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BGH - Entscheidung vom 27.01.2005

1 StR 495/04

Normen:
StPO § 251 Abs. 1, Abs. 2

Fundstellen:
StV 2005, 255

BGH, Beschluß vom 27.01.2005 - Aktenzeichen 1 StR 495/04

DRsp Nr. 2005/3266

Verwertbarkeit einer fehlerhaften richterlichen Zeugenvernehmung

Eine richterliche Vernehmung (hier: im Ausland), die fehlerhaft durchgeführt wurde (hier: unterbliebene Benachrichtigung unter anderem der Verteidiger), kann als Protokoll einer nichtrichterlichen Vernehmung verlesen werden.

Normenkette:

StPO § 251 Abs. 1 , Abs. 2 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensbeschwerde Erfolg:

Das Landgericht hat den Zeugen A. im Wege der Rechtshilfe durch einen türkischen Richter vernehmen lassen. Weder das Landgericht noch - so der Revisionsvortrag, dem die Staatsanwaltschaft in der Gegenerklärung nicht widersprochen hat - der Angeklagte und seine Verteidiger sind von dem Vernehmungstermin benachrichtigt worden. Das Landgericht hat die Niederschrift über die richterliche Vernehmung gegen den Widerspruch der Verteidigung in der Hauptverhandlung gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO aF verlesen.

Die Niederschrift durfte nicht als richterliches Vernehmungsprotokoll verlesen werden (BGHSt 35, 82 ). Wenn ein Zeuge durch einen ersuchten Richter vernommen wird, sind der Angeklagte und der Verteidiger vorher zu benachrichtigen; die Benachrichtigung darf nur unterbleiben, wenn sie den Untersuchungszweck gefährden würde (§ 224 Abs. 1 StPO ). Bei Vernehmungen im Ausland brauchen zwar grundsätzlich nur die für das ausländische Gericht maßgebenden Verfahrensvorschriften eingehalten zu werden. Hier hätte jedoch das ersuchte Gericht auch nach türkischem Recht den Angeklagten und die Verteidigung von dem Tag, der für die Anhörung des Zeugen bestimmt wurde, benachrichtigen müssen (Art. 217 Abs. 1 türkStPO).

Das Urteil beruht auf diesem Verfahrensfehler, da das Landgericht die Aussage des Zeugen A. vor dem türkischen Richter, der Angeklagte habe ihm die Tat eingestanden, als "weiteres Indiz" für die Täterschaft des Angeklagten gewertet hat.

Das Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Sollte das im Wege der stellvertretenden Strafrechtspflege (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ) betriebene Verfahren trotz der inzwischen erklärten Bereitschaft des Angeklagten, einer vereinfachten Auslieferung in die Türkei zuzustimmen, seinen Fortgang finden, wird der neue Tatrichter zu beachten haben, daß das Protokoll einer unter Verletzung der Benachrichtigungspflicht erfolgten richterlichen Vernehmung als Protokoll einer anderen - nichtrichterlichen - Vernehmung gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO nF verlesen werden kann (vgl. BGH NStZ 1998, 312 ; BGH StV 2002, 584 ). Er muß sich dann allerdings des minderen Beweiswertes des Beweismittels bewußt sein.

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 01.06.2004
Fundstellen
StV 2005, 255