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BGH - Entscheidung vom 15.11.2005

VI ZR 268/04

Normen:
RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1

Fundstellen:
VersR 2006, 283

BGH, Versäumnisurteil vom 15.11.2005 - Aktenzeichen VI ZR 268/04

DRsp Nr. 2006/1033

Zulässigkeit der Abtretung von Schadensersatzforderungen an ein Mietwagenunternehmen

1. Der Inhaber eines Mietwagenunternehmens, das es geschäftsmäßig übernimmt, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, bedarf der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG , und zwar auch dann, wenn er sich die Schadensersatzforderung erfüllungshalber abtreten läßt und die eingezogenen Beträge auf seine Forderungen an die Kunden verrechnet.2. Der Mietwagenunternehmer besorgt lediglich dann keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit, wenn es im Wesentlichen darum geht, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen.

Normenkette:

RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1 ;

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Autovermietung, macht gegen den beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht eines Unfallgeschädigten Ansprüche auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten geltend. Die Haftung ist dem Grunde nach außer Streit. Der Geschädigte mietete nach einem Verkehrsunfall im Oktober 2001 bei der Klägerin ein Ersatzfahrzeug zu einem Unfallersatztarif an, der nach Behauptung der Beklagten erheblich über dem Normaltarif lag. Die Klägerin stellte der Beklagten insgesamt 2.536,27 DM netto in Rechnung. Diese bezahlte 1.048,00 DM; weitere Zahlungen lehnte sie wegen des ihrer Ansicht nach überhöhten Unfallersatztarifs ab.

Die Klägerin, die sich ersparte Betriebskosten von 216,45 DM (10 % des Grundmietpreises) anrechnen lässt, verlangt von der Beklagten die Zahlung des Restbetrages von 1.271,82 DM (650,27 EUR). Sie hat behauptet, der Geschädigte habe ihr seinen Schadensersatzanspruch in Höhe der angefallenen Mietwagenkosten abgetreten. Eine entsprechende Abtretungsurkunde hat sie der Beklagten im Berufungsrechtszug ausgehändigt.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit welcher die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Über die Revision war, da die Klägerin im Revisionstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79 , 81).

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin sei aktivlegitimiert. Die Abtretung sei nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG nichtig. Ob sie nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien unter diese Vorschrift falle, könne dahinstehen. Dieser Rechtsprechung könne nämlich schon im Ansatz nicht gefolgt werden. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Abtretung der bloßen Mietwagenkostenersatzforderung - im Unterschied zur Abtretung aller Ersatzansprüche des Unfallgeschädigten - generell wirksam sei und nicht unter Art. 1 § 1 RBerG falle. Dies sei unabhängig davon, was Mietwagenunternehmer und Unfallkunde vereinbart hätten und ob sie gewollt hätten, dass die Forderungsrealisierung in erster Linie Sache des Mietwagenunternehmers und nicht des Kunden sein sollte. Werde nur die Forderung auf Ersatz der Mietwagenkosten abgetreten, stelle sich deren Geltendmachung durch den Mietwagenunternehmer sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Zweck des Rechtsberatungsgesetzes nicht als Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit dar. Die vom Bundesgerichtshof verlangte Prüfung des eigentlichen Zwecks der Abtretung führe zudem in der Praxis zu kaum überwindbaren Schwierigkeiten. Die Klageforderung sei auch der Höhe nach berechtigt. Die Einwendung der Beklagten, die Klägerin habe sich dem Unfallgeschädigten gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie ihn nicht auf die Möglichkeit der Anmietung zu einem Normaltarif hingewiesen habe, sei unbegründet. Für den Mietwagenunternehmer bestehe keine allgemeine Aufklärungspflicht über das Nebeneinander von Normaltarifen und Unfallersatztarifen.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen die Aktivlegitimation der Klägerin nicht bejaht werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Abtretung der Forderung gegen den Schädiger gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung bedarf der Inhaber eines Mietwagenunternehmens, das es geschäftsmäßig übernimmt, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG , und zwar auch dann, wenn er sich die Schadensersatzforderungen erfüllungshalber abtreten lässt und die eingezogenen Beträge auf seine Forderungen an die Kunden verrechnet (vgl. Senatsurteile BGHZ 47, 364 , 366; 61, 317, 319; vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - VersR 2003, 656 ; vom 26. April 1994 - VI ZR 305/93 - VersR 1994, 950 , 951 f.; vom 22. Juni 2004 - VI ZR 272/03 - VersR 2004, 1062, 1063 und vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - VersR 2005, 241 ). Die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG kommt ihm nicht zugute (vgl. Senatsurteile BGHZ 47, 364 , 368; vom 26. April 1994 - VI ZR 305/93 - aaO.; vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - aaO. und vom 22. Juni 2004 - VI ZR 272/03 - VersR 2004, 1062, 1064). Bei der Beurteilung, ob die Abtretung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, ist nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten diesen zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die es vermeidet, dass Art. 1 § 1 RBerG durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 61, 317, 320 f.; vom 26. April 1994 - VI ZR 305/93 - aaO.; vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - aaO.; vom 22. Juni 2004 - VI ZR 272/03 - aaO., S. 1063). An dieser gefestigten Rechtsprechung wird, wie der erkennende Senat noch kürzlich in mehreren - nach Verkündung des Berufungsurteils - getroffenen Entscheidungen bekräftigt hat, festgehalten (Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - aaO.; vom 5. Juli 2005 - VI ZR 173/04 - VersR 2005, 1256 und vom 20. September 2005 - VI ZR 251/04 - zur Veröffentlichung bestimmt).

Geht es dem Mietwagenunternehmen im Wesentlichen darum, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, so besorgt es keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit. Ein solcher Fall liegt allerdings dann nicht vor, wenn nach der Geschäftspraxis des Mietwagenunternehmens die Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten Kunden eingezogen werden, bevor diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Denn damit werden den Geschädigten Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sie sich eigentlich selbst zu kümmern hätten (vgl. Senatsurteile BGHZ 47, 364 , 366 f. und vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - aaO., S. 656 f.).

b) Diesen Grundsätzen wird die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei es bei der Einziehung der abgetretenen Forderung vorliegend um die Besorgung einer eigenen Rechtsangelegenheit und nicht einer solchen des Geschädigten gegangen, nicht gerecht. Dass der Unfallgeschädigte vorliegend lediglich seine Forderung auf Ersatz der Mietwagenkosten und keine weiteren Schadensersatzansprüche an die Klägerin abgetreten hat, spricht zwar gegen eine umfassende Besorgung fremder Angelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - aaO. und vom 20. September 2005 - VI ZR 251/04 - aaO.). Auch in einem solchen Fall kann sich die Geltendmachung der abgetretenen Forderung für den Mietwagenunternehmer jedoch je nach Lage der Dinge als Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit darstellen.

Die in erster Linie dem Tatrichter obliegende Würdigung der den vertraglichen Vereinbarungen zugrunde liegenden Umstände ist einer revisionsrechtlichen Nachprüfung allerdings nur beschränkt zugänglich (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - aaO., S. 657). Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Tatrichter die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet hat, seine Auslegung nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt und Verfahrensvorschriften nicht verletzt worden sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 1989 - V ZR 53/88 NJW-RR 1990, 455 ; vom 13. Dezember 1990 - IX ZR 33/90 - WM 1991, 495, 496 und vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - VersR 1993, 593). Ein im Revisionsverfahren beachtlicher Rechtsfehler liegt vor, wenn die Auslegung des Tatrichters von den festgestellten Tatsachen nicht getragen wird (vgl. BGHZ 24, 15, 19; 24, 39, 41). Dies ist vorliegend der Fall. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, welche Vorstellungen der Abtretung zugrunde lagen. Die Revision rügt zu Recht, dass jegliche Feststellungen dazu fehlen, ob und auf welche Weise die Klägerin den Unfallgeschädigten selbst auf Zahlung in Anspruch genommen hat (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - aaO.; vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - aaO.; vom 5. Juli 2005 - VI ZR 173/04 - aaO. und vom 20. September 2005 - VI ZR 251/04 - aaO.). Dies wird nachzuholen sein.

2. Da das angefochtene Urteil auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen keinen Bestand haben kann, ist es aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird im weiteren Verfahren gegebenenfalls auch zu prüfen haben, inwieweit der geltend gemachte Mietzins bei einem Unfallersatztarif als "erforderlich" im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 160, 377 , 382 ff.; vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - aaO.; vom 15. Februar 2005 - VI ZR 160/04 - VersR 2005, 569 und - VI ZR 74/04 - VersR 2005, 568 ; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - VersR 2005, 850 sowie vom 5. Juli 2005 - VI ZR 173/04 - VersR 2005, 1256 ). Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter - gegebenenfalls nach Beratung mit einem Sachverständigen - zu schätzen (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - aaO. und vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03 - VersR 2005, 284 ), wobei auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 9/05 - zur Veröffentlichung bestimmt).

Vorinstanz: LG Karlsruhe, vom 30.09.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 5 S 37/03
Vorinstanz: AG Pforzheim, vom 20.11.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 175/02
Fundstellen
VersR 2006, 283