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BGH - Entscheidung vom 23.01.2007

4 StR 590/06

Normen:
StPO § 261

Fundstellen:
StV 2007, 516

BGH, Beschluß vom 23.01.2007 - Aktenzeichen 4 StR 590/06

DRsp Nr. 2007/4190

Beweiswürdigung bei (entfernten) Zeugen vom Hörensagen

Je weiter die Quelle einer Information von demjenigen entfernt ist, der sie dem Gericht vermittelt, desto weniger kann das Gericht die Verlässlichkeit dieser Information beurteilen.

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat - nach Wiedereinsetzung des Angeklagten in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - Erfolg.

1. Der Verurteilung liegen zwei Raubüberfälle zu Grunde, die die jeweils maskierten Täter Ende Mai und Ende Juli 2004 jeweils unter Einsatz "silberfarbener schusswaffenähnlicher Gegenstände" auf die Poststelle in D. verübten, wobei sie insgesamt etwa 38.000 Euro erbeuteten. In beiden Fällen benutzten die Täter einen zuvor entwendeten Pkw als Fluchtfahrzeug.

Der Angeklagte hat zum Anklagevorwurf geschwiegen. Seine Verurteilung hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung durch den Senat nicht stand, weil die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei zusammen mit den weiteren, "bislang nicht sicher ermittelten" Tätern an beiden Überfällen jeweils mittäterschaftlich beteiligt gewesen, nicht ausreichend mit Tatsachen belegt ist. Zwar hat das Landgericht einzelne Indizien festgestellt, die einen erheblichen Tatverdacht gegen den Angeklagten begründen. Jedoch erweist sich die Beweiswürdigung in einem entscheidenden Punkt, der die Aussage der Zeugin S. betrifft, als widersprüchlich und deshalb rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat letzten Endes ("schließlich"; UA 11) seine Überzeugung von der Beteiligung des Angeklagten als Mittäter bei beiden Überfällen auf die Aussage dieser Zeugin gestützt, die die Beteiligung des Angeklagten von ihrer Bekannten, Daniela T. , erfahren habe. Dazu teilt das angefochtene Urteil mit, Daniela T. sei ihrerseits mit Robert N. befreundet gewesen, der ebenfalls in Verdacht gestanden habe, an den Überfällen beteiligt gewesen zu sein. Nach den Angaben der Zeugin S. habe Daniela T. ihr einmal erzählt, dass N. "mit einem R: " und weiteren Personen mehrfach die Postagentur in D. "klargemacht" habe. Nach diesem Teil der Aussage der Zeugin S. hätte Daniela T. ihre Kenntnis von der Beteiligung des Angeklagten lediglich vom Hörensagen auf Grund dessen, was Robert N. ihr berichtet hat. Demgegenüber hat die Zeugin S. weiter ausgesagt, Daniela T. habe ihr auch erzählt, sie, T. , habe bei den Überfällen "immer Schmiere gestanden" (UA 8). Dies zu Grunde gelegt, wäre Daniela T. aber nicht nur selbst an den Taten beteiligt gewesen, sondern wüsste sie auch selbst, ob der Angeklagte beteiligt war, und hätte sie diese Kenntnis nicht nur vom Hörensagen. Dieser vom Landgericht ersichtlich nicht näher hinterfragte Widerspruch in der Aussage der Zeugin S. berührt die Tragfähigkeit der Information, die sie, was die Beteiligung des Angeklagten anlangt, von Daniela T. erfahren hat. Denn je weiter die Quelle einer Information von demjenigen entfernt ist, der sie, wie hier die Zeugin S. , dem Gericht vermittelt, desto weniger kann das Gericht die Verlässlichkeit dieser Information beurteilen. Dies gilt hier zumal deshalb, weil ersichtlich weder Daniela T. noch Robert N. dem Landgericht zur Vernehmung zur Verfügung standen.

Da das Landgericht seine Überzeugung von der mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten nur aus der Gesamtheit aller Indizien zu gewinnen vermocht hat (vgl. UA 11 a.E.), beruht das angefochtene Urteil auch auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Über die Sache ist deshalb zum Schuld- und Strafausspruch insgesamt neu zu verhandeln und entscheiden.

2. Die Aufhebung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch erfasst auch den Ausspruch über die Anordnung des Wertersatzverfalls. Dieser Ausspruch hat aber auch unabhängig davon keinen Bestand, weil - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Dezember 2006 zutreffend ausgeführt hat - die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StPO der Anordnung zwingend entgegensteht.

Vorinstanz: LG Neubrandenburg, vom 16.06.2006
Fundstellen
StV 2007, 516