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BGH - Entscheidung vom 21.11.2007

2 StR 548/07

Normen:
StGB § 21

Fundstellen:
NStZ-RR 2008, 106

BGH, Beschluß vom 21.11.2007 - Aktenzeichen 2 StR 548/07

DRsp Nr. 2008/581

Bedeutung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit

1. Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat. 2. Der Täter, der im konkreten Fall trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig.

Normenkette:

StGB § 21 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und wegen Bedrohung in dreizehn weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge weitgehend Erfolg (§ 349 Abs. 2 und 4 StPO ).

Das Landgericht hat die Überzeugung gewonnen, dass beim Angeklagten bei allen Taten die Einsichtsfähigkeit durch Ausblenden der Eigenbeteiligung und die Steuerungsfähigkeit aufgrund eines akuten Schubes einer hebephrenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis gemäß § 21 StGB erheblich eingeschränkt gewesen sei (UA S. 34). Es liege eine krankhafte seelische Störung vor. Nach Einschätzung des Sachverständigen sei durch das Krankheitsbild des Angeklagten die Einsichtsfähigkeit und das von ihm begangene Unrecht durch Leugnung des Eigenanteils beeinträchtigt und durch mangelnde Impulskontrolle insbesondere seine Steuerungsfähigkeit erheblich verringert, so dass eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB anzunehmen sei. Im Rahmen der Begründung der Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte aufgrund falscher Wahrnehmung des Verhaltens Dritter deren Verhalten als Bedrohung oder Ungerechtigkeit gegen seine Person empfinde und als Reaktion darauf weitere gleichartige oder schwerere Straftaten begehen werde.

Diese Ausführungen tragen den Schuldspruch und die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.

1. Das Urteil lässt nähere Feststellungen dazu, wie sich die Krankheit des Angeklagten auf seine Schuldfähigkeit bei Begehung der Taten tatsächlich ausgewirkt hat (vgl. BGHSt 49, 347 , 356), vermissen. Der Tatrichter ist aber gehalten, sich - in revisionsrechtlich nachvollziehbarer Weise - mit dieser Frage auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Beschl. vom 24. Juli 2007 - 3 StR 261/07).

2. Die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit lassen zudem besorgen, dass das Landgericht die Annahme einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten auf eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit gestützt hat.

Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich jedoch erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. u. a. Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 - 2 StR 462/07 - m.w.N.). Der Täter, der im konkreten Fall trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig. Fehlt dem Angeklagten im konkreten Fall die Unrechtseinsicht, liegt Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB ) vor und er kann nicht schuldig gesprochen werden.

Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung des Urteils, weil angesichts der Feststellungen zum Krankheitsbild des Angeklagten einerseits die Annahme, die Voraussetzungen des § 21 StGB lägen positiv vor und damit die Anwendung der Maßregel nach § 63 StGB von den Feststellungen nicht getragen werden, andererseits aber auch eine fehlende Schuldfähigkeit nicht von vornherein sicher ausgeschlossen werden kann.

Die Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende, nicht im Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben im Falle 18 ergänzende Feststellungen zu treffen zur Frage eines etwaigen freiwilligen Rücktritts des Angeklagten vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung.

Vorinstanz: LG Mainz, vom 13.07.2007
Fundstellen
NStZ-RR 2008, 106