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BFH - Entscheidung vom 19.01.2007

VII B 50/06

Normen:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 § 79b § 65 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 946

BFH, Beschluss vom 19.01.2007 - Aktenzeichen VII B 50/06

DRsp Nr. 2007/5933

Klagebegründung; Fristsetzung nach § 79b FGO

1. Die Begründung einer Klage gehört nach § 65 Abs. 1 Satz 3 FGO nicht zu deren notwendigem Bestandteil. Eine Verpflichtung zur Begründung sieht das Gesetz ebenso wenig vor, wie eine Pflicht des Gericht zur Erzwingung einer solchen.2. Eine Fristsetzung nach § 79b FGO zur Begründung einer Klage kommt nicht in Betracht.

Normenkette:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 § 79b § 65 Abs. 2 S. 1 ;

Gründe:

I. Nach mehreren erfolglosen Vollstreckungsversuchen forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auf. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Daraufhin erhob der Kläger Klage vor dem Finanzgericht (FG), die er jedoch nicht begründete. Die mit einer Fristsetzung verbundene Aufforderung des FG zur Klagebegründung sowie eine nochmalige schriftliche Erinnerung blieben unbeantwortet. Auf die dem Kläger am 23. November 2005 zugestellte Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgte ein Antrag auf Aufhebung des Termins, den der Kläger u.a. damit begründete, in der Kalenderbranche tätig zu sein und bis Januar/Mitte Februar Hochkonjunktur zu haben. Da er sich derzeit besonders intensiv um den Betrieb kümmern müsse, sei er unabkömmlich. Im Übrigen erscheine eine mündliche Verhandlung verfrüht, da das FA auf die Klagebegründung noch nicht geantwortet habe.

Mit Verfügung vom 2. Dezember 2005 hat das FG den Aufhebungsantrag aufgrund der unzureichenden Darlegung der Hinderungsgründe abgelehnt und darauf hingewiesen, dass der Kläger weder auf die Aufforderung zur Klagebegründung noch auf die Erinnerung reagiert habe. Daraufhin teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2005 dem FG mit, dass er nach seinen Unterlagen die Klagebegründung am 18. Januar 2005 an das FG abgesandt habe und es nicht einrichten könne, im Termin persönlich anwesend zu sein.

Die Verhandlung vor dem FG fand ohne Beteiligung des Klägers statt. Das FG wies die Klage aufgrund des Begründungsmangels als unzulässig ab. Es führte aus, dass der anberaumte Termin zu Recht nicht aufgehoben worden sei. Die allgemeine Behauptung, im Betrieb herrsche Hochkonjunktur und der Kläger sei unabkömmlich, reiche zur hinreichenden Substantiierung und Glaubhaftmachung des behaupteten Hinderungsgrundes nicht aus. Trotz eines entsprechenden Hinweises habe der Kläger nicht ergänzend vorgetragen und auch die Klage nicht begründet.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG und macht hierzu das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Erst mit Ablehnung der Terminsaufhebung habe er Kenntnis davon erhalten, dass die Klagebegründung beim Gericht nicht eingegangen sei. Das FG habe die ihm nach § 76 FGO obliegende Sachaufklärungspflicht und den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es den Kläger vor Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht nochmals unter Fristsetzung nach § 79b FGO zur Klagebegründung aufgefordert habe. Im Streitfall sei von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Bei der somit gebotenen Vorgehensweise nach § 79b FGO wäre der Kläger ausreichend über die negativen Folgen eines Ausbleibens der Klagebegründung unterrichtet worden. Dann wäre es für das FG auch möglich gewesen, lediglich ein Versäumnisurteil zu erlassen, so dass der Kläger einfach einen Antrag auf erneute mündliche Verhandlung hätte stellen können.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der beschließende Senat lässt es unerörtert, ob die Beschwerde den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gerecht wird, denn jedenfalls liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts oder den Gehörsanspruch des Klägers nicht dadurch verletzt, dass es dem Kläger keine Ausschlussfrist nach § 79b FGO zur Einreichung der Klagebegründung gesetzt hat. Nach § 65 Abs. 1 Satz 3 FGO gehört die Begründung einer Klage nicht zu deren notwendigem Bestandteil. Eine Verpflichtung zur Begründung sieht das Gesetz ebenso wenig vor, wie eine Pflicht des Gerichts zur Erzwingung einer solchen. Die Bestimmung, dass die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel lediglich angegeben werden sollen (§ 65 Abs. 1 Satz 3 FGO ), ist als Hinweis auf die prozessuale Mitwirkungspflicht des Klägers zu verstehen. Denn ohne ein Zutun der Beteiligten ist es dem Gericht schwerlich möglich, seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts nachzukommen.

Die vom Kläger verlangte Fristsetzung nach § 79b FGO , deren ungenutztes Verstreichenlassen mit der Möglichkeit des Ausschlusses des Vorbringens verbunden gewesen wäre, kommt bei der Anforderung einer Klagebegründung nicht in Betracht. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geht die Aufforderung, die Klage zu begründen, über den Anwendungsbereich von § 79b FGO hinaus, weil sie auch die Angabe von Beweismitteln einschließt und als Aufforderung zu Rechtsausführungen verstanden werden kann (Stöcker in Beermann/Gosch, FGO , § 79b Rz 17, m.w.N.). Allenfalls wäre eine Fristsetzung ohne Ausschlusswirkung nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO möglich gewesen. Die Möglichkeit einer solchen sanktionslosen Fristsetzung, von der das FG auch Gebrauch gemacht hat, steht im Ermessen des Gerichts.

Im Streitfall hat das FG seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch erfüllt, dass es den Kläger mehrmals unter Fristsetzung zur Vorlage einer Klagebegründung aufgefordert und in seinem Schreiben vom 2. Dezember 2005 auch darauf hingewiesen hat, dass den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit gegeben wird, ihre Rechtsauffassungen vorzutragen. Zudem wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er auf die Aufforderung zur Klagebegründung keine Reaktion gezeigt habe. Damit musste sich dem Kläger der Verdacht aufdrängen, dass seine an das FG gesandte Begründung dieses nicht erreicht haben könnte. In seinem Schreiben vom 8. Dezember 2005 hat der Kläger bestätigt, dass er nunmehr von einem Fehlen dieses Schreibens in den Gerichtsakten ausgehe. Gleichwohl hat er diese Erkenntnis nicht zum Anlass genommen, die Klagebegründung nochmals dem FG zu übersenden. Auch ist er --ohne Hinderungsgründe substantiiert glaubhaft zu machen-- der mündlichen Verhandlung ferngeblieben und stand somit dem FG für evtl. Auskünfte nicht zur Verfügung. Bei dieser Sachlage kann dem FG nicht der Vorwurf gemacht werden, es habe pflichtwidrig das von ihm verlangte Bemühen um eine Sachaufklärung unterlassen. Soweit der Kläger meint, "es wäre rechtstaatlich gewesen", eine sanktionsbewährte Frist gemäß § 79b FGO zu setzen, kann dieser Rechtsauffassung aus den o.g. Gründen nicht gefolgt werden.

2. Schließlich verkennt der Kläger, dass das FG keine Möglichkeit zum Erlass eines Versäumnisurteils hatte und somit auch dem Kläger keine Gelegenheit geben konnte, einen Antrag auf erneute mündliche Verhandlung zu stellen. Denn im Gegensatz zum zivilgerichtlichen Verfahren kennt das finanzgerichtliche Verfahren ein Versäumnisurteil nicht (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung , 6. Aufl., § 91 Rz 18).

Vorinstanz: FG Münster - 7 K 5678/04 AO - 13.12.2005,
Fundstellen
BFH/NV 2007, 946