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BGH - Entscheidung vom 21.11.2007

IV ZR 321/05

Normen:
ZPO § 321a

BGH, Beschluß vom 21.11.2007 - Aktenzeichen IV ZR 321/05

DRsp Nr. 2007/23993

Anforderungen an eine Anhörungsrüge

Eine Anhörungsrüge ist als unzulässig zu verwerfen, wenn sie die Entscheidungserheblichkeit des gerügten Gehörsverstoßes nicht darlegt. Es ist daher vorzutragen, mit welchen rechtlichen Argumenten eine Prozesspartei der Rechtsansicht des Gerichts entgegen getreten und weshalb die Entscheidung ohne Gehörsverletzung möglicherweise anders ausgefallen wäre. Es ist Sache einer Prozesspartei, ihre rechtliche Argumentation auf den zu entscheidenden Fall bezogen vorzutragen.

Normenkette:

ZPO § 321a ;

Gründe:

I. Die Beklagte macht mit der Anhörungsrüge geltend, der Senat habe spätestens in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass die Klauseln in ihren Bedingungen der fondsgebundenen Rentenversicherung über den Rückkaufswert bei Kündigung und die Verrechnung der Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren (§§ 12 Abs. 3, 24 Abs. 1 AVB) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sein könnten und nach Maßgabe des Senatsurteils vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ) ein Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert in Betracht käme. Wäre der Hinweis erteilt worden, hätte sie auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg (VersR 2007, 1354) hingewiesen sowie Vertagung beantragt, um über den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ein umfassendes Rechtsgutachten einzuholen.

II. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und fristgerecht eingelegte Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

1. Sie ist bereits als unzulässig zu verwerfen, weil es ihr an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt (§ 321a Abs. 4 Sätze 1 und 2 i.V. mit Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ). Danach ist die Entscheidungserheblichkeit des gerügten Gehörsverstoßes darzulegen. Demgemäß hätte die Beklagte ausführen müssen, mit welchen rechtlichen Argumenten sie der Rechtsansicht des Senats entgegengetreten und weshalb die Entscheidung ohne die Gehörsverletzung möglicherweise anders ausgefallen wäre. Das ist nicht geschehen. Der Hinweis auf den (nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlichten) Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg (aaO.) genügt schon deshalb nicht, weil diesem Beschluss der genaue Inhalt der dortigen Klauseln über den Rückkaufswert bei Kündigung und die Verrechnung der Abschlusskosten nicht zu entnehmen ist. Auch der Hinweis, es wäre Vertagung beantragt worden, um über den GDV ein umfassendes Rechtsgutachten einzuholen, besagt zur Entscheidungserheblichkeit des gerügten Gehörsverstoßes nichts. Es wäre Sache der anwaltlich vertretenen Beklagten gewesen, ihre rechtliche Argumentation auf den hier zu entscheidenden Fall bezogen vorzutragen.

2. Die Anhörungsrüge ist auch nicht begründet, weil ein Gehörsverstoß nicht vorliegt.

a) Auf eine mögliche Unwirksamkeit der §§ 12 Abs. 3, 24 Abs. 1 AVB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot brauchte der Senat nicht hinzuweisen. Die Frage der Transparenz dieser Klauseln war von Anfang an zentraler Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beklagte hat dazu in der Revisionsbegründung umfassend Stellung genommen. Der Senat hat die Klauseln nicht wegen fehlender Garantiewerte, sondern deshalb für unwirksam erklärt, weil § 12 Abs. 3 AVB keinen Hinweis auf die für den Versicherungsnehmer mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile enthält. Auf die mit der Verrechnung der Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren verbundenen Nachteile ist der Versicherungsnehmer nicht nur bei der herkömmlichen kapitalbildenden Lebensversicherung hinzuweisen, sondern auch bei der - ebenfalls kapitalbildenden - fondsgebundenen Lebensversicherung, bei der es keine garantierten Rückkaufswerte und demgemäß keine entsprechenden Tabellen gibt. Der Nachteil der fehlenden oder nur geringen Kapitalbildung in den Anfangsjahren der Versicherung ist bei beiden Formen der Lebensversicherung ersichtlich gleich.

b) aa) Dieser Umstand lässt es für einen gewissenhaften und rechtskundigen Prozessbeteiligten (vgl. BVerfG NJW 2003, 3687 ) als auf der Hand liegend erscheinen, dass der durch den Transparenzmangel bewirkte wirtschaftliche Nachteil bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ebenso wie bei der herkömmlichen kapitalbildenden Lebensversicherung nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 12. Oktober 2005 (aaO.) zu kompensieren sein könnte. Eventuell verbliebene Zweifel mussten spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 (VersR 2006, 489 ) beseitigt sein, die der Verrechnung hoher Abschlusskosten mit der Prämie nach dem Zillmerungsverfahren - möglicherweise weitergehend als das Senatsurteil vom 12. Oktober 2005 - ebenfalls Grenzen setzt. Schließlich war bereits lange vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekannt, dass der Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes 2008 auch für die fondsgebundene Lebensversicherung einen Mindestrückkaufswert vorgesehen hat (§ 169 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 i.V. mit Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2).

bb) Im Übrigen hat der Senatsvorsitzende in der mündlichen Verhandlung - im Protokoll nicht vermerkt - darauf hingewiesen, dass die fraglichen Klauseln unwirksam sein dürften und der Kläger Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert entsprechend dem Senatsurteil vom 12. Oktober 2005 haben könnte. Dem hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht widersprochen.

Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 29.11.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 10 U 66/05
Vorinstanz: LG Rottweil, vom 15.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 173/04