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BVerfG - Entscheidung vom 17.01.2005

1 BvR 2812/04

Normen:
ARD-Staatsvertrag § 8 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4

Fundstellen:
NJW 2005, 1343
NVwZ 2006, 82
ZUM 2005, 473

BVerfG, Beschluß vom 17.01.2005 - Aktenzeichen 1 BvR 2812/04

DRsp Nr. 2005/2647

Wirksamkeit der Vorschriften des ARD-Staatsvertrages über die Gegenvorstellung

Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass gem. § 8 Abs. 1 ARD-Staatsvertrag ein Gegendarstellungsanspruch nur gegen die Landesrundfunkanstalt gerichtet werden kann, die eine Sendung zu verantworten hat. Dass diese Vorschrift auch (mittelbar) Auswirkungen auf den zivilprozessualen Gerichtsstand hat, berührt die Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht.

Normenkette:

ARD-Staatsvertrag § 8 Abs. 1 ; GG Art. 19 Abs. 4 ;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richten sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, die Ansprüche auf Gegendarstellung zurückgewiesen haben.

I. Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH & Co. KG, die eine Fluglinie betreibt. In der Sendung "Monitor" vom 30. September 2004, die der Westdeutsche Rundfunk (WDR) produziert und über das ARD-Gemeinschaftsprogramm ausgestrahlt hat, wurde die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit Billigfluglinien erwähnt. Hiergegen gerichtete Gegendarstellungen haben der WDR und das hiernach angerufene Landgericht und Oberlandesgericht Köln zurückwiesen.

Die Beschwerdeführerin hat ebenfalls gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) als Mitveranstalter des Gemeinschaftsprogramms erfolglos Ansprüche auf Gegendarstellung geltend gemacht. Mit den angegriffenen Entscheidungen haben das Landgericht und das Oberlandesgericht Hamburg Gegendarstellungsansprüche der Beschwerdeführerin zurückgewiesen und dies darauf gestützt, dass gemäß § 8 Abs. 1 ARD-Staatsvertrag der NDR als Mitveranstalter nicht gesondert auf Gegendarstellung in Anspruch genommen werden könne. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei diese Vorschrift auch nicht verfassungswidrig.

§ 8 des ARD-Staatsvertrags lautet in der am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung des Fünften Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (5. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in seinem Absatz 1 wie folgt:

§ 8 Gegendarstellung

(1) Soweit Gegendarstellungsansprüche zu Sendungen in Fernseh-Gemeinschaftsprogrammen, die allein von den in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten gestaltet werden, geltend gemacht werden, ist die Sendung ausschließlich von derjenigen Landesrundfunkanstalt zu verantworten, die die Sendung in das Gemeinschaftsprogramm eingebracht hat. Maßgeblich ist das für diese Landesrundfunkanstalt geltende Gegendarstellungsrecht.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass durch die Regelung des Art. 8 Abs. 1 ARD-Staatsvertrag und ihre Anwendung durch die Gerichte ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ) sowie das Recht des Schutzes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt werde. Die Regelung des § 8 ARD-Staatsvertrags sei als landesrechtliche Regelung mit Art. 72 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unvereinbar, da der Bund von seinem Recht auf konkurrierende Gesetzgebung Gebrauch gemacht habe. Auch inhaltlich sei sie nicht gerechtfertigt. Entgegen der früheren Rechtslage könne die Beschwerdeführerin nunmehr nicht mehr jede den Beitrag ausstrahlende Landesrundfunkanstalt, sondern allein diejenige in Anspruch nehmen, die den Beitrag in das Gemeinschaftsprogramm der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) eingebracht habe. Diese Beschränkung erschwere die effektive Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs und nehme den Betroffenen die Wahlfreiheit hinsichtlich des Antragsgegners und des Gerichtsstandes.

Die angegriffenen Beschlüsse seien aufzuheben und der Vollzug der den ARD-Staatsvertrag umsetzenden Norm, nämlich des Hamburgischen Gesetzes zum 5. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften vom 19. Dezember 2000, sei auszusetzen.

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a und b BVerfGG ). Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den an sie zu stellenden Begründungsanforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ).

Die Beschwerdeführerin wendet sich in erster Linie mittelbar gegen die den Entscheidungen der Gerichte zu Grunde liegende Norm des § 8 Abs. 1 ARD-Staatsvertrag, für die den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehle. Vorliegend haben die Gerichte diese Norm dahingehend ausgelegt, dass sie keine Gerichtsstandsregelung enthalte, sondern materiellrechtlich die Passivlegitimation beim Gegendarstellungsanspruch regele. Dass von einer solchen Norm mittelbar Folgen für die Bestimmung des Gerichtsstands ausgingen, sei keine Besonderheit. Die Auslegung des einfachen Rechts ist allein Sache der dafür sachlich zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl. BVerfGE 18, 85 [92]; stRspr). Die Beschwerdeführerin hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass die Zuordnung des § 8 Abs. 1 ARD-Staatsvertrag zum Rundfunkrecht verfassungsrechtlichen Maßstäben widerspricht.

Auch im Übrigen hat die Beschwerdeführerin einen Verfassungsverstoß nicht hinreichend dargelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso es eine Grundrechtsbeeinträchtigung derstellt, wenn bei einer Gegendarstellung nicht mehrere Gerichtsstände zur Auswahl stehen und der Betroffene sich nicht das Gericht aussuchen kann, bei dem er sich die größten Erfolgschancen verspricht. Auch wird nicht erkennbar, aus welchem Grundrecht folgen soll, dass es bei einer durch mehrere Rundfunkanstalten gemeinschaftlich erbrachten Rundfunksendung verfassungsrechtlich geboten ist, jede einzelne Anstalt als passivlegitimiert zu behandeln, und warum es den Ländern verwehrt sein soll, durch Regelung einer einheitlichen Passivlegitimation zugleich zu sichern, dass der Gegendarstellungsanspruch - anders als bei der früheren Rechtslage - in den Sendegebieten aller betroffenen Rundfunkanstalten einheitlich durchgesetzt werden kann.

Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Von einer weiter gehenden Begründung wird abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 29.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 7 W 86/04
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 08.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 324 O 681/04
Fundstellen
NJW 2005, 1343
NVwZ 2006, 82
ZUM 2005, 473