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BGH - Entscheidung vom 11.10.2007

V ZB 1/07

Normen:
ZwVwV § 19

Fundstellen:
BGHReport 2008, 100
MDR 2008, 230
NJW-RR 2008, 99
NZI 2008, 328
NZM 2008, 100
ZInsO 2007, 1271
ZfIR 2008, 71

BGH, Beschluß vom 11.10.2007 - Aktenzeichen V ZB 1/07

DRsp Nr. 2007/21303

Angemessenheit der Vergütung des Zwangsverwalters; Bemessung nach Zeitaufwand

»a) Die Regelvergütung nach § 18 Abs. 1 u. 2 ZwVwV ist offensichtlich unangemessen im Sinne von § 19 Abs. 2 ZwVwV, wenn sie trotz Ausschöpfung des Höchstrahmens (§ 18 Abs. 2 ZwVwV) um mehr als 25 % hinter der Vergütung nach Zeitaufwand zurückbleibt.b) Hat der Zwangsverwalter seine Tätigkeit so konkret dargelegt, dass der nach § 19 ZwVwV vergütungsfähige Zeitaufwand in der Gesamtschau bei überschlägiger Abschätzung plausibel erscheint, kann die abgerechnete Stundenzahl festgesetzt werden; zu näheren Darlegungen ist der Verwalter nur gehalten, wenn sein Antrag eine Plausibilitätskontrolle schon nicht ermöglicht oder aber dieser Kontrolle aufgrund besonderer Umstände - etwa aufgrund eines die Plausibilität erschütternden Einwandes eines Beteiligten - nicht stand hält.«

Normenkette:

ZwVwV § 19 ;

Gründe:

I. Die Schuldner sind Wohnungseigentümer von zwei durch die Ferienpark Vermietungsgesellschaft mbH an Feriengäste vermieteten Appartements, die in der Zeit von Ende Oktober 2003 bis Mitte Mai 2006 der Zwangsverwaltung unterlagen. Zwangsverwalter war der Beteiligte zu 4, in dessen Verwaltungszeit Mieteinnahmen in Höhe von 6.628,77 EUR erzielt wurden.

Der Beteiligte zu 4 hat nach § 19 Abs. 2 ZwVwV die Festsetzung einer Vergütung nach Stundenaufwand in Höhe von insgesamt 2.679,60 EUR (28 Stunden à 75 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) beantragt und hierzu geltend gemacht, die auf der Grundlage der Mieteinnahmen zu bemessende Regelvergütung (§ 18 ZwVwV) in Höhe von 993,32 EUR sei nicht angemessen, weil ein Zeitaufwand von wenigstens 28 Stunden entstanden sei. Der Festsetzungsantrag enthält eine Vergleichsrechnung sowie eine Beschreibung der erbrachten Tätigkeiten, jedoch keinen detaillierten Stundennachweis. Letzteres wird von der betreibenden Gläubigerin, der Beteiligten zu 1, beanstandet, die dem geltend gemachten Zeitaufwand entgegen tritt.

Die Rechtspflegerin hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die dagegen von der Beteiligten zu 1 eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 eine Herabsetzung auf die Regelvergütung erreichen. Der Beteiligte zu 4 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1. Das Beschwerdegericht hält die Voraussetzungen für eine stundenweise Vergütung nach § 19 Abs. 2 ZwVwV für gegeben. Insbesondere sei der geltend gemachte Zeitaufwand auf der Grundlage der substantiierten Darlegungen des Zwangsverwalters plausibel und bewege sich im unteren Bereich dessen, was in durchschnittlichen Verfahren als "Normalaufwand" anzusehen sei. Ein detaillierter Stundennachweis mit einer Aufschlüsselung nach Arbeitsminuten sei nicht erforderlich.

2. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

a) Gemäß § 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ZwVwV kann der Verwalter eine Vergütung nach Zeitaufwand verlangen, wenn die Regelvergütung nach § 18 Abs. 1 u. 2 ZwVwV offensichtlich unangemessen ist. Davon ist auszugehen, wenn die Regelvergütung trotz Ausschöpfung des Höchstrahmens nach § 18 Abs. 2 ZwVwV um mehr als 25 % hinter der Vergütung nach Zeitaufwand zurückbleibt (ebenso Eickmann, ZIP 2004, 1736 , 1739; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 4. Aufl., § 19 ZwVwV Rdn. 16). Diese Voraussetzung hat das Beschwerdegericht der Sache nach ohne Rechtsfehler bejaht. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass es den geltend gemachten Zeitaufwand von 28 Stunden anerkannt hat.

aa) Bei der Bestimmung des nach § 19 Abs. 1 ZwVwV für die Verwaltung erforderlichen Zeitaufwandes ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber mit der Neuordnung des Rechts der Zwangsverwaltervergütung auch das legitime Anliegen verfolgt hat, eine mit aufwendigen Prüfungen einhergehende Mehrbelastung der Gerichte möglichst zu verhindern (vgl. BR-Drucks. 842/03, S. 9 u. 17). Dem liegt zugrunde, dass der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig ins Detail gehenden Betrachtung zu erzielen ist, in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen steht, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob ein bestimmter Zeitaufwand für einzelne Positionen erforderlich war oder nicht. Schon deshalb kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zumindest im Regelfall nicht ein Stundennachweis über die von dem Verwalter und seinen Mitarbeitern entfalteten Tätigkeiten verlangt werden. Vielmehr dürfen sich die Gerichte bei der Festsetzung grundsätzlich mit einer Plausibilitätskontrolle begnügen (vgl. auch LG Frankenthal ZfIR 2006, 36, 37; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO., Rdn. 22; jeweils m.w.N.). Hat der Verwalter die vergütungsrelevante Tätigkeit so konkret dargelegt, dass der Zeitaufwand in der Gesamtschau bei überschlägiger Abschätzung plausibel erscheint, kann die abgerechnete Stundenzahl festgesetzt werden, wobei auch die in ZinsO 2004, 78 ff. veröffentlichte REFA-Studie, in der der durchschnittliche Zeitaufwand für typische Verfahren ermittelt worden ist, einen Anhaltspunkt für die Plausibilitätsbeurteilung bieten kann (vgl. dazu auch Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO., Rdn. 17). Zu näheren Darlegungen ist der Verwalter nur gehalten, wenn sein Antrag eine Plausibilitätskontrolle schon nicht ermöglicht oder aber dieser Kontrolle aufgrund besonderer Umstände - etwa aufgrund eines die Plausibilität erschütternden Einwandes eines Beteiligten - nicht stand hält (vgl. auch Senatsbeschl. v. 25. Januar 2007, V ZB 150/06, NZM 2007, 261 , 262).

bb) Gemessen daran lässt die Zugrundelegung des in Rechnung gestellten Zeitaufwands Rechtsfehler nicht erkennen. Dass das Beschwerdegericht bei der Plausibilitätskontrolle den ihm eingeräumten tatrichterlichen Beurteilungsspielraum überschritten hätte, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Insbesondere ist der Vorwurf unberechtigt, das Beschwerdegericht habe sich an der REFA-Studie orientiert, dabei aber außer acht gelassen, dass die Studie von aus 10 Einheiten bestehenden Objekten mit wechselnden Mietern und normalem Reparaturaufwand ausgehe. Von einem geringeren Zeitaufwand ist das Beschwerdegericht ausgegangen. Dabei hat es ersichtlich auch dem Umstand Rechnung getragen, dass bereits in dem Festsetzungsantrag des Beteiligten zu 4 ausgeführt worden ist, der nach der REFA-Studie anfallende Stundenaufwand eines Regelverfahrens (37 Stunden pro Jahr zzgl. 18 Stunden im Jahr der Anordnung und 14 Stunden im Jahr der Aufhebung) werde deshalb nicht geltend gemacht, weil weder eine umfangreiche Mietverwaltung (nur ein Mietverhältnis) noch die Bearbeitung von Umsatzsteuererklärungen noch die Beachtung eines umfangreichen Teilungsplans erforderlich gewesen sei.

b) Von einer weiteren Begründung wird nach § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 29.11.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 2 T 914/06
Vorinstanz: AG Lahnstein, vom 06.09.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 6 L 22/03
Fundstellen
BGHReport 2008, 100
MDR 2008, 230
NJW-RR 2008, 99
NZI 2008, 328
NZM 2008, 100
ZInsO 2007, 1271
ZfIR 2008, 71