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BGH - Entscheidung vom 06.10.2005

III ZR 276/03

Normen:
BGB § 730

BGH, Urteil vom 06.10.2005 - Aktenzeichen III ZR 276/03

DRsp Nr. 2005/18317

Einseitige Ansprüche bei Auseinandersetzung unter Freiberuflern

Die Bestimmungen der §§ 730 bis 736 BGB über die Auseinandersetzung der BGB -Gesellschaft haben dispositiven Charakter. Daher besteht die Möglichkeit, bei der Auseinandersetzung einer aus Freiberuflern bestehenden Sozietät, die Auseinandersetzung dadurch zu vollziehen, dass die Ausscheidenden ihre Mandate mitnehmen und im Übrigen die Sachwerte aufgeteilt werden.

Normenkette:

BGB § 730 ;

Tatbestand:

Der Kläger zu 2 (im Folgenden: der Kläger), ein Rechtsanwalt, gründete durch Vertrag vom 9. November 1987 gemeinsam mit den Gesellschaftern G. und R. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im folgenden: Ursprungs-GbR), deren Gegenstand die für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten waren. Aufgrund eines Vertrages vom 16. Dezember 1991 trat der Steuerberater W. in die Ursprungs-GbR ein. Im Jahre 1992 errichtete die Ursprungs-GbR eine Außenstelle in L., zu deren Leiterin die Beklagte bestellt wurde. Die Beklagte war in den Bereichen Buchhaltung und Rechnungswesen tätig.

Der Gesellschafter W. kündigte den Gesellschaftsvertrag fristgerecht zum 31. Oktober 1994. Auch der Gesellschafter G. kündigte den Vertrag, und zwar außerordentlich zum 31. August 1994. Während die Kündigung W. unstreitig wirksam war, bestand über die Wirksamkeit der Kündigung G. Streit. Die Rechtsstellung G. zur Ursprungs-GbR, insbesondere das Bestehen etwaiger Ansprüche gegen diese, ist noch nicht endgültig geklärt. Die beiden übrigen Gesellschafter, der Kläger und R., betreuten die ihnen zugeordneten Mandate, darunter auch diejenigen, die auf die Außenstelle L. entfielen, unter Gesellschaft bürgerlichen Rechts "R. und T." weiter. Im Innenverhältnis wurden die Mandate der Außenstelle L. dem Kläger zugeordnet. Diese Gesellschaft wurde zum 31. Oktober 1996 aufgelöst. Auch in später gegründeten weiteren Sozietäten mit wechselndem Mitgliederbestand verblieb die Bearbeitung der Mandate der Außenstelle L. beim Kläger. Mit Schreiben vom 26. Mai 1997 an die Sozietät R. und T., zu Händen des Klägers, kündigte die Beklagte das Rechtsverhältnis, unter anderem mit der Begründung, sie sei im Unklaren darüber, mit welcher der verschiedenen Sozietäten sie in einem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis stehe. Nachfolgende Verhandlungen über einen Ankauf des mit der Außenstelle in L. verbundenen Mandantenstamms durch die Beklagte scheiterten.

Der Kläger trägt vor, er persönlich sei nach der Auflösung der Ursprungs-GbR und nach der Gründung der Folgegesellschaften mit deren jeweils wechselndem Mitgliederbestand Alleininhaber der die Außenstelle L. betreffenden Mandate geworden und geblieben. Deswegen sei die Beklagte ihm persönlich für die Geschäftsführung dieser Mandate verantwortlich. Er wirft der Beklagten vor, sie verweigere ihm die Einsicht in die die Zweigstelle betreffenden Geschäftsunterlagen. Durch die Vorenthaltung dieser Unterlagen habe sie einen gewinnbringenden Verkauf der Außenstelle an Dritte verhindert. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger - ursprünglich gemeinsam mit der früheren, am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Klägerin zu 1 - die Beklagte mit gestaffelten Anträgen auf Herausgabe von Unterlagen, Auskunft und Abrechnung, sowie auf Zahlung von Schadensersatz und auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche beruhen auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag oder auf Geschäftsführung ohne Auftrag, wobei - soweit der Kläger der Beklagten vorwirft, unberechtigt Steuerberatungstätigkeit zu seinen Lasten ausgeübt zu haben - auch an angemaßte Eigengeschäftsführung (§ 687 BGB ) gedacht werden mag.

2. Das Berufungsgericht verneint eine Aktivlegitimation des Klägers für diese Ansprüche. Es meint, er habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Außenstelle L. auf ihn übergegangen sei. Auftraggeberin, Dienstherrin oder Prinzipalin der Beklagten sei die Ursprungs-GbR gewesen. Für eine Auflösung dieser Gesellschaft im Verhältnis zur Beklagten fehle es an hinreichend substantiiertem Sachvortrag, insbesondere hinsichtlich der Wirksamkeit des Ausscheidens des Ursprungsgesellschafters G.. Mit Beschluss der Gesellschafter über die Auflösung der Gesellschaft entstehe die sogenannte Auflösungsgesellschaft nach § 730 Abs. 2 BGB , mit der Folge, dass sämtliche Gesellschafter an der Auflösung der Gesellschaft mitwirken müssten und sie deshalb nur gemeinschaftlich für die Geltendmachung sämtlicher Auskunfts-, Herausgabe- und eventueller Schadensersatz- und sonstiger Ansprüche zuständig seien.

3. Diese Argumentation des Berufungsgerichts beruht auf einer Verkennung der Tragweite der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungsvorschriften der §§ 730 - 736 BGB . Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die dortigen Bestimmungen samt und sonders dispositiven Charakter haben (s. dazu insbesondere MünchKomm/Ulmer, BGB , 4. Aufl. 2004 § 730 Rn. 63; § 731 Rn. 3). Daher besteht insbesondere bei Freiberuflern die Möglichkeit, die Auseinandersetzung dadurch zu vollziehen, dass die Ausscheidenden ihre Mandate mitnehmen und im übrigen die Sachwerte aufgeteilt werden, z.B. auch im Wege der Übernahme durch die verbleibenden Gesellschafter (st. Rspr. des II. Zivilsenats; vgl. Urteil vom 6. Dezember 1993 - II ZR 242/92 = NJW 1994, 796 ; Urteil vom 6. März 1995 - II ZR 97/94 = NJW 1995, 1551 ; Urteil vom 8. Mai 2000 - II ZR 308/98 = NJW 2000, 2584 ).

4. Derartige Vereinbarungen werden hier schon durch den unstreitigen Geschehensablauf nahe gelegt; zum anderen sind sie vom Kläger hinreichend schlüssig vorgetragen, teilweise durch zu den Akten gereichte schriftliche Erklärungen der ehemaligen Mitgesellschafter urkundlich dokumentiert und im übrigen durch deren Zeugnis unter Beweis gestellt.

a) Die Beklagte hatte bereits in ihrer Klageerwiderung nicht bestritten, dass die Ursprungs-GbR zum Ende des Jahres 1994 ihre Tätigkeit eingestellt hatte und in der Folgezeit als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen dem Kläger und dem Mitgesellschafter R. fortgeführt wurde. Auch aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten ergeben sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass ab diesem Zeitpunkt die ausgeschiedenen Gesellschafter der Ursprungs-GbR auf die Mandate der Außenstelle L. irgendwelchen rechtlichen oder auch nur faktischen Einfluss nehmen wollten oder konnten. Für die Folgegesellschaften liegen schriftliche Erklärungen der Mitgesellschafter K. R. und A. H. vor, wonach die Außenstelle allein dem Kläger zugeordnet war.

b) Dies hatte die rechtliche Konsequenz, dass unbeschadet der Frage, ob die Rechtsstellung des Ursprungsgesellschafter G. im Verhältnis zur Ursprungs-GbR abschließend geklärt und abgewickelt war, jedenfalls auf der Grundlage des der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalts die Mandate der Außenstelle L. in die Zuständigkeit des Klägers übergegangen waren und dass die Beklagte nunmehr ihre Geschäftsbesorgungsleistungen gegenüber dem Kläger erbrachte. Dies hatte die weitere Folge, dass sie dem Kläger für die ordnungsgemäße Verwaltung vertraglich und haftungsrechtlich verantwortlich war. Im Ergebnis würde nichts anderes gelten, wenn statt des Klägers allein zunächst die Folgegesellschaften für die Außenstelle L. zuständig gewesen wären. Denn deren Mitgesellschafter waren, wie sich aus ihren bei den Akten befindlichen schriftlichen Erklärungen ergibt, zumindest damit einverstanden, dass nach der Auflösung der Folgegesellschaften die Außenstelle L. vom Kläger allein betreut wurde.

c) Erst recht gilt dies - wie die Revision zutreffend hervorhebt - für solche Mandate, die erst nach dem Ausscheiden der Ursprungs-GbR aus der Teilnahme am aktiven Rechts- und Geschäftsverkehr überhaupt akquiriert worden waren und die nach dem Vortrag des Klägers den Großteil der streitgegenständlichen Ansprüche ausmachen sollen. Für diese Neumandate fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten für eine Fortdauer der Zuständigkeit der Ursprungs-GbR.

5. Das Berufungsurteil kann daher mit der ihm gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, nunmehr etwa noch streitig gebliebenen Fragen zur Aktivlegitimation nachzugehen und in eine Sachprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen Ansprüche einzutreten. Dabei ist im gegenwärtigen Revisionsverfahren noch nicht darüber zu befinden, ob das diesbezügliche klagebegründende Vorbringen des Klägers bis in die letzten Verästelungen hinreichend substantiiert ist. Da es - vom bisherigen Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus folgerichtig - auf diese Frage noch nicht ankam, ist dem Kläger gegebenenfalls Gelegenheit zu geben, etwaige Mängel seines Sachvortrags auf richterlichen Hinweis zu beheben.

Vorinstanz: OLG Brandenburg, vom 10.09.2003