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BVerfG - Entscheidung vom 31.08.2005

1 BvR 912/04

Fundstellen:
NJW 2005, 3057

BVerfG, Beschluss vom 31.08.2005 - Aktenzeichen 1 BvR 912/04

DRsp Nr. 2006/7505

Gründe:

A. Der Beschwerdeführer ist Notar und wendet sich gegen seine Amtsenthebung.

I. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 der Bundesnotarordnung ( BNotO ) ist der Notar seines Amtes zu entheben, wenn er in Vermögensverfall geraten ist. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Notars eröffnet ist. § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO regelt das so genannte Vorschaltverfahren. Hiernach ist in den Fällen des § 50 Abs. 1 Nr. 5 bis 9 BNotO die Feststellung, ob die Voraussetzungen für die Amtsenthebung vorliegen, auf Antrag des Notars durch Entscheidung des Disziplinargerichts zu treffen; der Antrag ist nur innerhalb eines Monats zulässig, nachdem dem Notar eröffnet ist, dass und aus welchem Grunde seine Amtsenthebung in Aussicht genommen ist.

II. 1. Im November 2002 wurde über das Vermögen des Beschwerdeführers, der seit 1991 zum Notar in Sachsen bestellt ist und sein Amt unbeanstandet führt, wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 20. Februar 2003 fand eine Gläubigerversammlung statt, auf der die vorläufige Fortführung des Notariats durch den Beschwerdeführer beschlossen und der Insolvenzverwalter beauftragt wurde, einen Insolvenzplan zu erstellen. Nach Anhörung des Beschwerdeführers enthob das Sächsische Staatsministerium der Justiz diesen mit dem angegriffenen Bescheid vom 20. März 2003 seines Amtes.

2. Nachdem der mittlerweile aufgestellte Insolvenzplan im Juli 2003 durch Beschluss des Insolvenzgerichts bestätigt worden war, hob das Oberlandesgericht den angegriffenen Bescheid im August 2003 auf und setzte die Vollziehung der Amtsenthebung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aus. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeleitete Vermutung des Vermögensverfalls sei bereits bei Erlass der angefochtenen Entscheidung widerlegt gewesen, weil mit dem Ergebnis der Gläubigerversammlung die berechtigte Erwartung einer Sanierung des Notarvermögens begründet gewesen sei.

3. Der sofortigen Beschwerde des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz gab der Bundesgerichtshof mit dem angegriffenen Beschluss vom 22. März 2004 statt. Die Amtsenthebung des Beschwerdeführers sei gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO zu Recht erfolgt. Durch das Unterlassen einer Antragstellung im Vorschaltverfahren nach § 50 Abs. 3 BNotO sei der vom Justizministerium angegebene Amtsenthebungsgrund grundsätzlich bindend festgestellt; es seien aber Umstände, die seit Abschluss des Feststellungsverfahrens bis zum Ausspruch der Amtsenthebung einträten, mit einzubeziehen, mithin auch die Ergebnisse der Gläubigerversammlung am 20. Februar 2003. Diese hätten indessen die Vermutung des Vermögensverfalls durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entkräftet. Zwar spreche nach Erstellung des Insolvenzplans vieles dafür, dass der Beschwerdeführer die gegen ihn gerichteten Forderungen in einer Weise erfüllen könne, die seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse wieder als geordnet erscheinen ließen, doch könne dies wegen der statusverändernden Wirkung der Amtsenthebung nicht berücksichtigt werden. Der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen Stellung des Notars werde durch eine streng rechtsstaatliche Ausgestaltung des Amtsenthebungsverfahrens und insbesondere durch das Vorschaltverfahren des § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO Rechnung getragen.

4. a) Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG . Er beruft sich darauf, dass die Amtsenthebung letztendlich ein lebenslanges Berufsverbot zur Folge habe. Eine Verweisung auf eine erneute Antragstellung scheide bei Notaren aus, weil sie als Bewerber um das Amt des Notars keinen Zulassungsanspruch hätten. Der Eingriff in die Berufswahlfreiheit sei unverhältnismäßig und zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter nicht erforderlich. Gründe der Rechtssicherheit könnten den schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit nicht rechtfertigen. Die Amtsenthebung finde ihre Rechtfertigung allein in der Befürchtung, der Notar werde sein Amt in der Zukunft nicht ordnungsgemäß ausüben; davon könne beim Beschwerdeführer keine Rede sein, weil die Vermutung des Vermögensverfalls widerlegt sei.

b) Dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die 2. Kammer des Ersten Senats mit Beschluss vom 28. April 2004 stattgegeben und die Vollziehung der Amtsenthebung vorläufig ausgesetzt. Im Mai 2004 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers nach Bestätigung des Insolvenzplanes aufgehoben worden.

5. Zu der Verfassungsbeschwerde haben Stellung genommen das Sächsische Staatsministerium der Justiz, der Präsident des Bundesgerichtshofs, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, die Notarkammer Sachsen, der dbb - beamtenbund und tarifunion, die Wirtschaftprüferkammer, die Bundesnotarkammer, der Deutsche Notarverein, die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein. Soweit sie über eine Darlegung von Rechtslage und Rechtsprechung hinausgehen, halten sie die der Amtsenthebung zu Grunde liegenden Vorschriften für verfassungsgemäß. Sie gehen aber überwiegend davon aus, dass der Amtsenthebung nachfolgende Umstände im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen sind, wenn der Wegfall des Amtsenthebungsgrundes zweifelsfrei feststeht.

B. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG .

I. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ), weil das Bundesverfassungsgericht die für die Beurteilung des Falles maßgeblichen Fragen zur Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf den "staatlich gebundenen" Beruf des Notars (vgl. BVerfGE 110, 304 [321] m.w.N.) und zur verfassungsrechtlich zulässigen Reichweite von Eingriffen in die Berufswahlfreiheit (vgl. z.B. BVerfGE 102, 197 [213] m.w.N.) schon entschieden hat.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet im Sinne des § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG .

1. a) Grundlage der angegriffenen Entscheidungen ist § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO . Die Norm selbst hält einer Prüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG stand. Sie schützt wichtige Gemeinwohlbelange. Der Vermögensverfall eines Notars ist geeignet, das besondere Vertrauen, das in seine Person gesetzt wird, zu erschüttern (vgl. BTDrucks 12/3803, S. 66). Außerdem dient die Vorschrift dem Schutz der Rechtsuchenden vor Gefahren, die in der wirtschaftlichen Lage eines Notars begründet sind (vgl. Eylmann/Vaasen, BNotO , 2. Aufl. [2004], § 50 , Rn. 33). Sie ist, weil sie in Fällen nur vorübergehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht eingreift, auch verhältnismäßig.

b) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist des Weiteren auch die Vorverlagerung der Feststellung des Vorliegens des Amtsenthebungsgrundes in ein gerichtliches Vorschaltverfahren nach § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO . Da die Sachverhalte meist schwierig zu beurteilen sind, soll die Prüfung und abschließende Entscheidung zum Schutz des Notars, aber auch im Interesse einer geordneten Rechtspflege in einem gerichtlichen Feststellungsverfahren erfolgen, das der angekündigten Amtsenthebung vorausgeht. Übereilte Entscheidungen über die Amtsenthebung und die mit einem verfrühten Vollzug verbundenen Misshelligkeiten sollen vermieden werden (vgl. BGHZ 78, 229; vgl. auch BTDrucks 13/4184, S. 30).

2. Auslegung und Anwendung der vorgenannten Vorschriften in den angegriffenen Entscheidungen verstoßen aber gegen Art. 12 Abs. 1 GG .

a) Ob der Bundesgerichtshof der Berufswahlfreiheit des Beschwerdeführers bei Anwendung der Vorschriften über das Vorschaltverfahren in der angegriffenen Entscheidung im gebotenen Umfang Rechnung trägt, erscheint zweifelhaft. Der Bundesgerichtshof bleibt nicht dabei stehen, die Feststellung des Vermögensverfalls als Grund für eine Amtsenthebung in ein eigenes gerichtliches Verfahren vorzuverlagern. Er geht vielmehr davon aus, dass bei Verstreichen der Antragsfrist für das Vorschaltverfahren der Amtsenthebungsgrund - wie bei einem rechtskräftig abgeschlossenen Vorschaltverfahren - bindend festgestellt ist. Schon in einer früheren Entscheidung (vgl. BGHZ 78, 232) hat der Bundesgerichtshof hierzu ausgeführt, dass allein die Gleichstellung von Unterlassen eines rechtzeitigen Antrags und rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung dem Zweck des Vorschaltverfahrens entspreche.

Diese Gleichstellung eines versäumten mit einem erfolglos durchgeführten Vorschaltverfahren nimmt dem Notar allerdings nicht nur den vom Gesetzgeber erstrebten besonderen Schutz der Berufswahlfreiheit. Die Einrichtung des Vorschaltverfahrens bewirkt vielmehr das Gegenteil und belastet den Notar, weil der Amtsenthebungsgrund schon im Vorfeld der eigentlichen Amtsenthebungsentscheidung ohne gerichtliches Verfahren - und ohne dass sich diese Rechtsfolge dem Wortlaut des § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO entnehmen lässt - als bindend festgestellt gilt. Aus der vornehmlichen Schutzvorschrift zu Gunsten des Notars wird in dieser Auslegung eine Norm, die allenfalls noch das öffentliche Interesse an einer raschen Klärung der Rechtlage fördert. Ob dies im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen der Amtsenthebung verfassungsrechtlich hinnehmbar ist, erscheint zweifelhaft.

b) Die angegriffenen Entscheidungen sind jedoch auch ungeachtet dessen mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar.

aa) Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass Umstände, die seit Abschluss des Vorschaltverfahrens bis zum Ausspruch der Amtsenthebung eintreten, in die Prüfung, ob ein Amtsenthebungsgrund vorliegt, mit einzubeziehen sind. Er stellt damit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Amtsenthebungsverfahren ab und lässt spätere Veränderungen unberücksichtigt. Dies könnte im Hinblick auf die Berufswahlfreiheit des Notars, der nur die Möglichkeit hat, bei Vorliegen eines Bedürfnisses (§ 4 BNotO ), nach Ausschreibung der Notarstelle (§ 6 b BNotO ) und bei Bestehen der Konkurrenz mit anderen Bewerbern (§ 6 BNotO ) erneut bestellt zu werden, verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen.

Parallelen zum Beamtenrecht lassen sich insoweit nur bedingt ziehen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht als maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Zurruhesetzung eines Beamten den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung angesehen (vgl. BVerwGE 105, 267 ). Zur Rechtfertigung des maßgeblichen Entscheidungszeitpunktes hat es aber ausdrücklich auch auf die Option einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis bei später wiedererlangter Dienstfähigkeit verwiesen (vgl. § 45 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes).

Ebenso wenig kann die Rechtsprechung des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs herangezogen werden, die für den Widerruf der Anwaltszulassung grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung abstellt (vgl. BGHZ 75, 356). Obwohl die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, vergleichsweise gering sind gegenüber denjenigen, die ein Notar durch den Verweis auf ein neues Bestellungsverfahren hat, berücksichtigt der Anwaltssenat aus Zweckmäßigkeitsgründen bei der Entscheidung über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch einen zweifelsfreien nachträglichen Wegfall des Widerrufsgrundes.

bb) Es bedarf jedoch keiner Entscheidung über einen etwa verfassungsrechtlich gebotenen Entscheidungszeitpunkt, weil selbst auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG vorliegend der Annahme eines Vermögensverfalls entgegensteht.

(1) Für die Amtsenthebung von Notaren hat der Notarsenat des Bundesgerichtshofs die Begriffsbestimmung des Anwaltssenats zur Parallelvorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung übernommen, wonach Vermögensverfall vorliegt, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, gerät und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 13. März 2000, NJW-RR 2000, S. 1228). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

(2) Angesichts der bereits geschilderten schweren Folgen, zu denen die bei Vermögensverfall ohne Ermessensspielraum auszusprechende Amtsenthebung führt, gebietet die Berufswahlfreiheit des Notars aus Art. 12 Abs. 1 GG eine sorgfältige Prüfung, ob auf Grund der Umstände des Einzelfalls die Vermutung des Vermögensverfalls als widerlegt angesehen werden kann. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Amtsenthebung, die auf Grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen wird, einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung entgegensteht. In der Regel wird nur bei Fortführung der Praxis und auf Grund der dort erwirtschafteten Einnahmen ein Insolvenzplan erstellt und durchgeführt werden können; letztlich dient dies auch den finanziellen Interessen der Rechtsuchenden (zur unzureichenden Abstimmung berufsregelnder Gesetze mit der InsO vgl. Jaeger/Henckel, InsO , 2004, § 35 Rn. 17).

(3) Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.

Der Bundesgerichtshof geht wie das Sächsische Staatsministerium der Justiz und entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts davon aus, dass die Ergebnisse der Gläubigerversammlung vom 20. Februar 2003 die Vermutung des Vermögensverfalls nicht entkräftet haben. Eine grundrechtsgeleitete Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Berufsrechts, welche die Folgen des Eingriffs in die Berufswahlfreiheit nicht aus dem Blick verliert, lässt diese Schlussfolgerung jedoch nicht zu.

Die stattgebende Entscheidung des Oberlandesgerichts wurde hingegen erkennbar von grundrechtlichen Erwägungen beeinflusst. Das Oberlandesgericht hat die tatsächlichen Änderungen in der Zeit zwischen der Bestandskraft des Vorbescheids und dem Ausspruch der Amtsenthebung ausführlich erörtert und ist nach Maßgabe des Sachstandes am letztgenannten Termin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Amtsenthebung rechtswidrig gewesen ist. Die Annahme des Vermögensverfalls sei nur begründet, wenn der Notar in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse gerate, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne; hier aber sei zu erwarten gewesen, dass der Notar in absehbarer Zeit schuldenfrei sein würde. Entscheidend sei insofern, dass die Gläubigerversammlung einen Monat zuvor den Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Insolvenzplanes beauftragt und zugleich beschlossen habe, dass der Antragsteller das Notariat fortführe. Damit sei vorgezeichnet gewesen, dass das Insolvenzverfahren nach § 258 Abs. 1 der Insolvenzordnung aufgehoben würde, sich die Vermutung des Vermögensverfalls also als grundlos erweise. Grundlage des Ergebnisses der Gläubigerversammlung sei gewesen, dass der Insolvenzverwalter die Schuldenbereinigung durch ein "Planverfahren" für möglich gehalten habe und die Gläubiger diese Sichtweise geteilt hätten. Für die berechtigte Erwartung einer Vermögenssanierung sei maßgebend, dass der Insolvenzverwalter bei Erläuterung seiner Vorstellungen zur Schuldenbereinigung in der Gläubigerversammlung bestens mit der Vermögenssituation des Notars vertraut gewesen sei. Zudem seien die wesentlichen Gläubiger, nämlich die beteiligten Großbanken, geschäfts- und insolvenzerfahren und könnten damit die Möglichkeit einer Sanierung verlässlich abschätzen.

Der Bundesgerichtshof gelangt zu einer abweichenden Prognose, ohne auf die vom Oberlandesgericht herausgestellten Besonderheiten des konkreten Falls einzugehen. Näher ausgeführt wird allein das Argument, eine Erfüllung des Insolvenzplans durch den Beschwerdeführer sei nicht absehbar gewesen, weil eine Fortführung seiner Notartätigkeit nicht sicher gewesen sei. Damit werden die Anforderungen an eine Widerlegung des nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO vermuteten Vermögensverfalls mit Blick auf die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers unnötig überspannt. Die Amtsenthebung kann nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und nach dem mit ihr verfolgten Zweck nur die Folge, nicht jedoch die Ursache des Vermögensverfalls sein. Ist die Erwartung gerechtfertigt, dass die finanziellen Verhältnisse des Notars in absehbarer Zeit wieder geordnet werden können, so liegen die Voraussetzungen einer Amtsenthebung nicht vor und können durch eine gleichwohl verfügte Amtsenthebung auch nicht herbeigeführt werden.

3. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG .

Vorinstanz: BGH, vom 22.03.2004 - Vorinstanzaktenzeichen NotZ 23/03
Fundstellen
NJW 2005, 3057