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BGH - Entscheidung vom 26.03.2007

NotZ 40/06

Normen:
BNotO § 6 Abs. 3

BGH, Beschluß vom 26.03.2007 - Aktenzeichen NotZ 40/06

DRsp Nr. 2007/7721

Beurteilung der Geeignetheit von Notarbewerbern

1. Bei der Auswahl unter mehreren Notarbewerbern ist eine Bewertung erforderlich, bei der auch die von ihnen bei der Vorbereitung auf den angestrebten Zeitberuf als Anwaltsnotar gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen differenziert zu berücksichtigen sind. Solange es insoweit an einem ausdifferenziertem Bewertungssystem noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinne zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des die juristische Ausbildung abschließenden, die allgemeine juristische Qualifikation des Bewerbers erfassenden Staatsexamens einfließen müssen.2. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn für das Bewerbungsverfahren grundsätzlich an einem Punktesystem festgehalten wird.3. Ob die im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geänderten Punktsysteme die Examensnote und die bisherige anwaltliche Tätigkeit zu hoch bewerten, bedarf jedenfalls dann keiner Entscheidung, wenn dies im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich war.

Normenkette:

BNotO § 6 Abs. 3 ;

Gründe:

I. Der Antragsteller bewarb sich ebenso wie der weitere Beteiligte auf eine im Justizministerialblatt für Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2004 (JMBl. NRW S. 286) für den Amtsgerichtsbezirk P. ausgeschriebene Notarstelle. Der Antragsgegner führte das Auswahlverfahren gemäß § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8. März 2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4. November 2004 (JMBl. NRW S. 256; im Folgenden: AVNot 2004) durch. Für den weiteren Beteiligten wurde die höchste Gesamtpunktzahl (179 Punkte) ermittelt. Der Antragsteller, der unter den Bewerbern die neunte Rangstelle einnimmt, wurde mit Verfügung vom 1. Juli 2005 davon unterrichtet, dass seiner Bewerbung angesichts einer Gesamtpunktzahl von 104,8 nicht entsprochen werden könne.

Das Oberlandesgericht hat seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Inhalt, den Antragsgegner zu verpflichten, die am 15. Dezember 2004 ausgeschriebene Notarstelle statt mit dem weiteren Beteiligten mit seiner Person zu besetzen, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine sofortige Beschwerde, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich insgesamt als rechtsfehlerfrei. Er hat den ihm dabei zustehenden Beurteilungsspielraum (BGHZ 124, 327 ) auf der Grundlage der AVNot 2004 zutreffend angewandt und ausgeschöpft.

1. Durch Beschlüsse vom 20. April 2004 (BVerfGE 110, 304 = NJW 2004, 1935 = DNotZ 2004, 560 = ZNotP 2004, 281 ) und vom 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50) hat das Bundesverfassungsgericht die durch Verwaltungsvorschriften einzelner Bundesländer konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 BNotO normierten Auswahlmaßstäbe für die Besetzung freier Notarstellen für verfassungswidrig erklärt mit der Begründung, die chancengleiche Bestenauslese, die zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit geboten sei, sei auf Grundlage dieser Maßstäbe nicht sichergestellt. Zu seiner sachlichen Überprüfung standen die Niedersächsischen AVNot vom 1. März 2001 (NdsRpfl. S. 100), die Regelung in Hessen (Runderlaß des Hessischen Ministeriums der Justiz und Europangelegenheiten vom 25. Februar 1999, Buchstabe A., Abschnitt II., JMBl S. 222) sowie die AVNot Baden-Württemberg vom 10. September 1998 (Die Justiz S. 561). Diese Verwaltungsvorschriften enthielten Auswahlkriterien, die im Wesentlichen den in § 17 AVNot in der vormaligen Fassung festgelegten entsprechen.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die gesetzlichen Eignungskriterien des § 6 Abs. 3 BNotO gebilligt, weil sie bei der Auswahl der Anwaltsnotare eine angemessene Berücksichtigung solcher Kenntnisse und Fähigkeiten erlauben, die sich speziell auf den Zweitberuf des Notars beziehen. Es hat jedoch festgestellt, dass die Auslegung und Anwendung dieser Norm auf der Grundlage der angeführten Verwaltungsvorschriften bei der Auswahl der Bewerber aus dem Kreis der Rechtsanwälte, die für das Amt des Notars in Betracht kommen, nicht den Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung gewährleisten (BVerfGE 110, 304 , 326 ff.). Eine nach den bisherigen Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem Kreis von Bewerbern lässt vor allem eine konkrete und auf den Einzelfall bezogene Bewertung der fachlichen Leistungen des Bewerbers vermissen. Erforderlich ist stattdessen eine Neubewertung, bei der auch die von den Bewerbern bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen differenziert zu gewichten sind. Insbesondere diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien müssen mit eigenständigem, höherem Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen (BVerfGE aaO. S. 326 ff., 336; Senatsbeschlüsse vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - ZNotP 2005, 155, 157 und vom 11. Juli 2005 - NotZ 29/04 - DNotZ 2005, 942 , 945).

2. Das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen hat mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts § 17 AVNot geändert, um dem früher in Kauf genommenen Defizit an fachbezogener beruflicher Praxis (BVerfGE 110, 304 , 331) entgegenzuwirken und so eine verfassungsgemäße Handhabung des Gesetzes zu erreichen. Die Kappungsgrenzen für die in den Bereichen Fortbildung und praktische Bewährung zu vergebenen Punkte sind in ihrer bisherigen Form aufgegeben worden. Das Bundesverfassungsgericht (aaO.) hatte in diesem Zusammenhang angesichts der (gemeinsamen) Punktzahlbildung für die theoretische und praktische Vorbereitung auf das angestrebte Notaramt mit ihrer Kappung auf insgesamt erreichbare 45 Punkte ein unzulässiges Übergewicht der im zweiten Staatsexamen erzielten - mit dem Faktor 5 multiplizierten - Note beanstandet. Ebenso hatte es gerügt, dass der Dauer der Anwaltstätigkeit, für die bis zu 45 Punkte gutgeschrieben werden konnten, für die spezifische Eignungsprognose dasselbe Gewicht zukam wie der Fortbildung und praktischen Bewährung zusammen. Dadurch war nach seiner Auffassung eine angemessene Berücksichtigung der während der bisherigen beruflichen Tätigkeit erworbenen notarspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht gewährleistet; zudem konnte die Höchstzahl ohne jede notarielle Praxis erreicht werden.

Die hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt wird nunmehr mit höchstens 30 Punkten bewertet (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 AVNot 2004), während für notarspezifische Fortbildung und Beurkundungstätigkeit jeweils bis zu 60 Punkte erworben werden können (§ 17 Abs. 2 Nr. 3, 4 AVNot 2004). Soweit im Rahmen von Fortbildung und praktischer Bewährung über die jeweils anrechenbare Höchstpunktzahl von 60 hinaus Leistungen für Punkte erbracht worden sind, können diese bis zur Höhe von 30 weiteren Punkten auf den jeweils anderen Bereich übertragen werden; die Summe der für beide Bereiche anrechenbaren Punkte beträgt maximal 120 Punkte (§ 17 Abs. 2 Nr. 5 AVNot 2004).

3. Der Senat hat zur Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen vom 20. April 2004 und 8. Oktober 2004 bereits in seinen Beschlüssen vom 22. November 2004 (NotZ 16/04 - ZNotP 2005, 155) und vom 11. Juli 2005 (NotZ 29/04 - DNotZ 2005, 942 ) Stellung genommen. Erforderlich ist eine Bewertung der Bewerber, bei der auch die von ihnen bei der Vorbereitung auf den angestrebten Zweitberuf als Anwaltsnotar gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen differenziert zu berücksichtigen sind. Solange es insoweit an einem ausdifferenzierten Bewertungssystem noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinne zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des die juristische Ausbildung abschließenden, die allgemeine juristische Qualifikation des Bewerbers erfassenden Staatsexamens einfließen müssen.

Der Senat hat vor diesem Hintergrund keine Bedenken, wenn für das Bewerbungsverfahren grundsätzlich an einem Punktesystem festgehalten wird. Auch das Bundesverfassungsgericht (aaO.) hat ein solches Punktesystem prinzipiell nicht beanstandet; es ist durch die gesetzlichen Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 BNotO gedeckt (BGHZ 124, 327 , 335). Das Punktesystem ermöglicht ein Auswahlverfahren nach objektiven, nachvollziehbaren und transparenten Bewertungskriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung, praktische Beurkundungserfahrungen). Der einzelne Bewerber kann sich auf feste und für ihn durchschaubare Auswahlkriterien einstellen. Er kann ihnen entnehmen, welches Anforderungsprofil zu erfüllen ist und auf dieser Grundlage beantworten, ob eine Bewerbung Erfolg verspricht und welche Nachweise er für die von ihm erworbenen theoretischen und praktischen Fähigkeiten in das Bewerbungsverfahren einzuführen hat. Dem Antragsgegner wiederum, der das Bewerbungsverfahren auf Grundlage der AVNot 2004 durchführt, erlaubt das Punktesystem eine verlässliche Sichtung des Bewerberfeldes. Er kann die Bewerber erfassen, die nach ihrer fachlichen Eignung für die Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen in Frage kommen; anhand der nach dem Punktesystem vorgegebenen Kriterien ist eine Vergleichbarkeit ihrer Leistungen und sonstigen Eignungsmerkmale gewährleistet. Dieser Vergleich mit den Verhältnissen anderer Bewerber setzt ein gewisses Maß an Abstraktion, Generalisierung und Schematisierung notwendig voraus, damit ein einheitlicher und nachprüfbarer Maßstab gewonnen werden kann, nach dem sich die Justizverwaltung zu richten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2002 - NotZ 19/01 - NJW-RR 2002, 1142 , 1143).

4. Das in anderen Bundesländern eingeführte Punktesystem hat der Senat für die geänderten Verwaltungsvorschriften in Hessen (Beschlüsse vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 392; NotZ 7/06; NotZ 11/06 - ZNotP 2006, 435 und NotZ 14/06, 17/06, 18/06 und 21/06 - jeweils in juris -; soweit unterlegene Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben haben, sind diese vom Bundesverfassungsgericht durch Beschlüsse vom 31. August 2006 - 1 BvR 2110/06 - und vom 18. September 2006 - 1 BvR 2222/06 und 2223/06 - nicht zur Entscheidung angenommen worden; vom 20. November 2006 - NotZ 15/06 - ZNotP 2007, 70; NotZ 16/06 und 22/06; auch hier blieben die von unterlegenen Mitbewerbern eingelegten Verfassungsbeschwerden ohne Erfolg; Beschlüsse vom 19. Dezember 2006 - 1 BvR 3065/06; vom 20. Dezember 2006 - 1 BvR 2944/06 - und vom 9. Januar 2007 - 1 BvR 11/07 -) und Schleswig-Holstein gebilligt (Beschluss vom 20. November 2006 - NotZ 4/06 - ZNotP 2007, 109). Auch für die vom Antragsgegner zugrunde gelegten AVNot 2004 gilt nichts anderes. Die seitens des Antragstellers erhobenen Beanstandungen greifen nicht durch.

a) Innerhalb des jetzt geltenden Punktesystems wird die allgemeine juristische Qualifikation des Bewerbers dadurch angemessen erfasst, dass das Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung zu berücksichtigen ist (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 AVNot 2004); Weiteres sieht § 6 Abs. 3 BNotO für dieses Eignungsmerkmal nicht vor. Durch die ganz erhebliche Heraufsetzung der bisherigen Kappungsgrenzen erhalten die Examensnoten - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert - zudem ein geringeres Gewicht gegenüber der damit zugleich erfolgten Stärkung der fachbezogenen Anforderungen. Denn nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Zugangskriterien zum Anwaltsnotariat ist es gerade erforderlich, eine stärkere Ausrichtung an der Notarfunktion - bei demgegenüber zurücktretender Bedeutung der Examensnote - vorzunehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 11/06 - aaO. S. 436 Rn. 8).

aa) Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob dem Antragsteller darin zu folgen ist, dass der Examensnote auch nach der Neufassung des § 17 durch die AVNot 2004 unverändert eine zu große Bedeutung zukommt und Bewerber, die sich durch besondere fachliche Leistungen auszeichnen, keine Chance haben, sich gegenüber Konkurrenten durchzusetzen, die ein leistungsstarkes zweites Staatsexamen aufweisen. Zwar können durch den notarspezifischen Vorbereitungsaufwand maximal so viele Punkte (120) erzielt werden, wie sie über die Examensnote und die bisherige anwaltliche Tätigkeit zu erreichen sind (zusammen ebenfalls 120 Punkte). Indes wird nicht ersichtlich, weshalb sich aus dem vom Antragsteller eingenommenen Rechtsstandpunkt für ihn Vorteile ergeben könnten. Der weitere Beteiligte hat seine juristische Ausbildung mit befriedigendem Ergebnis abgeschlossen und kann - bei Multiplikation mit dem Faktor 5 - auf 36,5 Punkte verweisen, während der Antragsteller selbst 26,8 Punkte erlangt hat. Daraus folgt ein Unterschied von 9,7 Punkten, der durch eine längere Anwaltstätigkeit des Antragstellers (30 Punkte) gegenüber dem weiteren Beteiligten (22,5 Punkte) bis auf 2,2 Punkte ausgeglichen wird; der Bereich seiner allgemeinen juristischen Qualifikation und beruflichen Erfahrung ist damit ausreichend berücksichtigt.

bb) Soweit der Antragsteller beanstandet, dass auch durch den vermehrten Besuch notarspezifischer Vorbereitungskurse die durch eine fehlende Beurkundungspraxis entstehenden Defizite nicht vollständig zu kompensieren sind, ist nicht erkennbar, dass er hierdurch im vorliegenden Auswahlverfahren beschwert ist. Denn er erreicht mit den von ihm erbrachten Leistungen diese Kappungsgrenze nicht einmal annähernd, so dass er durch die Nichtberücksichtigung von Punkten auch nicht benachteiligt worden sein kann. Ihm waren für die absolvierten Fortbildungsveranstaltungen, für die er bis zu 90 Punkte hätte erzielen können, nur insgesamt 48 Punkte gut zu bringen. Der weitere Beteiligte hat demgegenüber eine höhere Anzahl von ihm besuchter Fortbildungsveranstaltungen aufzuweisen. Er kann insgesamt 108 Halbtage geltend machen und erlangt damit 54 Punkte. Daraus ergibt sich ein weiterer Abstand von 6 Punkten. Auf die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Qualitätssicherung durch Bewertung fachspezifischer Leistungen kommt es hier nicht an, weil der Antragsteller jedenfalls nicht darlegt, gegenüber dem weiteren Beteiligten im Vorteil zu sein, insbesondere Veranstaltungen besucht zu haben, bei denen strengere Leistungskontrollen stattgefunden haben als bei den durch den weiteren Beteiligten absolvierten Fortbildungen. Insgesamt ergibt sich daher aus den Bereichen Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit und theoretischer Fortbildung ein Punktevorsprung des weiteren Beteiligten von 8,2.

b) Auf Weiteres kommt es nicht mehr an. Der Antragsteller macht zwar geltend, er sei als Einzelanwalt gegenüber anderen Bewerbern - wie dem weiteren Beteiligten - benachteiligt, die Sozietäten angehörten, in denen ein oder mehrere Mitglieder zugleich den Zweitberuf des Anwaltsnotars ausübten. Solche Bewerber erhielten bevorzugt Gelegenheit, durch Vertretertätigkeit Beurkundungserfahrung und damit die für den Nachweis der praktischen Vorbereitung auf den Notarberuf erforderlichen Punkte zu erwerben. Dadurch finde eine Vorselektion der Bewerber auf Anwaltsebene statt; die verfassungsrechtlich gebotene Chancengleichheit auf Zugang zum Notaramt sei nicht mehr gewährleistet. An Mitkonkurrenten werde die Höchstpunktzahl nur deshalb vergeben, weil sie eine Beurkundungstätigkeit ausgeübt hätten, die anderen Bewerbern von vornherein verschlossen sei. Diese könnten die fehlende Beurkundungserfahrung durch die Übertragbarkeit von Fortbildungspunkten und die Erlangung von Sonderpunkten nur in begrenztem Umfang ausgleichen.

Das kann hier gleich aus mehreren Gründen dahinstehen.

aa) Der weitere Beteiligte hätte selbst dann die höhere Punktzahl aufzuweisen, wenn die Beurkundungstätigkeit völlig außer Betracht gelassen würde, um Chancengleichheit in dem vom Antragsteller verstandenen Sinne herzustellen. Unter dem Gesichtspunkt der auch vom Antragsteller hervorgehobenen Bestenauslese hätte die Besetzungsentscheidung des Antragsgegners dann ebenfalls zugunsten des weiteren Beteiligten ausfallen müssen. Der Antragsteller hat überdies nicht dargelegt, weshalb es ihm - bezogen auf seine eigene Bewerbersituation - nicht möglich war, Beurkundungserfahrung zu erlangen, etwa weil in seinem beruflichen Umfeld ausschließlich Notare tätig sind, die anfallende Vertretergeschäfte ihren anwaltlichen Sozietätsmitgliedern übertragen; der Antragsteller hat noch nicht einmal deutlich gemacht, welche Initiative er im Einzelnen entfaltet hat, um Notarvertretungen übernehmen zu können. Sein Angriff, Bewerber aus Sozietäten mit Anwaltsnotaren seien bevorzugt, wenn es darum gehe, umfassende Beurkundungserfahrung zu sammeln, ist erneut allgemein gehalten und bleibt ohne Bezug zum konkreten Auswahlverfahren. Im Übrigen verweist der Senat auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 26. März 2007 in der Sache NotZ 39/06.

bb) Ferner wird nicht erheblich, inwieweit mit der Übertragbarkeit von Fortbildungspunkten oder der Vergabe von Sonderpunkten ein angemessener Ausgleich für Bewerber geschaffen werden kann, für die sich die Gelegenheit zu Notarvertretungen nicht oder nicht in gleichem Maße bietet wie für Mitkonkurrenten (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2007 aaO.). Der Antragsteller hat weder Fortbildungspunkte in einer Größenordnung aufzuweisen, für die eine solche Übertragung in Betracht käme, noch Umstände aufgezeigt, die eine Vergabe von Sonderpunkten rechtfertigen könnten. Die reine Dauer seiner bisherigen Anwaltstätigkeit hat der Antragsgegner als eines der in § 6 Abs. 3 Satz 2 BNotO aufgeführten Eignungskriterien berücksichtigt. Für eine besondere "Notarnähe" seiner anwaltlichen Tätigkeit hat der Antragsteller nichts geltend gemacht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 11/06 -ZNotP 2006, 435, 436 f. Rn. 15 ff.) Daher spricht nichts dafür, dass der Antragsgegner aufgrund der Einordnung der bewerbungsrelevanten Qualifikationsmerkmale in ein Punktesystem Besonderheiten des Einzelfalles nicht oder nicht ausreichend Rechnung getragen, insbesondere die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers nicht zutreffend und vollständig erfasst hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 392, 394 Rn. 14 ff. und vom 20. November 2006 - NotZ 4/06 - ZNotP 2007, 109, 112 Rn. 21 ff.).

Vorinstanz: OLG Köln, vom 04.09.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 2 VA (Not) 19/05