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BSG - Entscheidung vom 13.06.2006

B 6 KA 16/06 B

Normen:
BMV-Ä § 24 Abs. 2 S. 3
EKV-Ä § 27 Abs. 2 S. 3
SGB V § 82 Abs. 1

BSG, Beschluß vom 13.06.2006 - Aktenzeichen B 6 KA 16/06 B

DRsp Nr. 2006/20418

Bindung des Arztes an den Überweisungsschein in der vertragsärztlichen Versorgung

Nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften ist der die Überweisung ausführende Arzt an den Überweisungsschein gebunden. Der Überweisungsschein muss ihm daher vor Durchführung der Behandlung vorliegen, das heißt der Überweisungsschein muss zuvor vom behandelnden Vertragsarzt in schriftlicher Form ausgestellt worden sein. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

BMV-Ä § 24 Abs. 2 S. 3 ; EKV-Ä § 27 Abs. 2 S. 3 ; SGB V § 82 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Der Kläger ist Leitender Arzt der Anästhesieabteilung eines Krankenhauses und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung für bestimmte Leistungen auf Überweisung ermächtigt. Die Kassenärztliche Vereinigung Pfalz (Rechtsvorgängerin der Beklagten) berichtigte seine Abrechnungen für die Quartale III/1998 bis I/2002, indem sie die vom Kläger erbrachten und abgerechneten Leistungen in den Behandlungsfällen von der Vergütung ausschloss, in denen der Kläger seine Leistungen vor dem Zeitpunkt erbracht hatte, an dem der den Patienten behandelnde Vertragsarzt die für die Inanspruchnahme des Klägers notwendige Überweisung ausgestellt hatte.

Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, nach den Vorschriften der Bundesmantelverträge müssten Überweisungen schriftlich erfolgen, und der Überweisungsschein müsse regelmäßig vor Beginn der Behandlung durch den die Überweisung ausführenden Arzt vorliegen. Behandlungen vor Erteilung eines Überweisungsscheines dürften nicht abgerechnet werden (Urteil vom 1. Dezember 2005).

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Begründungsanforderungen.

Wer die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erstrebt, muss eine Rechtsfrage in eigener Formulierung bezeichnen und darlegen, weshalb diese Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig sowie von über den Einzelfall hinausgehender, allgemeiner Bedeutung ist. Diesen aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Begründungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 3. Mai 2006 nicht gerecht.

Der Kläger hat unter "III." der Beschwerdebegründung verschiedene Sachverhaltsgestaltungen angesprochen, in denen es aus seiner Sicht möglich und zulässig ist, dass der die Überweisung annehmende Arzt Leistungen erbringen und abrechnen darf, auch wenn ihm zum Zeitpunkt der Leistungserbringung eine schriftliche Überweisung noch nicht vorliegt. Welche konkrete Rechtsfrage in diesem Zusammenhang einer Entscheidung des Revisionsgerichts zugeführt werden soll, lässt die Beschwerdebegründung jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen.

Darüber hinaus legt der Kläger nicht dar, inwieweit im Zusammenhang mit Erbringung vertragsärztlicher Leistungen durch einen ermächtigten Arzt ohne Vorlage eines Überweisungsscheins ein Bedarf an höchstrichterlicher Klärung bestehen könnte. Unmittelbar aus den vom Berufungsgericht zutreffend herangezogenen bundesmantelvertraglichen Vorschriften (§ 24 Abs 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte [BMV-Ä], § 27 Abs 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen [EKV-Ä]) ergibt sich, dass grundsätzlich ein im Wege der Überweisung in Anspruch genommener Arzt Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erst erbringen darf, wenn ihm die Überweisung in schriftlicher Form vorliegt. Wenn nach § 24 Abs 2 Satz 3 BMV-Ä bzw § 27 Abs 2 Satz 3 EKV-Ä der die Überweisung ausführende Arzt an "den Überweisungsschein" gebunden ist, ist daraus zwingend zu schließen, dass ihm dieser Überweisungsschein vor Durchführung der Behandlung vorliegen muss. Dass wiederum setzt voraus, dass der Überweisungsschein zuvor vom behandelnden Vertragsarzt in schriftlicher Form ausgestellt ist.

Inwieweit Klärungsbedarf zu der Frage besteht, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise von der Vorlage eines schriftlichen Überweisungsscheines vor Beginn der Behandlung durch den die Überweisung ausführenden Arzt abgewichen werden kann bzw muss, macht die Beschwerdebegründung nicht deutlich. Der Senat hat sich in seinem vom Berufungsgericht zutreffend herangezogenen Urteil vom 22. Juni 2005 (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 19 RdNr 10) näher mit der Problematik befasst, dass ein Patient ohne Versichertenkarte seinen behandelnden Arzt aufsucht, diesem zusichert, die Versichertenkarte unverzüglich nachzureichen, und der behandelnde Arzt schon vor der Nachreichung der Versichertenkarte die Notwendigkeit der Überweisung an einen anderen Arzt (im damaligem Fall an einen Laborarzt) sieht. Derartige Fallkonstellationen haben hier nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 SGG ) nicht vorgelegen. Inwieweit über das erwähnte Senatsurteil vom 22. Juni 2005 hinaus Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Durchführung von Behandlungen durch Ärzte, die nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden dürfen, vor Vorlage eines schriftlichen Überweisungsscheins zu klären sind, trägt die Beschwerdebegründung nicht vor.

Im Übrigen hat der Kläger in der Beschwerdebegrünung nicht aufgezeigt, inwieweit in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren Rechtsfragen zu entscheiden sein könnten, die in ihrer Bedeutung über den einzelnen Fall des Klägers hinausweisen. Dieser ist durch zahlreiche Besonderheiten gekennzeichnet. Der Kläger ist nicht Vertragsarzt, sondern lediglich für bestimmte Leistungen ermächtigt. Er "praktiziert" in den gleichen Räumen des Krankenhauses wie seine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ehefrau, die ihm einen großen Anteil der Patienten zur Durchführung bestimmter schmerztherapeutischer Leistungen überweist. Die Nutzung derselben Praxisräume durch den überweisenden Vertragsarzt und den die Überweisung ausführenden ermächtigten Krankenhausarzt sowie die enge persönliche Beziehung zwischen beiden Ärzten lassen den hier zu beurteilenden Sachverhalt von vornherein als so untypisch erscheinen, dass es näherer Darlegungen bedurft hätte, inwieweit aus Anlass der Entscheidung dieses Falles Rechtsgrundsätze von allgemeiner Bedeutung durch das Revisionsgericht entwickelt werden könnten. Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hinweist, die betroffenen Patientinnen und Patienten seien "schon zu Behandlungsbeginn jeweils Gegenstand permanenter und intensiver Konsultationen gewesen, in denen festgelegt wurde, wer wie behandelt werden sollte", wird ausschließlich auf die besondere Situation abgestellt, dass zwei miteinander verheiratete Ärzte in dem Status einer Vertragsärztin und eines ermächtigten Krankenhausarztes bei der in denselben Räumen durchgeführten Schmerztherapie eng kooperieren. Dass auch in einem solchen Fall die Rechtsvorschriften für die vertragsärztliche Versorgung uneingeschränkt gelten, liegt auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Hand. Ob in einzelnen, ganz besonders gelagerten, etwa eilbedürftigen Behandlungsfällen im Hinblick auf das enge Vertrauensverhältnis der beteiligten Ärzte Ausnahmen von der Notwendigkeit der Vorlage des Überweisungsscheines vor Beginn der Behandlung durch den die Überweisung ausführenden Arzt anzuerkennen sein können, hat wiederum keine Bedeutung über den hier zu beurteilenden Fall hinaus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung .

Vorinstanz: LSG - L 5 KA 27/05 - 01.12.2005,
Vorinstanz: SG Mainz - S. 6 KA 699/03 - 16.02.2005,