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BGH - Entscheidung vom 21.07.2005

IX ZR 193/01

Normen:
BGB § 675

Fundstellen:
AnwBl 2005, 719
BGHReport 2005, 1429
BRAK-Mitt 2005, 232
MDR 2005, 1394
NJW-RR 2005, 1585
WM 2005, 2108
ZGS 2005, 366

BGH, Urteil vom 21.07.2005 - Aktenzeichen IX ZR 193/01

DRsp Nr. 2005/12439

Pflichten des Rechtsanwalts bei Unklarheit über die Person des Anspruchsgegners

»Zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, der den Auftrag erhält, den Anspruch eines Mandanten durchzusetzen, welcher nicht sicher benennen kann, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen sein Vertragspartner ist.«

Normenkette:

BGB § 675 ;

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den beklagten Rechtsanwälten Schadensersatz, weil es ihnen nicht gelungen sei, einen ihm zustehenden Honoraranspruch durchzusetzen. Seiner Darstellung nach hatte er am 7. Juli 1993 mündlich den Auftrag erhalten, eine "Management-Analyse" in den neuen Bundesländern durchzuführen, die leitende Mitarbeiter zu privatisierender Gesellschaften betraf. Den Auftrag hatte der Zeuge G. erteilt, der Mitarbeiter der damaligen Treuhandanstalt war, ein Büro in den Kanzleiräumen der Rechtsanwälte S. unterhielt und einer mit der Privatisierung befaßten "Steuerungsgruppe" der Treuhandanstalt angehörte. Der Kläger führte Befragungen durch und hielt Seminare ab. Das ihm seiner Ansicht nach zustehende Honorar stellte er zunächst der "Treuhandanstalt Steuerungsgruppe", zu Händen von G., in Rechnung, dann den Rechtsanwälten S. mit dem Zusatz "Steuerungsgruppe der Treuhand". Alle in Betracht kommenden Auftraggeber - insbesondere die Rechtsanwälte S., die damalige Treuhandanstalt und die P. mbH - lehnten es ab, die Rechnungen des Klägers zu begleichen.

Noch im Jahr 1993 beauftragte der Kläger die beklagten Rechtsanwälte mit der Durchsetzung seines Honoraranspruchs, den er mit insgesamt netto 70.752,30 DM bezifferte. Die Beklagten erhoben Klage gegen die Rechtsanwälte S. als vermeintliche Mitglieder der "Steuerungsgruppe" und verkündeten G. den Streit. Die Klage wurde mit Urteil vom 3. Februar 1995 abgewiesen, weil G. für die Treuhandanstalt gehandelt habe und die Rechtsanwälte S. nicht einmal Mitglieder der "Steuerungsgruppe" gewesen seien. Eine am 25. Juli 1996 gegen G. als Vertreter ohne Vertretungsmacht eingereichte Klage wurde wegen Verjährung abgewiesen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger zunächst insgesamt 144.621,60 DM verlangt. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 104.530,91 DM verurteilt. In Höhe von 7.798,50 DM haben die Beklagten das Urteil hingenommen. Auf ihre die weitergehende Verurteilung betreffende Berufung hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen bis auf einen Betrag von (weiteren) 24.730,40 DM, der die Kosten des Prozesses gegen die Rechtsanwälte S. betraf; die Anschlußberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 25.090,69 DM als Zinsschaden.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist wegen eines Betrages von 1.249,71 DM nebst Zinsen unzulässig, welcher die auf die Anwaltskosten des Vorprozesses entfallende Umsatzsteuer betrifft. Insoweit ist die Revision nicht begründet worden (§ 554a Abs. 1 ZPO a.F.). Die weitergehende Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen des nicht durchgesetzten Honorars und des Zinsschadens verneint, weil es nicht Aufgabe der Beklagten gewesen sei, den Vertragspartner des Klägers zu ermitteln. Wer im Rechtssinne Auftraggeber gewesen sei, habe sich nicht klären lassen. Der Kläger habe selbst nicht gewußt, wen er als Auftraggeber habe ansehen sollen; die Rollen der "Steuerungsgruppe" und von G. seien unklar geblieben. Auch eine Streitverkündung gegenüber allen in Betracht kommenden Auftraggebern hätte nicht zur Feststellung des richtigen Anspruchsgegners geführt. Ersetzt verlangen könne der Kläger daher nur die vergeblich aufgewandten Kosten des Prozesses gegen die Rechtsanwälte S. abzüglich der auf das Anwaltshonorar entfallenden Umsatzsteuer von 1.249,71 DM.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalts hätte der Kläger von G. Erfüllung des am 7. Juli 1993 geschlossenen Vertrages oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen können (§ 179 Abs. 1 BGB ). Die Vorschrift des § 179 Abs. 1 BGB gilt entsprechend, wenn der Vertreter einen Vertrag namens einer nicht, noch nicht oder nicht mehr existenten Person geschlossen hat (BGHZ 63, 45 , 48 f; 105, 283, 285; Staudinger/Schilken, BGB (2004) § 179 Rn. 22 ff; Soergel/Leptien, BGB 13. Aufl. § 179 Rn. 9; MünchKomm-BGB/Schramm, 4. Aufl. § 179 Rn. 11 f; Erman/Palm, BGB 11. Aufl. § 179 Rn. 19) oder namens einer noch zu benennenden Person, deren Namen er später nicht angibt (BGHZ 129, 136 , 149 f). G. hat einen Auftrag erteilt, ohne daß über den Auftraggeber gesprochen worden ist. Nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Handelns war dieser Auftrag dem Geschäftsherrn zuzurechnen (vgl. RGZ 67, 148, 149; BGHZ 91, 148, 152; 92, 259, 268; BGH, Urt. v. 13. Oktober 1994 - IX ZR 25/94, NJW 1995, 43 , 44). Wer "Geschäftsherr" war, wer also die Befragungen und Seminare veranstalten und vor allem bezahlen sollte, war und blieb ungeklärt, weil G. die dazu notwendigen Angaben schuldig geblieben ist.

2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, im Wege der Streitverkündung lasse sich der richtige Anspruchsgegner nicht feststellen, trifft nur dann zu, wenn der Anspruchsteller im Verhältnis zu jedem in Betracht kommenden Anspruchsgegner beweispflichtig ist. Im Falle des § 179 Abs. 1 BGB trifft die Beweislast jedoch den Vertreter, nicht den Anspruchsteller. Der Kläger hätte also G. verklagen und den als Auftraggeber in Betracht kommenden natürlichen und juristischen Personen - der Treuhandanstalt, den Rechtsanwälten S., der P. mbH - den Streit verkünden können. Dann wäre ihm ein Anspruchsgegner sicher gewesen.

Entweder hätte G. den im Rahmen des § 179 Abs. 1 BGB ihm obliegenden Beweis geführt, namens und in Vollmacht der Treuhandanstalt oder eines anderen Auftraggebers gehandelt zu haben. Dann hätte dies auch im Folgeprozeß des Klägers gegen die Treuhandanstalt oder den sonstigen Auftraggeber festgestanden (§§ 74 , 68 ZPO ). Die Treuhandanstalt oder der sonstige Auftraggeber hätte auch die Kosten des erfolglosen Rechtsstreits gegen G. erstatten müssen, weil das wahrheitswidrige Leugnen, der Auftraggeber gewesen zu sein, Nebenpflichten aus dem Vertrag mit dem Kläger schuldhaft verletzt hätte. Eine Streitverkündung gegen bis dahin nicht bekannte Auftraggeber hätte noch während des Prozesses erfolgen können.

Oder G. hätte den Beweis nicht führen können. Dann wäre er gemäß § 179 Abs. 1 BGB dem Kläger nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet gewesen. Das hätte sogar dann gegolten, wenn G. eine Einlassung dazu verweigert hätte, in wessen Namen er gehandelt hat, oder sich dazu mit Nichtwissen erklärt hätte. Grundsätzlich ist zwar der Anspruchsteller im Rahmen des § 179 Abs. 1 BGB darlegungs- und beweispflichtig für das Tatbestandsmerkmal "Handeln in fremden Namen" (Staudinger/Schilken, aaO. Rn. 26; Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 179 Rn. 10). Für die Vertretungsmacht trifft jedoch den Vertreter die Beweislast (vgl. auch BGHZ 99, 50 , 52). Bei entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 1 BGB auf ein Handeln für eine nicht bestimmte oder nicht existente Person gilt gleiches für die Frage, ob die angeblich vertretene Person bestimmt wurde oder existent ist.

3. Aufgabe der Beklagten wäre es gewesen, dem Kläger diese Zusammenhänge zu erläutern, ihm eine Klage gegen G. aus § 179 Abs. 1 BGB zu empfehlen und ihm zu raten, den als Auftraggeber in Betracht kommenden natürlichen und juristischen Personen den Streit zu verkünden. Das haben sie auch ihrem eigenen Vorbringen nach nicht getan. Nach der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (vgl. BGHZ 123, 311 , 314 ff) hätte der Kläger diese Ratschläge befolgt und entsprechenden Klageauftrag erteilt. Dann hätte er seinen Honoraranspruch nicht verloren. Entweder wäre der wirkliche Auftraggeber - für diesen bindend - ermittelt worden (§§ 74 , 68 ZPO ), oder G. wäre nach Wahl des Klägers zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verurteilt worden.

III. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob und in welcher Höhe dem Kläger ein Honoraranspruch zustand. Die Beklagten haben den Umfang des von G. erteilten Auftrags bestritten und Mängel der vom Kläger erbrachten Leistungen eingewandt. Hinsichtlich des zusätzlich geltend gemachten Zinsschadens wird zu prüfen sein, ob dieser auch bei rechtzeitiger Klage gegen G. oder den "wirklichen" Auftraggeber eingetreten und gegebenenfalls von diesem als Verzugsschaden zu ersetzen gewesen wäre.

Vorinstanz: OLG München, vom 31.05.2001
Vorinstanz: LG München I,
Fundstellen
AnwBl 2005, 719
BGHReport 2005, 1429
BRAK-Mitt 2005, 232
MDR 2005, 1394
NJW-RR 2005, 1585
WM 2005, 2108
ZGS 2005, 366