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BVerwG - Entscheidung vom 02.06.2005

4 BN 19.05

Normen:
BauGB § 214
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
BRS 69 Nr. 61

BVerwG, Beschluss vom 02.06.2005 - Aktenzeichen 4 BN 19.05

DRsp Nr. 2005/9676

Neuerlicher Antrag auf Normenkontrolle nach Behebung des zunächst festgestellten Planmangels

§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hindert einen Antragsteller nicht, nach der Behebung des im Normenkontrollverfahren festgestellten Mangels in einem ergänzenden Verfahren erneut Normenkontrollklage zu erheben.

Normenkette:

BauGB § 214 ; VwGO § 47 Abs. 2 S. 1;

Gründe:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde macht als Verfahrensfehler geltend, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt. Diese Verfahrensrüge bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt bestehe ein Widerspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es keiner weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts bedarf; der Widerspruch muss also "zweifelsfrei" sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1; Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 >340<). Die Verfahrensrüge der "Aktenwidrigkeit" verlangt eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226 und vom 4. Juli 2001 - BVerwG 4 B 51.01 -). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

1.1 Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, es gebe keinen Anhaltspunkt, für den Gemeinderat habe der Umstand, dass auf dem Grundstück _ eine genehmigte landwirtschaftliche Tierhaltung stattfindet, in der Abwägung eine Rolle gespielt (Urteilsabdruck S. 13). Die Beschwerde kritisiert dies und verweist demgegenüber auf ein Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 21. Januar 2003. Diesem lässt sich jedoch schon dem Wortlaut nach nicht entnehmen, dass der Gemeinderat davon ausgegangen ist, eine landwirtschaftliche Tierhaltung sei genehmigt worden. Die Verwendung der Worte "genehmigte Maschinenhalle" belegt dies nicht. Außerdem spielte im Normenkontrollverfahren die Unterscheidung zwischen landwirtschaftlicher und sonstiger - also nicht im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs stattfindender - Tierhaltung eine besondere Rolle. Davon abgesehen ist im Protokoll nur die Rede davon, dass in der Maschinenhalle Ferkel gehalten werden, während die vom Verwaltungsgerichtshof angesprochene Tierhaltung, die in der Abwägung übersehen worden ist, die Hühnerhaltung der Antragsteller betrifft. Der Hinweis auf die Niederschrift der Gemeinderatssitzung vermag somit einen zweifelsfreien Widerspruch nicht zu begründen.

Ergänzend ist anzumerken, dass entgegen einer Formulierung auf Seite 4 der Beschwerde das Erweiterungsinteresse der Antragsteller vom Verwaltungsgerichtshof auf Seite 14 seines Urteils (und nicht auf den Seiten 12 und 13, aus denen die Beschwerde zitiert) behandelt wird und das Gericht ausdrücklich bejaht, dass die Antragsgegnerin auf das Interesse der Antragsteller an einer Erweiterung eingegangen sei.

Auch die in diesem Zusammenhang erhobene Gehörsrüge bleibt ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof stützt seine Entscheidung im genannten Kontext darauf, dass auf dem betreffenden Grundstück eine genehmigte landwirtschaftliche Tierhaltung stattfand. Hierzu legt er dar, dass es sich um eine über den Eigenbedarf hinausgehende und damit landwirtschaftliche Hühnerhaltung gehandelt habe und dass diese von einer vorhandenen Baugenehmigung abgedeckt sei. Damit geht der Verwaltungsgerichtshof von einer rechtlichen Würdigung aus, die über den Sachvortrag der Antragsgegnerin hinaus weitere Schlussfolgerungen zieht. Hinsichtlich dieser Rechtsausführungen legt die Beschwerde nicht dar, was sie vorgetragen hätte, wenn sie bereits in der mündlichen Verhandlung auf die Würdigung durch das Normenkontrollgericht hingewiesen worden wäre und aus welchen Gründen das Urteil im Hinblick auf einen derartigen Vortrag zu Gunsten der Antragsgegnerin ausgefallen wäre. Im Übrigen hatte der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Ansicht der Beschwerde keinen Anlass, in der mündlichen Verhandlung die bestehende Tierhaltung (= Ferkelhaltung) zur Sprache zu bringen; denn er hat der Antragsgegnerin gar nicht vorgehalten, diese Tierhaltung in der Abwägung missachtet zu haben.

Davon abgesehen tragen die Antragsteller in ihrer Beschwerdeerwiderung vor, dass sowohl die vorhandene als auch die genehmigte Nutzung auf dem genannten Grundstück Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gewesen sei. Dem braucht indes nicht weiter nachgegangen zu werden, da die Rüge ohnehin ohne Erfolg bleibt.

1.2 Die Beschwerde sieht eine weitere Aktenwidrigkeit in der Darstellung des Gerichts über die Planungskonzeption der Antragsgegnerin. Mit diesem Begriff meint die Vorinstanz ersichtlich die Konzeption für das gesamte Planungsgebiet. Mit Hinweisen auf eine Konzeption für das Grundstück der Antragsteller kann eine Aktenwidrigkeit daher nicht begründet werden. Dem Normenkontrollgericht ging es gerade darum, einen Fehler im Abwägungsergebnis zu begründen, der auf einer mangelnden Übertragung der für das gesamte Plangebiet und insbesondere für andere Grundstücke maßgeblichen Konzeption auf das Grundstück der Antragsteller beruht. Daher bezeichnet das Gericht die Behandlung des Anliegens der Antragsteller durch den Gemeinderat als "nicht sachgerecht".

2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.

Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob ein Normenkontrollgericht nach einer erneuten Überprüfung eines Bebauungsplans, der in einem ergänzenden Verfahren geheilt wird, an jene Wertungen gebunden ist, die es im ersten Normenkontrollverfahren ausgesprochen hat. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt. Sie bezieht sich auf Urteile, durch die ein Bebauungsplan für unwirksam erklärt worden ist. Darin enthaltene Ausführungen, wonach der Bebauungsplan an keinen weiteren Mängeln leidet, die für seine Wirksamkeit beachtlich sind, tragen den Entscheidungsausspruch des Normenkontrollgerichts nicht und nehmen deshalb an seiner Rechtskraft nicht teil. Nach einer Behebung des im Normenkontrollverfahren festgestellten Mangels in einem ergänzenden Verfahren ist ein Antragsteller nicht gehindert, in einem zweiten Normenkontrollverfahren die für nicht durchgreifend angesehenen Rügen erneut zu erheben (BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2002 - BVerwG 4 BN 16.02 - BRS 65 Nr. 49; vgl. Beschluss vom 20. Juni 2001 - BVerwG 4 BN 21.01 - BRS 64 Nr. 58). Folgerichtig ist das Normenkontrollgericht auch nicht gehindert, einen Bebauungsplan im Hinblick auf die angesprochenen Mängel erneut zu überprüfen. Vorliegend kommt - wie in der Beschwerdeerwiderung zu Recht hervorgehoben wird - noch hinzu, dass der Inhalt der von den Antragstellern angegriffenen Festsetzungen im Rahmen des ergänzenden Verfahrens verändert worden ist. Außerdem ist der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Darstellung in der Beschwerde in seinem (ersten) Normenkontrollurteil vom 14. September 2000 - 3 S 2486/99 - nicht uneingeschränkt zu dem Ergebnis gelangt, das Erweiterungsinteresse der Antragsteller sei richtig abgewogen worden. Vielmehr hat er einen Mangel im Abwägungsvorgang als möglich angesehen, diesen jedoch als unbeachtlich behandelt (Urteilsabdruck S. 13).

3. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Abgrenzung von Baugebieten (MD 1 und MD 2) ohne die hierzu dienende "Knödellinie" sind nach seiner eigenen Aussage nicht entscheidungserheblich. Gründe für die Zulassung der Revision können sich daraus somit nicht ergeben. Im Übrigen fehlt es an der grundsätzlichen Bedeutung.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG n.F.

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 19.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 2456/03
Fundstellen
BRS 69 Nr. 61