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BGH - Entscheidung vom 25.10.2005

VI ZR 195/03

Normen:
ZPO § 301

BGH, Urteil vom 25.10.2005 - Aktenzeichen VI ZR 195/03

DRsp Nr. 2005/21532

Zulässigkeit eines Teilurteils im Streitgenossenprozess

Der Erlass eines Teilurteils gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist unzulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, (BGH - VI ZR 8/03 vom 25. November 2003 - - VersR 2004, 645 , 646). Dies ist zu bejahen., wenn die Beurteilung der Haftungs- und der Mitverschuldensfrage hängt hinsichtlich aller Beklagter von der Beantwortung derselben Sach- und Rechtsfragen abhängt.

Normenkette:

ZPO § 301 ;

Tatbestand:

Der Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagter) und ein weiterer im vorliegenden Rechtsstreit Beklagter waren Inhaber einer Holzbaufirma, die sie in Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben. Sie waren mit Bodenarbeiten in einem Laborraum des seinerzeitigen Arbeitgebers der Klägerin beauftragt, die sie im Dezember 2000 ausführten. Unter streitigen Umständen fiel die Klägerin, als sie vor endgültigem Abschluss der Arbeiten am 20. Dezember 2000 gegen 9:30 Uhr den Laborraum betrat, durch eine ungesicherte Bodenöffnung in das darunter liegende Geschoss. Nach dem Vortrag der Klägerin war diese durch eine Folie abgedeckt und deshalb nicht sichtbar. Sie nimmt die Beklagten wegen der bei dem Sturz erlittenen Verletzungen auf Zahlung von Schmerzensgeld, Ersatz materiellen Schadens und Feststellung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der damalige Zustand der Räume nicht aufzuklären sei und deshalb eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht bejaht werden könne und zudem die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden wegen Erkennbarkeit der Gefahrenstelle treffe.

Das Berufungsgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 1 durch das vorliegende Teil-, Grund- und Teilschlussurteil vom 3. Juni 2003 teilweise stattgegeben, nämlich dem Grunde nach zu einem Viertel, und insoweit die begehrte Feststellung getroffen. Durch ein weiteres Grund- und Schlussurteil vom 11. Juli 2003 hat es hinsichtlich des Beklagten zu 2 ebenso geurteilt und die Sache insgesamt an das Landgericht zurückverwiesen (VI ZR 246/03). Nach Zulassung der Revision durch den erkennenden Senat haben die Klägerin Revision und der Beklagte Anschlussrevision eingelegt.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte zu 1 habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil er den Laborraum verlassen habe, ohne die dortige Bodenöffnung abzusichern, in deren Bereich er als letzter Baubeteiligter gearbeitet habe. Die Klägerin treffe indes ein Mitverschulden. Nach den örtlichen Gegebenheiten sei für sie unschwer zu erkennen gewesen, dass ein Teil des Raumes noch nicht wieder begehbar gewesen sei. In Anbetracht der Aussage des Zeugen S. und des schriftlichen Unfallberichts der Zeugin E. müsse die Unfallstelle in dem Bereich gelegen haben, in dem bereits Dämmmaterial eingebracht gewesen sei. Dagegen sei nicht als erwiesen anzusehen, dass die gesamte Bodenöffnung mit einer schwarzen Folie ausgelegt und deshalb nicht erkennbar gewesen sei. Das Betreten des Dämmmaterials sei als grob fahrlässig zu bewerten, weil der Boden dort erkennbar nicht sicher gewesen und die Bodenöffnung an anderen Stellen noch habe sichtbar sein müssen. Es habe sich für die Klägerin aufdrängen müssen, dass die Information des Arbeitgebers, der Raum könne am 20. Dezember 2000 ab 8:30 Uhr wieder betreten werden, nicht richtig sein könne. Deshalb treffe sie eine überwiegende Mitverantwortung von drei Vierteln. Ein Mitverschulden des Arbeitgebers liege nicht vor, so dass auch eine Reduzierung der Haftungsquote unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses ausscheide.

II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Revision der Klägerin macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht ihr Mitverschulden im Umfang von drei Vierteln ohne ausreichende Feststellungen und zudem unter Verkennung der Beweislast bejaht hat.

a) Zwar greift die Revision mit ihrer Auffassung, das Berufungsgericht habe der Zeugenaussage und dem Unfallbericht positiv entnehmen müssen, der mit Dämmwolle ausgefüllte Bereich sei mit der schwarzen Folie bedeckt gewesen, in unzulässiger Weise in die tatrichterliche Würdigung ein. Erfolg hat jedoch ihre Rüge, es sei nicht erkennbar, woraus das Berufungsgericht herleite, die Klägerin müsse auf das Dämmmaterial getreten sein.

Auch beanstandet die Revision mit Recht, ohne weitere Feststellungen zum Unfallhergang sei die Annahme eines weit überwiegenden Mitverschuldens von drei Vierteln nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Unfallstelle für das Laborpersonal frei zugänglich war. Die Klägerin habe den Raum zu einem Zeitpunkt betreten, in dem er nach den Mitteilungen ihres Arbeitgebers wieder habe betretbar sein sollen. Warnungen vor der Bodenöffnung habe es nicht gegeben. Die schwarze Folie war jedenfalls teilweise noch vorhanden. Auch wenn der geöffnete Bereich nur mit Dämmmaterial, nicht aber mit der Folie bedeckt war, kann ohne entgegenstehende Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, der Klägerin habe sich aufdrängen müssen, dass sie da, wo sie ging, nicht gefahrlos habe gehen können.

b) Bei dieser Sachlage beanstandet die Revision mit Recht die Verteilung der Beweislast durch das Berufungsgericht. Ersichtlich stützt das Berufungsgericht das Mitverschulden der Klägerin darauf, es sei nicht erwiesen, dass der Boden durchgehend mit schwarzer Folie bedeckt gewesen sei. Hieraus folgert es, dass die Klägerin grob fahrlässig auf das Dämmmaterial getreten sei. Indessen trägt grundsätzlich der Schädiger für die Anwendungsvoraussetzungen des § 254 BGB die Beweislast (vgl. Senatsurteile vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89 - VersR 1991, 437 , 438 und vom 29. September 1998 - VI ZR 296/97 - VersR 1998, 1428 ). Diese Beweislastverteilung hat das Berufungsgericht ebenso wie das Landgericht verkannt.

2. Die zulässige Anschlussrevision ist ebenfalls begründet. Sie macht mit Recht geltend, dass das Berufungsurteil nicht frei von Verfahrensfehlern ist.

a) Findet gegen ein Berufungsurteil die Nichtzulassungsbeschwerde statt, muss auch nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aus dem Urteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (Senatsurteil BGHZ 156, 216 ff.; st. Rspr., vgl. auch BGHZ 156, 97 ff. und BGH, Urteil vom 13. Juli 2005 - XII ZR 303/02 - zur Veröffentlichung bestimmt - beide teilweise noch zum alten Recht; ferner allgemein BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03 - NJW-RR 2004, 573 f. m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Berufungsbegehren der Klägerin wird nicht erkennbar. Auch wird nicht deutlich, auf welchen Sach- und Streitstand das Berufungsgericht die Bejahung des Mitverschuldens stützt, insbesondere von welchem konkreten Vortrag der Klägerin zum Unfallhergang es als Grundlage für die Beweiswürdigung ausgeht.

b) Verfahrensrechtlichen Bedenken begegnet es auch, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Beklagten jeweils durch Teilurteil entschieden hat. Besteht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, ist der Erlass eines Teilurteils gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen unzulässig (Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03 - VersR 2004, 645 , 646). Im vorliegenden Fall ist die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen ersichtlich zu bejahen. Die Beurteilung der Haftungs- und der Mitverschuldensfrage hängt hinsichtlich beider Beklagter von der Beantwortung derselben Sach- und Rechtsfragen ab. Ob diese Gefahr durch das zweite Urteil ausgeräumt wurde, in dem die Sache wegen beider Beklagter an das Landgericht zurückverwiesen wurde, kann hier dahinstehen, weil das Urteil schon aus den vorgenannten Gründen aufzuheben ist.

c) Ohne Erfolg bleibt hingegen die Rüge der Anschlussrevision, das Berufungsgericht habe - insoweit abweichend von der Entscheidung des Landgerichts - zu Unrecht die Haftung der Beklagten für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejaht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten hafteten als Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamtschuldner, und zwar der Beklagte zu 1, weil er die gefährliche Unfallstelle ohne Sicherungsmaßnahmen oder Warnungen für das in den Laborräumen arbeitende Personal verlassen habe, und der Beklagte zu 2, weil er als Gesellschafter für die analog § 31 BGB begründete Haftung der Gesellschaft für das Handeln des Beklagten zu 1 persönlich einzustehen habe (vgl. BGHZ 154, 88 , 93 ff.), ist vom rechtlichen Ansatz her nicht zu beanstanden. Durchgreifende Rechtsfehler zeigt die Anschlussrevision nicht auf.

III. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Vorinstanz: OLG Dresden, vom 03.06.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 15 U 2009/02
Vorinstanz: LG Dresden, vom 11.10.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 14 O 4322/01