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BGH - Entscheidung vom 26.07.2005

3 StR 36/05

Normen:
StPO § 345 Abs. 2
StGB § 52 Abs. 1 § 53 Abs. 1 § 266 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 26.07.2005 - Aktenzeichen 3 StR 36/05

DRsp Nr. 2005/13151

Revisionsbegründung durch Rechtsanwalt nur bei Übernahme der Verantwortung für den Schriftsatz; Konkurrenzen bei der Untreue und mehreren Schädigungshandlungen und mehreren Geschädigten

1. Eine vom Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Revisionsbegründung hat dieser grundsätzlich selbst zu verfassen, zumindest an ihr gestaltend mitzuwirken. Dabei darf kein Zweifel daran bestehen, dass der Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernommen hat.2. Die Zahl der materiell-rechtlichen Handlungen hängt bei der Untreue nicht von der Anzahl der Verletzten, sondern von der Zahl der Verletzungshandlungen ab.

Normenkette:

StPO § 345 Abs. 2 ; StGB § 52 Abs. 1 § 53 Abs. 1 § 266 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 497 Fällen und wegen Betrugs in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten, der bereits im Ermittlungsverfahren im Beisein seines Verteidigers ein richterliches Geständnis abgelegt, dieses aber später "widerrufen" hat, dauerte dreieinhalb Jahre und beanspruchte 194 Verhandlungstage, wobei durch den Angeklagten insgesamt etwa 1200 durchnummerierte Verfahrensanträge (z. B. "Befangenheitsantrag Nr. 1081") gestellt worden waren. Die Revision des Angeklagten führt zu einer Teileinstellung wegen der zwei Fälle des Betrugs und zur konkurrenzrechtlichen Zusammenfassung der Fälle der Untreue zu einer Tat. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hat als Einzelfreiheitsstrafe Bestand.

I. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht zulässig erhoben, denn die Revisionsbegründung entspricht insoweit nicht den Formerfordernissen des § 345 Abs. 2 StPO .

1. Soweit in der Revisionsbegründungsschrift vom 20. Oktober 2004 Verfahrensrügen ausgeführt werden, fehlt es an einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift im Sinne des § 345 Abs. 2 StPO . Danach muss die Revisionsbegründung, wenn sie nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben wird, durch eine vom Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift erfolgen. Diese Schrift hat dieser grundsätzlich selbst zu verfassen, zumindest an ihr gestaltend mitzuwirken. Dabei darf kein Zweifel daran bestehen, dass der Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernommen hat (BGH NStZ 2000, 211 ; BVerfG 64, 135, 152; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 345 Rdn.15 f. m. w. N.). An diesen Voraussetzungen fehlt es für den Teil der Revisionsbegründung, der die Verfahrensrügen enthält.

a) Dieser Teil stammt ersichtlich vom Angeklagten persönlich; sein Verteidiger hat hieran auch nicht gestaltend mitgewirkt. Dies ergibt sich aus dem äußeren Bild und dem Inhalt der Revisionsbegründungsschrift. Diese umfasst 353 Blatt ohne Anlagen. Sie ist in vier Teillieferungen jeweils am 20. Oktober 2004 beim Gericht eingegangen. Die Teile enthielten jeweils ein von Rechtsanwalt M. unterzeichnetes Vorblatt und den Hinweis, dass anliegend Teil 1 usw. von 5 Teilen überreicht werde. Von den beigefügten Begründungsteilen trägt lediglich Teil 4 seine Unterschrift. Die Vorblätter, die ersten beiden Blätter der Begründungsschrift mit der Formulierung der Anträge und die mit einer Paginierung von 1 bis 7 (in der Kopfzeile) versehenen Begründungsausführungen am Ende der gesamten Begründungsschrift weisen ein andersartiges einheitliches Schriftbild auf und sind teilweise auf Kopfbögen der Kanzlei gefertigt. Dagegen haben die übrigen Teile der Revisionsbegründung ein deutlich anderes Schriftbild mit anderen Schrifttypen, anderer Gliederung und Paginierung (auf der Fußzeile, nach Blatt 2 des Schriftsatzes Beginn wieder mit "1"). Dieser Teil endet mit Blatt 217, bevor danach wieder mit Seite 1 bis 7 die ersichtlich von Rechtsanwalt M. selbst stammende Begründung beginnt. Dass dieser den vorhergehenden Teil nicht verfasst hat, ergibt sich auch daraus, dass er zunächst für die formellen Rügen auf den vorhergehenden Teil verweist. Dies wäre unnötig, wenn er selbst diesen Teil gefertigt hätte.

Der Angeklagte war zur Fertigung des vorhergehenden Teils, der eine juristische Diktion aufweist, in der Lage, da er eine juristische Ausbildung und einen in Liberia erworbenen, in der Bundesrepublik jedoch nicht anerkannten Doktortitel hat. Die Weitschweifigkeit der schriftlichen Ausführungen, die u. a. bis auf Platon und Aristoteles zurückgreifen und seitenweise wörtliche Auszüge aus Aufsätzen und anderen Abhandlungen enthalten, ohne erkennbaren Bezug zu Fragen aufzuweisen, die im Rahmen einer Revisionsbegründung sinnvoll angesprochen werden müssen (vgl. u. a. etwa Bl. 181 bis 183 der Revisionsbegründung des Angeklagten), korrespondiert mit der ihm vom Sachverständigen attestierten Logorrhöe. Darauf, dass Rechtsanwalt M. an diesem Teil nicht gestaltend mitgewirkt hat, deutet neben der oben angeführten ungewöhnlichen Verweisung auch der Umstand hin, dass die beiden Verfahrensrügen vom Angeklagten zwar außerordentlich breit ausgeführt worden sind, aber die nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für die Zulässigkeit erforderlichen Verfahrenstatsachen fehlen (vgl. S. 3 der Antragsbegründung des Generalbundesanwalts). Gegen eine Mitgestaltung spricht auch, dass beide unterschiedlichen Begründungsteile zum Teil identische Rügen betreffen. Bei einer Bearbeitung durch Rechtsanwalt M. wäre aber zu erwarten gewesen, dass die dieselben Rügen betreffenden Begründungsteile zusammengeführt und - wie in Anwaltsschriftsätzen üblich - nach Sach- und Verfahrensrügen geordnet worden wären. Dies ist im Übrigen innerhalb des von Rechtsanwalt M. allein gefertigten Teils der Begründung geschehen.

b) Für die vom Angeklagten persönlich stammenden Begründungsteile ist zweifelhaft, ob sie durch die Unterzeichnung eines Rechtsanwaltes gedeckt sind. Zwar enthält die vierte Teillieferung am Ende die Unterschrift von Rechtsanwalt M.. Da dem aber sieben Seiten von ihm selbst gefertigte Ausführungen, die von Seite 1 bis 7 durchpaginiert sind, vorausgehen, spricht viel dafür, dass die Unterschrift auf Seite 7 auch nur diesen Teil abdeckt. Es kommt hinzu, dass die vorangegangenen Teile auf vier Einzellieferungen aufgeteilt waren, wobei die Aufteilung ohne Rücksicht auf die inhaltliche Struktur dieser Begründungskonvolute erfolgte und möglicherweise nur durch die Größe der jeweiligen Briefumschläge bestimmt war. Bei dieser Sachlage kann aber auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Unterschriften auf den jeweiligen Vorblättern den Inhalt des angefügten Schriftgutes abdeckten, da den Vorblättern eine nähere Kennzeichnung des Anhangs nach Inhalt, Gliederungspunkten oder nach Blattzahlen nicht zu entnehmen ist. Diese Zweifel führen zur Unwirksamkeit dieses Teils der Revisionsbegründung (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 345 Rdn. 16). Daher kann hier die Rechtsfrage offen bleiben, ob ausnahmsweise die Unterschrift auf einem Vorblatt genügen kann, wenn eindeutig ist, dass sie sich auf den gesamten Inhalt der beigefügten Schrift bezieht (so Kuckein in KK 5. Aufl. § 354 Rdn. 13; vgl. andererseits Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. Einl. 129).

c) Im Übrigen wären die Verfahrensrügen auch deswegen unzulässig gewesen, weil sie der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entsprechen, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat.

2. Soweit mit der Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts mit Schriftsatz vom 11. April 2005 weitere Verfahrenrügen erhoben werden, sind diese verspätet, da die Revisionsbegründungsfrist bereits mit dem 20. Oktober 2004 abgelaufen war. Im Übrigen spricht dieser Verfahrensfehler dafür, dass Rechtsanwalt M. auch diese Ausführungen ungeprüft und unbearbeitet weitergereicht hat.

II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung führt zur Teileinstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO in den Fällen IV. 3. und 4. der Urteilsgründe und zur Änderung des Schuldspruchs. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:

"Dem Schuldspruch wegen Untreue in 497 Fällen liegt der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft über Gelder, die der Gesellschaft von ihren Kommanditisten zur gewinnbringenden Anlage überlassen wurden, zu privaten Zwecken verfügt und dies durch das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Buchführung ermöglicht bzw. verschleiert (vgl. zusammenfassend UA S. 153). Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten zu Recht als Untreue bewertet (zur unordentlichen Buchführung vgl. LK-Schünemann, 11. Aufl. § 266 Rdnr. 92, 146). Dass bereits das Einwerben der Gelder möglicherweise den Tatbestand des Betrugs erfüllte, steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte durch seine Verfügungen den Schaden gefestigt und vertieft hat (vgl. Schünemann aaO. Rdnr. 167). Nicht gefolgt werden kann dem Urteil indessen insoweit, als es - entsprechend der Zahl der Geschädigten - selbständige Einzeltaten angenommen hat. Den Angeklagten traf zwar eine Treupflicht in Bezug auf jeden einzelnen Kommanditisten, zumal er deren Anteile treuhänderisch hielt (vgl. UA S. 26). Die Zahl der materiell-rechtlichen Handlungen hängt indessen nicht von der Anzahl der Verletzten, sondern von der Zahl der Verletzungshandlungen ab (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB , 26. Aufl. § 266 Rdnr. 54). Darüber gibt das Urteil keinen umfassenden Aufschluss, wobei es allerdings nahe liegt, dass die von Anfang an unordentliche und auf Täuschung angelegte Buchhaltung die einzelnen Schädigungshandlungen zu einer Tat im Rechtssinne verbindet. Nach Sachlage dürfte auszuschließen sein, dass ein neuer Tatrichter mit vertretbaren Mitteln konkretisierbare Einzeltaten feststellen könnte. Deshalb ist es gerechtfertigt, den Schuldspruch - wie beantragt - dahingehend zu ändern, dass der Angeklagte nur wegen eines Vergehens der Untreue in 497 rechtlich zusammentreffenden Fällen verurteilt wird (vgl. Schünemann aaO. Rdnr. 172; zur gleichartigen Tateinheit vgl. BGH wistra 1986, 67 m.w.N.). Der Angeklagte wird hierdurch nicht beschwert. Es ist auszuschließen, dass er sich gegen den geänderten Tatvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.

Wollte man die Tathandlung in der Vereinnahmung der Kommanditanteile und ihrer Vermischung mit dem Privatvermögen des Angeklagten sehen, so wäre die hierin liegende Untreuehandlung mitbestrafte Nachtat des in der jeweiligen Einwerbung liegenden Betrugs (vgl. Schünemann aaO. Rdnr. 167). Da die einzelnen Betrugshandlungen vom Angeklagten nicht eigenhändig vorgenommen wurden, ihm vielmehr nach den Grundsätzen der Mittäterschaft bzw. - bei gutgläubigen Vertretern - der mittelbaren Täterschaft zuzurechnen sind, hängt die Zahl der materiellrechtlichen Handlungen von den - ersichtlich nicht mehr aufklärbaren - Tatbeiträgen des Angeklagten ab. Auch in diesem Fall wäre nur von einer einzigen Tat auszugehen (vgl. Rissing-van Saan in LK, StGB , 11. Aufl., § 52 Rdnr. 16 m.w.N.).

Die Maßregel wird durch die vorbezeichneten Änderungen des Schuldspruchs nicht berührt. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe ist indessen durch eine Freiheitsstrafe in derselben Höhe zu ersetzen. Der nunmehr entfallene Vorwurf des Betrugs in zwei Fällen fällt gegenüber den verbleibenden Tatvorwürfen nicht ins Gewicht; ein Vergleich der vom Landgericht verhängten Einzelstrafen belegt dies. Die Änderung der Konkurrenzverhältnisse wirkt sich nicht auf Unrecht oder Schuldgehalt der Gesamttat aus (vgl. Kalf NStZ 1997, 66ff.; Basdorf NStZ 1997, 423). Der Senat wird deshalb ausschließen können, dass das Landgericht eine andere Strafe verhängt hätte, wäre es von vornherein von dem geänderten Schuldspruch ausgegangen."

Dem schließt sich der Senat an.

Im Übrigen wird ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt:

Das Landgericht hat bei der Verhängung des Berufsverbots den längeren zeitlichen Abstand zwischen den Taten und dem Urteil bedacht und ohne Rechtsfehler die Gefahr weiterer Straftaten bejaht (UA S. 179). Es hat ferner bei den teilweisen Rückzahlungen an die Geschädigten, die nach UA S. 55 ohnehin nur etwa 2 % der den abgeurteilten Fällen zugrunde liegenden Schadenssumme betragen, zu Recht einschränkend berücksichtigt, dass diese überwiegend der Vermeidung von Strafanzeigen und damit des vorzeitigen Zusammenbruchs des Geldbeschaffungssystems gedient haben. Eine echte Schadenswiedergutmachung lag hierin nicht.

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 08.03.2004