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BGH - Entscheidung vom 08.03.2005

3 StR 22/05

Normen:
StGB § 64

BGH, Beschluß vom 08.03.2005 - Aktenzeichen 3 StR 22/05

DRsp Nr. 2005/5909

Erfolgsaussichten der Therapie trotz früherem Rückfall

Die Anordnung der Unterbringung ist regelmäßig nicht allein deshalb aussichtslos, weil es bereits zu einem einmaligen Rückfall des Angeklagten nach einer ambulanten Therapie bei einer Drogenberatungsstelle gekommen ist.

Normenkette:

StGB § 64 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1. Die auf die Sachrüge veranlaßte Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zur Festsetzung der Einzelstrafen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe ist hingegen rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die in Betracht kommende Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB nicht geprüft hat.

Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Straftaten (zwischen dem 5. November 2003 und dem 16. Dezember 2003) begangen, bevor er durch das Amtsgericht Viersen am 1. März 2004 wegen Diebstahls zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Danach kommt die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe - aus den Einzelstrafen des angefochtenen Urteils (sieben Mal sechs Monate Freiheitsstrafe) und der Freiheitsstrafe von neun Monaten aus der Vorverurteilung - in Betracht. Ob die weiteren Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gegeben sind, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen indes nicht abschließend überprüfen, weil das Landgericht weder die Tatzeit des dem Urteil des Amtsgerichts Viersen zugrundeliegenden Diebstahls (vgl. BGHSt 32, 190 , 193), noch den Vollstreckungsstand der für diese Tat verhängten, ab dem 21. April 2004 vollstreckten Freiheitsstrafe mitteilt.

3. Der Rechtsfolgenausspruch kann auch insoweit keinen Bestand haben, als das Landgericht eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB ) unterlassen hat. Zur Prüfung der Frage, ob diese Maßregel anzuordnen ist, hätte sich die Strafkammer angesichts der bisherigen Feststellungen veranlaßt sehen müssen.

Der 28jährige Angeklagte kam erstmals im Alter von 20 Jahren mit Drogen in Kontakt, rauchte damals gelegentlich Joints und begann nach einem Jahr mit dem Konsum von Heroin, das er zunächst rauchte, später jedoch auch spritzte. Nach einer Drogentherapie rauchte der Angeklagte im Jahre 2003 erneut Joints, konsumierte später wiederum Heroin und gelegentlich Kokain. Die Strafkammer hat seine Drogenabhängigkeit festgestellt und ist deswegen - allerdings ersichtlich ohne Beachtung der hierzu bestehenden Rechtsprechung (vgl. Weber, BtMG 2. Aufl. vor § 29 Rdn. 336 ff.) - zu Gunsten des Angeklagten von seiner bei Begehung der Taten verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgegangen. Ein Teil des Kurierlohnes, den sich die Mitangeklagte durch die Einfuhr von Betäubungsmitteln - Haschisch und Marihuana im Kilobereich - verdiente, wurde auch für die Drogen des Angeklagten ausgegeben. Der Angeklagte hat die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge seiner damaligen Lebensgefährtin "im wesentlichen" aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen. Schließlich beabsichtigt der Angeklagte, eine Drogentherapie zu beginnen.

Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Daß keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (BVerfGE 91, 1 ), kann den Urteilsgründen trotz der einmaligen Rückfälligkeit des Angeklagten nach einer ambulanten Therapie bei einer Drogenberatungsstelle nicht entnommen werden.

Die Teilaufhebung berührt den Strafausspruch nicht. Der Senat kann ausschließen, daß die Einzelstrafen bei Anordnung der Unterbringung niedriger ausgefallen wären.

Vorinstanz: LG Mönchengladbach, vom 29.07.2004