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BGH - Entscheidung vom 15.09.2005

III ZR 439/04

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 321a

BGH, Beschluß vom 15.09.2005 - Aktenzeichen III ZR 439/04

DRsp Nr. 2005/17633

Umfang des rechtlichen Gehörs im Gerichtsverfahren

1. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden. 2. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO , nach dem der Beschluss kurz begründet werden soll, noch unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt sich eine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Begründung der Entscheidung. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, mittels einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO die Bestimmung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auszuhebeln.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 321a ;

Gründe:

I. Der Kläger hat im vorausgegangenen Rechtsstreit das beklagte Land unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Amtspflichtverletzung auf Zahlung von 603.916,25 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts hat der Senat durch Beschluss vom 29. Juni 2005, der den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4. Juli 2005 zugestellt worden ist, zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit einer am 12. Juli 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO . Er trägt vor, der erkennende Senat habe sich in seinem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden, nicht näher begründeten Beschluss nicht mit seinem zentralen Vorbringen befasst, das dahin ging, (1.) die (Hilfs-)Erwägung des Oberlandesgerichts, die Rechtmäßigkeit der Schätzung könne von ihm im Rahmen des Amtshaftungsprozesses nicht überprüft werden, weil sich diese einem Urteil des Finanzgerichts dem Grunde nach entnehmen lasse, gehe fehl; das Berufungsgericht lasse die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außer Acht, wonach nur der Entscheidungssatz eines Urteils in Rechtskraft erwachse, nicht präjudizielle Rechtsverhältnisse und Vorfragen; es bestehe Wiederholungsgefahr; den gleichen Fehler begehe das Vordergericht, wenn es annehme, an das rechtskräftige finanzgerichtliche Urteil auch hinsichtlich des "Verschuldens gegen sich selbst" im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB gebunden zu sein, (2.) es sei rechtsfortbildend zu klären, ob die verspätete Einlegung eines Rechtsmittels mit der gänzlich unterlassenen gleichzusetzen sei, und welche Anforderungen an die Annahme der Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsmittels und dem Schadenseintritt sowie an diejenige, ob ein Rechtsmittel schuldhaft nicht eingelegt wurde, zu stellen seien.

II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205 , 216 f.). Der Senat hat in dem Beschluss vom 29. Juni 2005 die jetzt von der Anhörungsrüge des Klägers umfassten Angriffe in der Nichtzulassungsbeschwerde in vollem Umfang darauf geprüft, ob sie einen Revisionszulassungsgrund ergeben. Er hat unter diesem Gesichtspunkt die Beanstandungen der Nichtzulassungsbeschwerde sämtlich für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiter reichenden Begründung sieht er auch in diesem Verfahrensabschnitt in entsprechender Anwendung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO ab. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO , nach dem der Beschluss kurz begründet werden soll, noch unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt sich eine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Begründung der Entscheidung. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, mittels einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO die Bestimmung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auszuhebeln. Auch nach der Gesetzesbegründung kann eine Gehörsrüge gegen die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu eingelegt werden, eine Begründungsergänzung herbeizuführen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04 - NJW 2005, 1432, 1433).