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BGH - Entscheidung vom 28.06.2005

VI ZR 108/04

Normen:
ZPO § 256 § 322

Fundstellen:
BGHReport 2005, 1342
DAR 2005, 503
MDR 2005, 1363
NJW-RR 2005, 1517
NZV 2005, 519
VersR 2005, 1159
zfs 2005, 490

BGH, Urteil vom 28.06.2005 - Aktenzeichen VI ZR 108/04

DRsp Nr. 2005/10753

Umfang der Rechtskraft eines Feststellungsurteils im Hinblick auf später geltend gemachten Verdienstausfallschaden

»Die Frage, ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Verdienstausfallschaden eingetreten ist, betrifft den Umfang des Unfallschadens, also die Höhe des Anspruchs, und wird deshalb von der Rechtskraft eines vorausgegangenen Feststellungsurteils betreffend die Ersatzpflicht sämtlicher materieller Schäden aus dem Unfallereignis nicht erfaßt (Bestätigung des Senatsurteils vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469 , 470).«

Normenkette:

ZPO § 256 § 322 ;

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz von Verdienstausfallschaden wegen eines Verkehrsunfalls vom 3. September 1995, bei dem er erheblich verletzt wurde und an dem die Beklagte zu 1 mit einem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug beteiligt war. In einem - rechtskräftig abgeschlossenen - Vorprozeß mit gleichem Rubrum hat das Landgericht Aachen in einem Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 2. Dezember 1997 - 10 O 564/96 - unter Klageabweisung im übrigen auf ein Anerkenntnis der Beklagten hin festgestellt, daß diese verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zur Hälfte zu ersetzen, soweit sie infolge des Verkehrsunfalls zukünftig entstehen und nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.

Das Landgericht hat der vorliegenden Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten war nur teilweise erfolgreich. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten lediglich teilweise abgeändert und dem Kläger im übrigen ebenfalls Ersatz von Verdienstausfall zugesprochen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagten seien mit ihrer Behauptung, der Verkehrsunfall sei für den Erwerbsschaden des Klägers nicht kausal gewesen, sondern habe bereits vor dem Unfallgeschehen aufgrund chronischen Alkoholmißbrauchs und einer hierauf beruhenden chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung unfallunabhängig vorgelegen, im Hinblick auf die Rechtskraft des vorausgegangenen Feststellungsurteils des Landgerichts Aachen präkludiert. Die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers festgestellt worden sei, führe dazu, daß Einwendungen, die das Bestehen des festgestellten Anspruchs beträfen und sich auf Tatsachen stützten, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen hätten, nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Durch den Einwand der Beklagten, der Unfall sei für die Erwerbsunfähigkeit des Klägers und dementsprechend für dessen Verdienstausfallschaden nicht kausal gewesen, werde ebenso wie bei der Geltendmachung eines Mitverschuldenseinwands im Sinne des § 254 BGB der Grund der Forderung in Frage gestellt. Einwendungen, die den Grund des Schadensersatzanspruchs beträfen, hätten jedoch beim Erlaß des Feststellungsurteils beschieden werden müssen. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils führe mithin dazu, daß die Ersatzpflicht der Beklagten nicht mehr in Zweifel zu ziehen und nicht mehr zu überprüfen sei. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Beweisaufnahme zu den angeblichen Vorerkrankungen des Klägers. Zwar sprächen gewisse Gesichtspunkte gegen eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Letztlich könne dies aber aus den dargelegten Gründen dahinstehen.

II. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Revision macht mit Recht geltend, daß die Behauptung der Beklagten, der Verkehrsunfall sei für die Erwerbsunfähigkeit und dementsprechend für den Verdienstausfall des Klägers nicht ursächlich gewesen, durch die Rechtskraft des vorausgegangenen Feststellungsurteils zwischen den Parteien nicht präkludiert ist.

1. Zwar führt die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers festgestellt worden ist, dazu, daß Einwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, welche schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, soweit sie das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juni 1982 - VI ZR 179/80 - VersR 1982, 877 und vom 14. Juni 1988 - VI ZR 279/87 - VersR 1988, 1139).

Um die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des materiellen Schadens des Klägers aus jenem Unfall, die das vorausgegangene Urteil festgestellt hat, geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Vielmehr betrifft die Frage, ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Verdienstausfallschaden eingetreten ist, den Umfang des Unfallschadens, also die Höhe des Anspruchs, und wird deshalb von der Rechtskraft eines vorausgegangenen Feststellungsurteils nicht erfaßt (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469 , 470).

2. Durch den Einwand der Beklagten, der Unfall sei für die Erwerbsunfähigkeit des Klägers und dementsprechend für dessen Verdienstausfall nicht kausal gewesen, wird - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht wie bei der Geltendmachung eines Mitverschuldenseinwands im Sinne des § 254 BGB der Grund des rechtskräftig festgestellten Schadensersatzanspruchs in Frage gestellt (vgl. hierzu die oben genannten Senatsurteile vom 15. Juni 1982 - VI ZR 179/80 - und vom 14. Juni 1988 - VI ZR 279/87 - aaO), sondern die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der unfallbedingten Verletzung und einem vom Kläger behaupteten (vermögensmäßigen) Folgeschaden bestritten. Daran vermag auch der Hinweis des Berufungsgerichts nichts zu ändern, das Landgericht habe in den Entscheidungsgründen des Urteils im Vorprozeß bezüglich des Feststellungsinteresses ausgeführt, daß mit weiteren Unfallfolgeschäden, insbesondere Verdienstausfallschäden, gerechnet werden könne. Ob diese tatsächlich eingetreten sind, ist im Folgeprozeß zu entscheiden und bedarf dort tatrichterlicher Feststellungen.

Diese wird das Berufungsgericht nachzuholen haben und sich im Rahmen seiner tatrichterlichen Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO mit dem substantiierten Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität des Unfallereignisses für den geltend gemachten Erwerbsschaden auseinandersetzen müssen.

Vorinstanz: OLG Köln, vom 11.03.2004
Vorinstanz: LG Aachen,
Fundstellen
BGHReport 2005, 1342
DAR 2005, 503
MDR 2005, 1363
NJW-RR 2005, 1517
NZV 2005, 519
VersR 2005, 1159
zfs 2005, 490