Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 07.07.2005

X ZR 15/04

Normen:
ZPO § 321a Abs. 1 S. 1, Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 07.07.2005 - Aktenzeichen X ZR 15/04

DRsp Nr. 2005/11409

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren

1. Aus dem Schweigen des Gerichts über bestimmte Punkte des Parteivortrages darf in der Regel nicht geschlossen werden, dass das Gericht diese Punkte außer Acht gelassen hat.2. Die Prozessparteien haben keinen Anspruch darauf, dass das Gericht den Sachverhalt rechtlich so würdigt wie sie.

Normenkette:

ZPO § 321a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Anhörungsrüge ist statthaft und auch im übrigen zulässig (§ 321 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO ), aber unbegründet. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW-RR 2002, 68 ). Dies hat der Senat hinsichtlich des gesamten Prozeßvortrags der Klägerin getan. Er ist bei seiner rechtlichen Beurteilung dieses Vortrags allerdings teilweise zu anderen Ergebnissen gelangt als die Klägerin. Darin liegt aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Im einzelnen sind die Rügen der Klägerin wie folgt zu bescheiden:

1. Die Klägerin rügt, daß der Senat ihre Revisionsangriffe gegen die Feststellung des Berufungsgerichts zurückgewiesen hat, die von der Klägerin behaupteten Drohungen für Leib und Leben seien nicht bewiesen. Die Klägerin meint, das Berufungsgericht habe bei seiner Beweiswürdigung von ihr vorgetragene Gesichtspunkte nicht berücksichtigt und die Glaubwürdigkeit der von ihr benannten Zeugin B. aufgrund sachfremder Erwägungen verneint. Durch die nicht hinreichende Berücksichtigung der Gehörsverletzungen des Berufungsgerichts habe der Senat selbst das rechtliche Gehör verletzt.

Der Senat hat indessen die von der Klägerin gegen das Berufungsgericht erhobene Anhörungsrüge zur Kenntnis genommen und erwogen. Er ist dabei jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß weder für das Berufungsgericht noch für den Senat ein Eingehen auf alle Einzelheiten des Klägervortrags geboten war, zumal diese, ihre Richtigkeit unterstellt, keine oder jedenfalls keine ausreichende Beweiskraft haben. Aus dem Schweigen des Gerichts über bestimmte Punkte des Klägervortrags darf in der Regel nicht geschlossen werden, daß das Gericht diese Punkte außer acht gelassen hat (BVerfG NJW-RR 1993, 383 ). Ebensowenig hat es mit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zu tun, daß der Senat keine sachfremden Erwägungen des Berufungsgerichts bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin B. zu erkennen vermochte.

2. Als weitere Gehörsverletzung rügt die Klägerin, daß der Senat bei seiner Wertung, der Rechtsstandpunkt des beklagten Vereins, er könne den Wartungsvertrag fristlos kündigen und mit Gegenansprüchen aufrechnen, sei zumindest vertretbar, davon ausgegangen ist, daß die Klägerin den mit Schriftsatz des Beklagten zu 3 vom 7. Februar 2003 vorgetragenen Sachverhalt der 50 %igen Vergütungserhöhung aufgrund der 1991 nachträglich vereinbarten Gleitklausel nicht bestritten habe.

Der Ansicht der Klägerin, daß sie den Schriftsatz des Beklagten zu 3 mit ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 10. März 2003 insgesamt bestritten habe, kann nicht gefolgt werden. Auf den anderthalb Seiten langen, detaillierten Vortrag des Beklagten zu 3 hinsichtlich der näheren Umständen der 50 %igen Werklohnerhöhung (GA II 393 f.) hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 10. März 2003 mit folgendem einzigen Satz erwidert: "Wie bereits vorgetragen, waren die Löhne und Lohnerhöhungen gegenüber der D. ebenso wie das Honorar in Abstimmung und auf Vorschlag des Wirtschaftsprüfers vereinbart worden." (GA III 414). Dieser Satz enthält kein Bestreiten des von den Beklagten vorgetragenen Sachverhalts, sondern allenfalls eine Ergänzung. Deren Bedeutung bleibt übrigens unklar. Auch der letzte Satz des klägerischen Schriftsatzes, der Schriftsatz des Beklagten zu 3 sei in seinen Aussagen falsch, stellt kein beachtliches Bestreiten dar. Die Klägerin durfte den Vortrag des Beklagten zu 3 nicht mit Nichtwissen bestreiten, sondern mußte ihm substantiiert entgegentreten.

Entgegen der Ansicht der Klägerin wird ihr fehlendes Bestreiten im Schriftsatz vom 10. März 2003 auch nicht dadurch ersetzt, daß sie mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1999 in anderem Zusammenhang einmal erwähnt hatte, im Jahre 1988 seien über 30 Arbeiter vorhanden gewesen, und dass sie mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2002 ebenfalls in anderem Zusammenhang vorgetragen hatte, sie habe im Jahre 1993 regelmäßig zwischen 25 und 30 Mitarbeiter beschäftigt. Ihrer Ansicht, sie habe damit vorgetragen, daß die Mitarbeiterzahl von 1988 bis 1993 konstant geblieben und nicht im Jahre der Vergütungserhöhung (1991) auf 15 Mitarbeiter verringert worden sei, kann nicht gefolgt werden.

Auch soweit die Klägerin rügt, der Senat habe die von ihr unter Beweis gestellte polizeiliche Aussage des Vereinsvorsitzenden K. übergangen, sie hätten vertragsrechtlich keine Aussicht gehabt, aus dem Vertrag mit der D. zu kommen, geht es nicht um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, sondern um eine von der Ansicht der Klägerin abweichende rechtliche Beurteilung des Senats. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kam es darauf an, ob die Beklagten zu 2 und 3 den von ihnen eingenommenen Rechtsstandpunkt vertreten durften. Für diese Frage war die subjektive Einschätzung der Rechtslage durch Herrn K. unerheblich.

Nicht nachvollziehbar ist die weitere Rüge, der Senat habe den Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, daß die seinerzeit vom beklagten Verein gesperrten Schecks ohne weiteres hätten bezahlt werden können. Der Senat hat diesen Vortrag als richtig unterstellt. Er hat jedoch ausführlich dargelegt, dass und weshalb die Drohung, der Verein werde keine Zahlungen mehr leisten - dazu gehörte auch die Sperrung der Schecks - nicht widerrechtlich war (Urteilsgründe unter II 5).

3. Die Klägerin rügt ferner, der Senat habe bei seiner Rechtswidrigkeitsprüfung der Drohung mit Stallkündigung, Vereinsausschluß und Rennbahnverbot die vom Geschäftsführer der Klägerin erwirkte einstweilige Verfügung gegen das Hausverbot und den für ihn günstigen Vergleich in seinem Kartellrechtsstreit mit dem beklagten Verein nicht berücksichtigt.

Auch dies trifft nicht zu. Der Senat hat die einstweilige Verfügung und den Vergleich zur Kenntnis genommen. Er hat ihnen nach entsprechender rechtlicher Prüfung jedoch keine Bedeutung für die von ihm zu beurteilende Rechtswidrigkeit besagter Drohung beigemessen.

4. Schließlich rügt die Klägerin, daß der Senat ihren Vortrag übergangen habe, die Drohung mit der Veröffentlichung des Vertragswerks und der Rechnungen im "Traber-Journal" sei aufgrund einer Inadäquanz von Mittel und Zweck rechtswidrig, weil die Beklagten bezweckt hätten, daß der Geschäftsführer der Klägerin sich auf der Trabrennbahn nicht mehr sehen lassen könne.

Daß der Senat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und ausführlich gewürdigt hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen (unter II 7 b aa (d), cc).