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BFH - Entscheidung vom 02.08.2007

XI B 43/07

Normen:
FGO § 74

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 2307

BFH, Beschluss vom 02.08.2007 - Aktenzeichen XI B 43/07

DRsp Nr. 2007/18748

Aussetzung des Verfahrens; Beschwerde

1. Zu den Voraussetzungen der Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO . 2. Die Entscheidung über die Aussetzung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Das Gericht muss bei seiner Entscheidung prozessökonomische Gesichtspunkte einerseits und die Interessen der Beteiligten andererseits gegeneinander abwägen.

Normenkette:

FGO § 74 ;

Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wenden sich im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung 1999 gegen die Anwendung der in § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 des Einkommensteuergesetzes ( EStG ) i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 enthaltenen Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hatte bei der Einkommensteuerfestsetzung für 1999 unter Anwendung von § 2 Abs. 3 EStG geltend gemachte Verluste aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt gelassen. Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) setzte das Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. September 2006 XI R 26/04 (BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167) zur Verfassungsmäßigkeit u.a. auch des § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG aus. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG sei nunmehr Gegenstand eines Musterverfahrens beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das Gericht halte die Aussetzung in der Sache für geboten, weil die Verfassungswidrigkeit der genannten Norm Auswirkungen auf den Streitfall habe. Die Beteiligten seien zuvor fernmündlich angehört worden.

Mit der Beschwerde gegen den Beschluss machen die Kläger geltend, es sei nicht zu erkennen, von welchen Erwägungen das FG sich habe leiten lassen. Nach der Rechtsprechung des BFH vom 18. Juli 1990 I R 12/90 (BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986 ) müsse das FG bei seiner Entscheidung zu § 74 FGO prozessökonomische Gesichtspunkte einerseits und die Interessen der Beteiligten andererseits gegeneinander abwägen. Das FG habe weder prozessökonomische Erwägungen angestellt, noch die Interessen der Beteiligten überhaupt angesprochen. Von ihnen, den Klägern, sei dem FG bekannt, dass sie an einer möglichst baldigen Entscheidung interessiert seien. Der angefochtene Beschluss stelle somit eine Entscheidung über ihre Köpfe hinweg dar.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat das Verfahren zur Einkommensteuer 1999 rechtsfehlerfrei bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvL 59/06 ausgesetzt.

1. Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Entscheidung über die Aussetzung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Das Gericht muss bei seiner Entscheidung prozessökonomische Gesichtspunkte einerseits und die Interessen der Beteiligten andererseits gegeneinander abwägen (BFH-Urteil in BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986 ).

2. Die Entscheidung des FG, das Verfahren nach § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvL 59/06 auszusetzen, entspricht den genannten Vorgaben. Nach allgemeiner Auffassung ist die Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung von § 74 FGO zulässig, wenn vor dem BVerfG ein nicht aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist (Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 74 FGO Rz 85, m.w.N.). Bei dem Vorlagebeschluss des erkennenden Senats handelt es sich um ein derartiges Musterverfahren.

3. Auch der Vortrag der Kläger, der Begründung des Beschlusses ließen sich die erforderlichen Ermessenserwägungen nicht entnehmen, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.

a) Nach § 113 Abs. 2 Satz 1 FGO sind Beschlüsse zu begründen, wenn sie durch ein Rechtsmittel angefochten werden können oder über ein Rechtsmittel entscheiden. Hinsichtlich Inhalt und Umfang der bei Beschlüssen erforderlichen Begründung gelten die für die Begründung von Urteilen entwickelten Grundsätze entsprechend. Eine Begründung ist hiernach grundsätzlich nur vorhanden, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, von welchen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen es ausgegangen ist. Dabei sind die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes und die einzelnen Umstände entscheidend. Damit haben die Gerichte bei Abfassung der Begründung einen ausreichenden Spielraum. Es ist insbesondere möglich, sich auf eine kurze Begründung zu beschränken (Lange in HHSp, § 113 FGO Rz 69, 70, 71, m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalls genügt die Begründung in dem angefochtenen Beschluss diesen Anforderungen.

Der Begründung lässt sich nicht nur entnehmen, welche Rechtsvorschrift das FG angewandt hat. Vielmehr hat das FG auch ausgeführt, dass es nach einer entsprechend vorher durchgeführten Anhörung der Beteiligten eine Aussetzung des Verfahrens wegen der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage im Streitfall für geboten und damit auch für ermessensgerecht gehalten hat. Die Kläger haben in diesem Zusammenhang selbst vorgetragen, dass dem FG ihr Interesse an einer raschen Sachentscheidung und damit ihr fehlendes Einverständnis an einer Aussetzung des Verfahrens bekannt gewesen sei. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem Verlauf des Klageverfahrens, währenddessen die Kläger im Vorfeld schon ihr Einverständnis mit einer Verfahrensruhe nach § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung nicht erteilt haben. Vor diesem Hintergrund genügt die Bezugnahme des FG auf die vorherige telefonische Anhörung der Beteiligten, um den für die Ermessensausübung erforderlichen Abwägungsprozess für die Beteiligten erkennbar zu machen. Die vom FG gewählte kurze Begründung fällt somit in den ihm zustehenden Entscheidungsrahmen, zumal der Beschluss auch der Sache nach nicht zu beanstanden ist und im Einklang damit steht, dass der erkennende Senat die bei ihm zu den §§ 2 Abs. 3 , 10d EStG anhängigen Verfahren ausgesetzt hat.

4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, weil es sich bei der Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung , 6. Aufl., § 143 Rz 4 und 6).

Vorinstanz: FG Köln, vom 09.03.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 5205/03
Fundstellen
BFH/NV 2007, 2307