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BSG - Entscheidung vom 06.04.2006

B 3 KR 47/05 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 § 160a Abs. 2 S. 3

BSG, Beschluß vom 06.04.2006 - Aktenzeichen B 3 KR 47/05 B

DRsp Nr. 2006/20409

Begründung einer Divergenz im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde

Zur Begründung einer Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ist darzulegen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt und angewendet hat, und das die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu muss der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Rechtssatz des LSG herausgearbeitet und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG bzw eines der anderen genannten Gerichte aufgezeigt werden. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 § 160a Abs. 2 S. 3 ;

Gründe:

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte H. J. (J.) wurde im Jahre 2002 wegen eines Plasmozytoms (multiples Knochenmark-Myelom) in einem Krankenhaus der Klägerin behandelt. Ausgehend von der Fallpauschale 11.03 stellte die Klägerin der Beklagten hierfür einen Betrag von 89.854,48 EUR in Rechnung, den diese zunächst auch bezahlte. Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Falle des Versicherten J. sei eine intensivierte Chemotherapie durchgeführt worden und keine Myeloablation (Zerstörung des Knochenmarks) mit anschließender autologer Stammzellentransplantation; Letzteres gehöre jedoch zwingend zur Definition der Fallpauschale 11.03, weshalb nur tagesgleiche Pflegesätze hätten abgerechnet werden dürfen. Insgesamt habe sie 86.136,58 EUR zu viel gezahlt. Diesen Betrag verrechnete die Beklagte mit anderen Forderungen der Klägerin. Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts [SG] vom 2. November 2004 und des Landessozialgerichts [LSG] vom 20. Oktober 2005). Beide Gerichte haben ausgeführt: Zu Recht habe die Beklagte die Aufrechnung mit einem Rückforderungsanspruch in geltend gemachter Höhe erklärt. Bei autologen Blutstammzell- und Knochenmarkstransplantationen werde zwischen einer myeloablativen Vorbehandlung und einer nicht-myeloablativen Hochdosistherapie unterschieden. Diese Differenzierung beruhe auf ökonomischen Erwägungen, da der Kostenaufwand der Kliniken in der Regel von der Anzahl schwerer Nebenwirkungen und diese wiederum von der Dosis der jeweiligen Vorbehandlung abhängig seien. Im Falle des Versicherten J. sei eine zu geringe Dosis des Chemotherapeutikums "Melphalan" verabreicht worden, sodass nicht von einer myeloablativen Therapie gesprochen werden könne. Der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es nicht bedurft.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der sie eine Abweichung des LSG von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - Divergenz - sowie das Vorliegen eines Verfahrensmangels rügt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 SGG ).

1. Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) ist nicht formgerecht dargelegt worden. Dazu hätte dargetan werden müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt und angewendet hat, und dass die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu wäre es notwendig gewesen, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG bzw eines der anderen genannten Gerichte aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die Klägerin führt zwar ein Urteil des BSG vom 13. Dezember 2001 - B 3 KR 1/01 R - (SozR 3-5565 § 14 Nr 2) an und arbeitet als tragenden Rechtssatz heraus, dass "eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck nur erfüllen kann, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt". Diesem Rechtssatz stellt sie jedoch keinen tragenden - abweichenden - Rechtssatz des LSG gegenüber. Sie trägt vielmehr vor, das LSG habe den vorgenannten Rechtssatz des BSG fehlerhaft angewandt, indem es unzulässigerweise von einem Grenzwert von 140 mg/qm Melphalan ausgegangen sei, sich auf Erkenntnisse einer britischen Arbeitsgruppe gestützt und sich vom Wortlaut der Fallpauschalendefinition gelöst habe. Damit wird jedoch keine zulässige Divergenzrüge erhoben, sondern nur eine Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG im vorliegenden Einzelfall behauptet. In der Urteilsbegründung hat das LSG entsprechend § 153 Abs 2 SGG ausdrücklich auf die Urteilsgründe des SG Bezug genommen, welches das oa BSG-Urteil zustimmend zum Ausgangspunkt seiner Entscheidungsfindung gemacht und die Bedeutung einer strengen Wortlautauslegung nochmals betont hatte ( SG -Urteil, Umdruck S 7 ff). Deshalb hätte in der Beschwerdebegründung besonderer Anlass bestanden zu verdeutlichen, aus welchen Umständen zu entnehmen sein soll, dass die Vorinstanzen nicht bloß eine Wortauslegung von "myeloablative Therapie" vorgenommen, sondern trotz gegenteiliger Verlautbarung einen diesem BSG-Urteil widersprechenden Rechtssatz aufgestellt haben.

2. Die Klägerin hat auch keinen Verfahrensmangel in zulässiger Weise gerügt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160 Abs 2 Nr 3 , 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Sie hat zwar dargelegt, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hilfsweise beantragt zu haben, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob eine myeloablative Therapie durchgeführt worden ist. Es fehlt jedoch an hinreichenden Ausführungen dazu, dass das LSG diesem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 und 49 und § 160a Nr 34). Dabei ist zunächst von der sachlich-rechtlichen Beurteilung des LSG auszugehen und diese zu Grunde zu legen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, IX. Kap RdNr 213 mwN). Das LSG ist im Anschluss an die Entscheidung des SG und den erstinstanzlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine myeloablative Therapie nach der Entstehungsgeschichte der Fallpauschale 11.03 nur dann vorliegt, wenn anschließend zwingend eine Stammzellentransplantation erforderlich ist. Das sei hier nicht der Fall gewesen, weil die Dosis verringert gewesen und die Stammzellentherapie nur vorsichtshalber durchgeführt worden sei. Ausgehend hiervon hätte es der Klägerin oblegen darzutun, dass auch unter Berücksichtigung dieses Rechtsstandpunkts eine weitere Sachverhaltsaufklärung im Sinne eines Sachverständigengutachtens geboten gewesen wäre. Dies ist nicht geschehen. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe sich nicht dem Gutachter Dr. H. anschließen dürfen, weil dieser das Gutachten nur gegenüber der Beklagten abgegeben habe und als Kritiker der Hochdosistherapie und der Stammzellentransplantation bekannt sei, und hätte deshalb ein gerichtliches Gutachten einholen müssen, fehlen substantiierte Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit der beantragten Beweiserhebung. Die Beschwerde hätte darlegen müssen, inwiefern ein Sachverständigengutachten die auf die Entstehungsgeschichte gestützte Auslegung der Fallpauschale 11.03 durch die Vorinstanzen hätte erschüttern können und auf Grund welcher Umstände der Sachverständige in der Lage gewesen wäre, die auf die Dosierungshinweise des Arzneimittelherstellers gestützte Überzeugung, die verabreichte Dosis habe zur sicheren myeloablativen Wirkung nicht ausgereicht, zu widerlegen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm §§ 161 Abs 1 , 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung . Die Entscheidung zur Festsetzung des Streitwerts und seiner Höhe beruht auf §§ 63 Abs 2 , 47 , 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 20.10.2005 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 197/04
Vorinstanz: SG Speyer, vom 02.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 KR 34/03