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BGH - Entscheidung vom 08.11.2005

3 StR 370/05

Normen:
StGB § 253 Abs. 1 § 255

Fundstellen:
NStZ-RR 2006, 105

BGH, Beschluß vom 08.11.2005 - Aktenzeichen 3 StR 370/05

DRsp Nr. 2006/1399

Unterzeichnung eines Kaufvertrags als Vermögensnachteil

In der Unterzeichnung eines Kaufvertrags liegt nicht ohne weiteres ein Vermögensnachteil.

Normenkette:

StGB § 253 Abs. 1 § 255 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe (Fall II. 1. der Urteilsgründe - Einzelfreiheitsstrafe: sieben Jahre und sechs Monate) sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall II. 2. der Urteilsgründe - Einzelfreiheitsstrafe: ein Jahr und sechs Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

1. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln und die insoweit verhängte Einzelstrafe wendet, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

2. Dagegen hält die Verurteilung wegen (vollendeter) schwerer räuberischer Erpressung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Den getroffenen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass das Tatopfer A. einen Vermögensnachteil - und sei es auch nur in Form einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung - erlitten hat, wie es für die Annahme einer vollendeten Tat erforderlich wäre und was das Landgericht anzunehmen scheint (allerdings ohne die hier gebotene nähere Subsumtion unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale). Danach ging der Angeklagte zwar nach der erzwungenen Unterzeichnung der Kaufvertragsurkunde mit einem Kaufpreis von nur 2.500 EUR davon aus, dass - wie von ihm beabsichtigt - A. seine Kaufpreisforderung von 8.000 EUR in Zukunft nicht mehr geltend machen würde. Es ist aber nicht festgestellt, dass A. auf seine Kaufpreisforderung ausdrücklich oder konkludent verzichtet hatte oder auch nur bereit war, diese auf Dauer oder auch nur vorübergehend nicht geltend zu machen. Unter den gegebenen Umständen versteht es sich auch nicht ohne weiteres, dass sich das Vermögen des A. - mit der Folge einer schadensgleichen Vermögensgefährdung - durch die Unterzeichnung und Aushändigung der Kaufvertragsurkunde mit dem Kaufpreis von nur 2.500 EUR (unter dem Gesichtspunkt einer Verschlechterung seiner Beweisposition) entsprechend gemindert hätte. Auch im Hinblick auf die vom Angeklagten geforderte Übergabe des Cabriolets und der Cabrioletschlüssel ist A. ein Vermögensnachteil nicht entstanden, weil der Angeklagte weder das Fahrzeug noch die Schlüssel an sich genommen hat.

Der Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung der - im Übrigen nicht zu beanstandenden - Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen Delikte der Nötigung und des Führens einer Schusswaffe. Als Folge können auch die Gesamtstrafe und die Anordnung der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben.

3. Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Dass Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen vollendeter oder versuchter schwerer räuberischer Erpressung tragen, erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen.

4. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch die Frage der Anordnung von Sicherungsverwahrung erneut zu prüfen haben. Insofern geben die Gründe des angefochtenen Urteils Anlass zu folgenden Hinweisen:

Die Feststellung: "Die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 und 4 StGB sind erfüllt" genügt nicht den Anforderungen. Wenn das Urteil eine Vielzahl von früheren Taten und Vorstrafen schildert und der Angeklagte mehrfach Strafhaft verbüßt hat, muss im einzelnen dargelegt werden, mit Blick auf welche Vorstrafen und Verbüßungszeiten die formellen Voraussetzungen als gegeben erachtet werden.

Soweit die Annahme des erforderlichen Hangs zu erheblichen Straftaten mit dem Hinweis auf ein "konstantes Verhalten" des Angeklagten und "Handlungsstereotype" begründet wird, erschließt sich dies aus den Feststellungen zu seinen früheren Taten nicht ohne weiteres. Im Übrigen lässt die Würdigung eine Auseinandersetzung damit vermissen, dass die letzte Verurteilung des Angeklagten zu einer Einzelstrafe von mehr als einem Jahr etwa zehn Jahre zurückliegt und er nach seiner letzten Entlassung aus Strafhaft im Mai 2001 mehrere Jahre im Wesentlichen straffrei gelebt hat, bevor es zu den abgeurteilten Taten gekommen ist.

Die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nur gegeben, wenn die bestimmte Wahrscheinlichkeit (vgl. BGHSt 25, 59 , 61) besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen. Die bloße Feststellung, dass die Begehung solcher Straftaten "wahrscheinlich" sei, genügt nicht.

Vorinstanz: LG Hildesheim, vom 27.06.2005
Fundstellen
NStZ-RR 2006, 105