufungssumme nicht nur die über den ausgeurteilten Betrag hinausgehenden restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 557,68 EUR, sondern auch die weiter begehrten restlichen Anwaltskosten in Höhe von 49,08 EUR zugrunde legen müssen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat.

Durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 2007 ( X ZB 7/06, VersR 2007, 1102 ), dem sich der erkennende Senat mit Beschluss vom 15. Mai 2007 ( VI ZB 18/06 - BGHReport 2007, 845) und Urteil vom 12. Juni 2007 ( VI ZR 200/06 - zur Veröffentlichung bestimmt) angeschlossen hat, ist geklärt, dass vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten (restlichen) Hauptanspruchs nicht werterhöhend wirken. Das gilt unabhängig davon, ob diese Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden oder neben der im Klageweg geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind. Nach § 4 Abs. 1 ZPO , § 43 Abs. 1 GKG und § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bleiben Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Wie bei Zinsen besteht auch bezüglich der Kosten das Wesen einer Nebenforderung darin, dass sie vom Bestehen einer Hauptforderung abhängig und dass diese im selben Rechtsstreit anhängig gemacht ist. Das ist hier der Fall.

Einem allgemeinen Grundsatz entsprechend sind die Kosten des laufenden Prozesses bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995 - XII ZB 204/94 - NJW-RR 1995, 706 , 707), solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (§ 4 ZPO ; vgl. BGH Großer Senat, BGHZ 128, 85 , 92). Zu den Prozesskosten rechnen nicht nur die durch die Einleitung und Führung eines Rechtsstreits ausgelösten Kosten, sondern grundsätzlich auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 - I ZB 21/05 - NJW-RR 2006, 501 ; vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - aaO. Rn. 6). Soweit derartige Kosten zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehören, können sie im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 , 104 ZPO , § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG geltend gemacht werden (vgl. etwa Senat, Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/95 - VersR 2006, 521 f.; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1986 - III ZR 268/85 - WM 1987, 247, 248); soweit derartige Kosten nicht auf diesem Wege festgesetzt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2006 - VII ZB 116/05 - NJW 2006, 2560 f.; Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - VersR 2007, 1098 ), können sie auf der Grundlage eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs Gegenstand einer Klage auf Erstattung dieser Kosten sein.

Anspruchsvoraussetzung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsbegehrens ist das Bestehen einer sachlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage, nämlich dass der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung, Verzugs oder sonstigen Rechtsverletzung für den adäquat verursachten Schaden einzustehen hat. Wird der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig, so dass es sich bei den zur Durchsetzung eines Anspruchs vorprozessual aufgewendeten und unter dem Gesichtspunkt des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs geltend gemachten Geschäftsgebühren um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO handelt, solange die Hauptsache - wie hier - Gegenstand des Rechtsstreits ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kosten der Hauptforderung (in einem einheitlichen Antrag) hinzugerechnet werden oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen, formal selbständigen Antrags sind (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06 - aaO. Rn. 6 m.w.N.).

Lediglich im Hinblick auf die Begründung der Rechtsbeschwerde ist noch darauf hinzuweisen, dass die Höhe der Forderung auf Erstattung der Geschäftsgebühr abhängig ist davon, in welcher Höhe der Geschädigte nicht nur den Schaden, sondern auch seinen Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Kosten einklagt. Je nachdem, ob ein höherer oder geringerer Teil der Hauptforderung außergerichtlich erledigt ist, ist auch der Erstattungsanspruch hinsichtlich der Anwaltsgebühr nach VV-RVG 2300 höher oder niedriger. Diese Abhängigkeit der Forderung auf Erstattung der Anwaltsgebühren von der Forderung auf Ersatz des geltend gemachten Schadens begründet nach den aufgezeigten Grundsätzen die Einstufung des Erstattungsanspruchs hinsichtlich der Anwaltsgebühren als Nebenforderung zum Anspruch auf Ersatz eines Schadens des Geschädigten. Dagegen spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte mit seinem Klageantrag formal eine Gesamtforderung geltend macht oder ob er bereits im Antrag seine Forderung in mehrere Posten aufgliedert. Vergleichbar ist etwa bei Zinsen unerheblich, ob diese in einem Teilbetrag berechnet und der Hauptforderung zugeschlagen werden oder nicht. Stets ist nur der Betrag der Hauptforderung, nicht der um ausgerechnete Zinsen erhöhte Betrag beschwerdewert- und streitwertbestimmend (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 1962 - VII ZR 104/61 - KostRsp. ZPO § 4 Nr. 2; vom 15. Mai 1992 - II ZR 275/91 - KostRsp. ZPO § 4 Nr. 72; vom 25. März 1998 - VIII ZR 298/97 - NJW 1998, 2060 , 2061; vom 15. Februar 2000 - XI ZR 273/99 - NJW-RR 2000, 1015 ; Musielak/Heinrich, ZPO , 5. Aufl., § 4 Rn. 14 zu Fn. 46, Rn. 16 zu Fn. 52). Anderes mag gelten, wenn die Zinsen einen Berechnungsfaktor für die Hauptforderung darstellen, wie das bei Hinterlegungszinsen oder bei einem auszukehrenden Sparkonto der Fall ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1976 - IV ZR 123/74 - VersR 1976, 477, 478; Beschluss vom 3. Dezember 1997 - IV ZR 133/97 - NJW-RR 1998, 1284 ), oder wenn vorprozessuale Kosten aus einem ersten Schadensfall im Rechtsstreit über einen zweiten Schadensfall geltend gemacht werden. Darum geht es hier jedoch nicht.

Verfehlt ist es demgegenüber, wenn die Rechtsbeschwerde die Einordnung einer Forderung als Haupt- oder Nebenforderung von der "Formulierung" des Antrags abhängig machen will. Die Formulierung eines Antrags ist beliebig und vermag zu der hier gegebenen Problematik keine Lösungsansätze zu bieten.

Nach allem weicht das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nicht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Es beachtet im Gegenteil die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln, die auch in der Literatur im Wesentlichen anerkannt sind (vgl. Musielak/Heinrich aaO.; Zöller/Herget, ZPO , 26. Aufl., § 4 Rn. 13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO , 65. Aufl., § 4 Rn. 18; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 48 GKG Anhang I § 4 ZPO Rn. 10 ff., 18; Stein/Jonas/H. Roth, ZPO , 22. Aufl., § 4 Rn. 26; Wieczorek/Gamp, ZPO , 3. Aufl., § 4 Rn. 45, 68; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO , 28. Aufl., § 4 Rn. 8). Die abweichende Ansicht (Zimmermann, ZPO , 7. Aufl., § 4 , Rn. 2; Enders JurBüro 2004, 57; Ruess MDR 2005, 313) ist vereinzelt geblieben und gibt dem erkennenden Senat nach erneuter Überprüfung keine Veranlassung, von seiner bereits im Beschluss vom 15. Mai 2007 zum Ausdruck gebrachten Ansicht abzuweichen.

Vorinstanz: LG Coburg, vom 17.04.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 33 S 18/07
Vorinstanz: AG Coburg, vom 18.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 11 C 1281/05
Fundstellen
NJW-RR 2008, 374