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BFH - Entscheidung vom 19.10.2006

III R 10/05

Normen:
EStG § 33 Abs. 2

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 662

BFH, Urteil vom 19.10.2006 - Aktenzeichen III R 10/05

DRsp Nr. 2007/4872

Kinderbetreuungskosten; unverheiratete Eltern

§ 33c EStG 2002 benachteiligte zusammenlebende unverheiratete Eltern nicht in verfassungswidriger Weise. 2002 konnten daher zusammenlebende unverheiratete Eltern Betreuungskosten für ein zum Haushalt gehören das Kind bis zu 750 EUR abziehen.

Normenkette:

EStG § 33 Abs. 2 ;

Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebte im Streitjahr 2002 mit seinem im Juli 1999 geborenen Sohn T, dem im Juli 2002 geborenen Sohn N sowie der mit ihm nicht verheirateten Mutter beider Kinder in einem gemeinsamen Haushalt. Er war ganzjährig selbständig und zeitweise zusätzlich auch nichtselbständig berufstätig, daneben erzielte er positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Kindesmutter studierte ganzjährig an einer Hochschule.

Im Streitjahr wurde T sieben Monate --vom 1. Januar bis 31. Juli 2002-- und N fünf Monate --vom 1. August 2002 bis Jahresende-- von einer Tagesmutter betreut. Die Kosten von 2 730 EUR für T und 1 746 EUR für N trug allein der Kläger.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte neben dem Hauhaltsfreibetrag von 2 340 EUR Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung zunächst in Höhe von 591 EUR. Nach zweimaligen Änderungen während des Einspruchsverfahrens wurden Kinderbetreuungskosten in Höhe von insgesamt 1 063 EUR anerkannt. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten auf insgesamt 751 EUR herab. Für jedes Kind könnten nur 750 EUR berücksichtigt werden. Da beide Kinder nur jeweils 7 bzw. 5 Monate betreut worden seien, seien die Jahresbeträge entsprechend zu kürzen.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 708 abgedruckt.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zusammenlebende unverheiratete Eltern würden in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise gegenüber verheirateten Eltern diskriminiert, da sie Betreuungskosten von höchstens 750 EUR je Kind, verheiratete Eltern aber bis zu 1 500 EUR abziehen könnten. Demgegenüber betrage der steuerlich nicht berücksichtigungsfähige Eigenanteil sowohl bei zusammenlebenden verheirateten als auch bei nicht verheirateten Eltern 1 548 EUR. Hinsichtlich des steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Mindestbetrags würden nicht verheiratete Eltern somit wie verheiratete Eltern behandelt, hinsichtlich des Höchstbetrags der Förderung aber gegenüber verheirateten Eltern benachteiligt. Dies widerspreche Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes ( GG ), der auch mit ihren Kindern zusammenlebende nicht verheiratete Eltern als Familie besonders schütze.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 2002 unter Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten von 1 500 EUR festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass Aufwendungen für die Kinderbetreuung nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können und der Abzug als außergewöhnliche Belastung nur in Höhe von 751 EUR zu gewähren war.

Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass das FA § 33c des Einkommensteuergesetzes ( EStG ) richtig angewandt hat. Der durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) wieder aufgehobene § 33c EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074) benachteiligte zusammenlebende unverheiratete Eltern im Streitjahr 2002 auch nicht in verfassungswidriger Weise. Eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ( BVerfGG ) kommt deshalb nicht in Betracht.

1. Neben dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nach § 32 Abs. 6 EStG von 1 080 EUR konnten im Streitjahr 2002 Betreuungskosten für ein zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörendes Kind gemäß § 33c Abs. 2 EStG bis zu einer Höhe von 750 EUR als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. In den Fällen des § 32 Abs. 6 Satz 2, 3 und 6 zweiter Halbsatz EStG , d.h. wenn die Eltern als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, ein Kindschaftsverhältnis nur zu einem Elternteil besteht oder der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag übertragen wurde, verdoppelte sich dieser Betrag auf 1 500 EUR. Abzugsfähig waren die Kinderbetreuungskosten nach § 33c EStG dabei nur insoweit, als sie bei zusammenlebenden --verheirateten oder unverheirateten Eltern-- 1 548 EUR überstiegen; wenn die Eltern nicht zusammenlebten, beschränkte sich die zumutbare Eigenbelastung auf 774 EUR.

Ob --wie der Kläger meint-- zusammenlebenden, unverheirateten Eltern wie zusammenlebenden verheirateten Eltern aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Höchstbetrag von 1 500 EUR je Kind zusteht, der nach dem Verhältnis ihrer Aufwendungen aufzuteilen ist (so Schmidt/Glanegger, EStG , 25. Aufl., § 33c Rz 24), ob jeder von ihnen bis zu 750 EUR abziehen kann, so dass sich zwei Höchstbeträge von insgesamt 1 500 EUR je Kind ergeben oder die Betreuungskosten beider Elternteile für jedes Kind nur bis zu insgesamt 750 EUR berücksichtigt werden können, ist nach dem Gesetzeswortlaut zweifelhaft. Die Verwaltung gewährt jedem Elternteil, der Betreuungsaufwendungen getragen hat, einen Abzugsbetrag von bis zu 750 EUR je Kind (R 195 Abs. 4 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR -- 2003 und R 33c Abs. 4 Satz 4 EStR 2005; für einen Höchstbetrag von 750 EUR je Kind und Elternteil auch Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 33c EStG Rz 24). Pust (in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33c Rz 85) hält diese Auslegung des § 33c Abs. 2 EStG für verfassungsrechtlich geboten. Oepen (in Blümich, § 33c EStG Rz 72) meint dagegen, für Kinder, die zum Haushalt beider unverheirateter Eltern gehörten, gelte ein Höchstbetrag von 750 EUR je Kind; diese Schlechterstellung sei aber nicht gerechtfertigt.

2. Der Senat legt § 33c Abs. 2 EStG dahin aus, dass zusammenlebende unverheiratete Eltern jeweils Betreuungskosten bis zu 750 EUR für jedes Kind abziehen können. Der berücksichtigungsfähige Aufwand beträgt somit für jedes Kind bis zu 1 500 EUR; wie die zumutbare Eigenbelastung in Höhe von 1 548 EUR gemäß § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG in diesen Fällen aufzuteilen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Mit diesem Inhalt ist die Regelung in § 33c Abs. 2 EStG verfassungsgemäß; sie stellt sich als Konsequenz der --verfassungsrechtlich unbedenklichen-- Einzelveranlagung der unverheirateten Eltern und der --ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklichen-- hälftigen Zuweisung kindbedingter Steuererleichterungen an beide Elternteile dar.

Eine grundgesetzwidrige Benachteiligung zusammenlebender unverheirateter Eltern kann auch nicht darin gesehen werden, dass bei getrennt lebenden Eltern der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gemäß § 32 Abs. 6 Satz 6 zweiter Halbsatz EStG auf Antrag übertragen werden kann und dies gemäß § 33c Abs. 2 EStG die Verdoppelung des Höchstbetrags auf 1 500 EUR nach sich zieht. Denn zusammenlebende Eltern tragen typischerweise beide zur Betreuung ihrer Kinder bei. Der Gesetzgeber war auch nicht von Verfassungs wegen gehalten, zusammenlebenden unverheirateten Eltern die antragsgebundene Übertragung des einem Elternteil zustehenden Abzugsbetrags auf den anderen zu ermöglichen (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG in der bis Veranlagungszeitraum 1995 geltenden Fassung).

Vorinstanz: FG Berlin, vom 21.01.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 9 K 9238/04
Fundstellen
BFH/NV 2007, 662