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BVerwG - Entscheidung vom 11.01.2006

7 B 53.05

BVerwG, Beschluss vom 11.01.2006 - Aktenzeichen 7 B 53.05

DRsp Nr. 2006/6643

Gründe:

Der Kläger begehrt, den beklagten Markt zu einer Maßnahme zu verurteilen, die unter anderem sein - des Klägers - Grundstück vor Hochwasser schützen soll.

Das Grundstück des Klägers liegt nördlich der W., eines Gewässers III. Ordnung. Sie fließt hier in dem so genannten L. Der Beklagte erließ für die Flächen südlich des L. einen Bebauungsplan, der eine Bebauung dieser Flächen mit Wohnhäusern vorsah. Die Beigeladene bebaute Grundstücke im Bauplangebiet, unter anderem unmittelbar südlich des L. gegenüber dem Grundstück des Klägers. Dabei wurde das Gelände zum L. hin aufgeschüttet, wodurch Flutmulden ganz oder teilweise beseitigt wurden.

Wegen der dadurch gesteigerten Gefahr einer Überschwemmung seines Grundstücks hat der Kläger den Beklagten auf Maßnahmen des Hochwasserschutzes in Anspruch genommen. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verurteilt, vorbehaltlich der erforderlichen Genehmigungen südlich des Grundstücks des Klägers und eines Nachbargrundstücks ein Gerinne zu errichten, das geeignet ist, ein einhundertjähriges Hochwasser abzuführen. Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Als Rechtsgrundlage für die begehrte Maßnahme des Hochwasserschutzes komme allein der allgemeine öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Dessen Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass die erhebliche Überschwemmungsgefahr auf seinem Grundstück auf einen hoheitlichen Eingriff zurückzuführen sei, der dem Beklagten zuzurechnen sei. Nach den im Berufungsverfahren abgegebenen gutachterlichen Äußerungen, denen der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten sei, müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass das in jüngerer Zeit vermehrt auftretende Hochwasser allein auf Handlungen der Beigeladenen zurückzuführen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

1. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das angefochtene Berufungsurteil an Verfahrensmängeln leidet, auf denen es beruhen könnte.

Der Kläger wirft dem Verwaltungsgerichtshof pauschal vor, dieser habe ihm - dem Kläger - das rechtliche Gehör versagt, weil er von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei und wesentliche Bekundungen nicht berücksichtigt habe; der Verwaltungsgerichtshof habe ferner seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt, weil er keine weiteren Beweise erhoben habe, obwohl sich ihm angesichts des gesamten Sachverhalts die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Das Beschwerdevorbringen befasst sich jedoch nicht konkret mit den behaupteten Verfahrensfehlern, sondern erschöpft sich weithin in einer eigenen Darstellung des Sachverhalts und Ausführungen zur materiellen Rechtslage, ohne dass dabei ein Bezug zu den behaupteten Verfahrensfehlern erkennbar würde.

Das gilt namentlich für den in erster Linie erhobenen Vorwurf, der Verwaltungsgerichtshof habe verkannt, dass die Ausweisung des Bauplangebiets südlich des L. durch den Beklagten ursächlich für die gesteigerte Gefahr von Hochwassern sei, denen sein - des Klägers - Grundstück ausgesetzt sei. Der Kläger greift insoweit der Sache nach die materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs an. Auf diese Weise kann ein Verfahrensfehler nicht dargelegt werden.

Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kam als Rechtsgrundlage für die begehrte Maßnahme des Hochwasserschutzes nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht, der die Verletzung eines subjektiven Rechts des Klägers durch einen hoheitlichen Eingriff zur Voraussetzung habe. Die Verletzung eines subjektiven Rechts hat der Verwaltungsgerichtshof in der erhöhten Überschwemmungsgefahr für das Grundstück des Klägers gesehen, die der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt hat. Ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers und den eingeholten sachverständigen Stellungnahmen ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass diese erhöhte Überschwemmungsgefahr auf der Beseitigung der Flutmulde beruht, die früher auf den gegenüber liegenden Grundstücken der Beigeladenen vorhanden war. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber angenommen, die (rechtsbeeinträchtigende) Erhöhung der Überschwemmungsgefahr beruhe nicht auf einem hoheitlichen Eingriff des Beklagten. Als solcher kam nur der Erlass des Bebauungsplans in Betracht, der die Bebauung südlich des L. ermöglicht hatte, bei deren Ausführung durch Aufschüttung des Geländes die bis dahin bestehende Flutmulde beseitigt worden war.

Der Kläger übersieht, dass nach dem maßgeblichen Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs die Kausalität neben tatsächlichen Feststellungen auch rechtliche Bewertungen erfordert. Der Verwaltungsgerichtshof stellt nicht in Frage, dass bei einer natürlichen Betrachtung der Bebauungsplan eine Ursache für die Erhöhung der Überschwemmungsgefahr gesetzt hat, weil ohne den Bebauungsplan die Bautätigkeit auf den Grundstücken südlich des Landweihergrabens nicht ausgelöst worden wäre und als Folge dieser Bautätigkeit das Gelände nicht aufgeschüttet worden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof grenzt aber die Kausalität ein, die sich aus der natürlichen Betrachtung ergibt. Er rechnet dem Beklagten seinen als solchen unstreitigen Ursachenbeitrag rechtlich nur zu, wenn der Beklagte durch fehlerhafte, gegen zwingende Vorschriften verstoßende Festsetzungen in dem Bebauungsplan eine besondere Gefahr im Hinblick auf die spätere Rechtsverletzung geschaffen hätte. Dies verneint der Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung, der Bebauungsplan habe die Aufschüttung des Geländes in einem Teilbereich verboten, im Übrigen nicht ausdrücklich zugelassen. Die Aufschüttung des Geländes durch die Beigeladene sei rechtswidrig gewesen.

Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichtshofs aus ist nicht erkennbar, worin der Kläger einen Verfahrensfehler erblicken will. Seinen Ausführungen kann allenfalls entnommen werden, dass er die rechtliche Eingrenzung der Kausalität durch Zurechnungsgesichtspunkte für unzutreffend hält. Damit wendet er sich aber gegen die materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs. Ihr liegen in tatsächlicher Hinsicht dieselben Annahmen zugrunde, die auch der Kläger in seiner Beschwerde hervorhebt.

2. Das angefochtene Berufungsurteil weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2002 - BVerwG 4 CN 14.00 - (BVerwGE 116, 144 = NVwZ 2002, 1509) ab.

Der Kläger entnimmt dieser Entscheidung den abstrakten Rechtssatz, der Bauleitplanung einer Gemeinde müsse eine Erschließungskonzeption zugrunde liegen, nach der das im Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden könne, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen - auch außerhalb des Plangebiets - keinen Schaden nähmen. Planbedingte Missstände, die den Grad der Eigentumsverletzung erreichten, setzten der Planung äußerste, im Wege der Abwägung nicht überwindbare Grenzen. Sie machten Vorkehrungen erforderlich, welche die Beeinträchtigungen jedenfalls auf das Maß zurückführten, das die Schutzgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch zulasse.

Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung ausdrücklich oder in der Sache einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat. Das Bundesverwaltungsgericht beschreibt die Anforderungen, welche die Gemeinde bei ihrer Bauleitplanung namentlich im Rahmen des Abwägungsgebots zu beachten hat. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat die Gemeinde aber nicht durch die Planung des Baugebiets südlich des L. in ihr rechtlich zurechenbarer Weise eine Überschwemmungsgefahr ausgelöst. Die schadlose Abführung des dort anfallenden Niederschlagswassers wäre vielmehr ohne weiteres sichergestellt, wenn nicht die Beigeladene durch spätere rechtswidrige Aufschüttungen den Wasserabfluss beeinflusst hätte. Dass dem Beklagten bereits bei der Planung des Baugebiets ein Abwägungsfehler unterlaufen sein könnte, hat der Verwaltungsgerichtshof mithin gerade nicht festgestellt.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO .

Der Kläger möchte die Fragen geklärt wissen,

ob eine Gemeinde verpflichtet ist, ihre grundsätzliche Verpflichtung zur Erstellung einer Erschließungskonzeption, wonach in einem Plangebiet anfallendes Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum des Planbetroffenen diesseits und jenseits der Plangrenzen keinen Schaden nehmen, gegen einen Störer der Erschließungskonzeption weiter zu verfolgen und geeignete Mittel zur Beseitigung der Störung einzusetzen hat,

ob sich eine solche Verpflichtung aufgrund der Amtspflicht zu konsequentem Verhalten gegenüber dem betroffenen Anwohner ergibt.

Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

Ansprüche des Klägers auf ein öffentlich-rechtliches Einschreiten gegen die Beigeladene sind nicht Gegenstand des Verfahrens, zumal der Beklagte nicht die für ein solches Einschreiten zuständige Behörde ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO . Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 04.04.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 22 B 01.247