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BGH - Entscheidung vom 20.04.2005

IV ZR 237/03

Normen:
AUB 61 § 13 (3) a

Fundstellen:
BGHReport 2005, 1104
MDR 2005, 1048
NJW-RR 2005, 974
VersR 2005, 927
zfs 2005, 452

BGH, Urteil vom 20.04.2005 - Aktenzeichen IV ZR 237/03

DRsp Nr. 2005/8536

Bewertung der Invalidität bei nicht abgeschlossener Heilbehandlung in der Unfallversicherung

»Ist vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 eine Heilbehandlung eingeleitet, aber nicht abgeschlossen, so hat ein nur zeitweise eingetretener Erfolg oder ein zum Zeitpunkt des Fristablaufs noch ungewisser Erfolg der Behandlung bei der Bewertung der Invalidität außer Betracht zu bleiben. Demgegenüber ist eine mit der Heilbehandlung notwendigerweise verbundene, vor Ablauf der Dreijahresfrist eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten (hier: Verlust des körpereigenen Knies im Rahmen einer Knietransplantation) zu berücksichtigen (Fortführung der Senatsurteile vom 28. Februar 1990 - IV ZR 36/89 - VersR 1990, 478 und vom 17. Oktober 1990 - IV ZR 178/89 - VersR 1991, 57 ).«

Normenkette:

AUB 61 § 13 (3) a ;

Tatbestand:

Der Kläger hält bei der Beklagten eine Unfallversicherung, der u.a. die AUB 61, eine Progressionsstaffel (225%) und Besondere Bedingungen für die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Ärzten, Zahnärzten und Heilpraktikern zugrunde liegen. Er hat am 21. Juni 1995 bei einem Unfall einen kniegelenksnahen Oberschenkelbruch mit Begleitverletzungen am rechten Kniegelenk (Abriß des vorderen Kreuz- und des Außenbandes) erlitten und fordert von der Beklagten eine über - vorgerichtlich geleistete - 208.334 DM hinausgehende Invaliditätsentschädigung, nachdem das verletzte Bein inzwischen in Höhe des Oberschenkels amputiert werden mußte.

Mit ärztlichem Attest vom 31. Juli 1996 wurde dem Kläger bescheinigt, daß unfallbedingte Dauerschäden eingetreten waren. Eine posttraumatische Infektion des verletzten Kniegelenks führte im weiteren zum Verlust der Kniescheibe. Ein von der Beklagten eingeholtes ärztliches Gutachten gelangte im November 1996 zu dem Ergebnis, das rechte Bein des Klägers werde um zwei Drittel im Gebrauch gemindert bleiben, falls es nicht gelinge, die Belastbarkeit durch eine operative Versteifung des Kniegelenks zu erhöhen und die - mittlerweile chronische - Infektion zur Ruhe zu bringen. Bei Erfolg dieser Maßnahme werde die Gebrauchsbeeinträchtigung des Beines voraussichtlich noch 50% betragen.

Anstelle der operativen Versteifung des Kniegelenks entschloß sich der Kläger dazu, am 31. Juli 1997 die Transplantation eines menschlichen Kniegelenks durchführen zu lassen, deren postoperativer Verlauf sich zunächst unauffällig gestaltete. Der operierende Arzt führte am 10. Februar 1998 im Rahmen eines von der Beklagten eingeholten Gutachtens aus, derzeit bestehe nach erfolgreicher Transplantation eine Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beins von einem Drittel, jedoch sei ein Endzustand noch nicht erreicht. Sofern das Transplantat langfristig nicht abgestoßen werde und die Osteotomien (operativen Knochendurchtrennungen) knöchern konsolidiert seien, werde voraussichtlich eine dauernde Funktionsbeeinträchtigung von einem Viertel zurückbleiben.

Mit Schreiben vom 18. Mai 1998 übersandte die Beklagte dem Kläger zwei von ihr eingeholte ärztliche Stellungnahmen. In dem Schreiben heißt es weiter:

"... Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen sind wir bereit, den Schaden auf der Basis 1/3 Gebrauchsbeeinträchtigung für das rechte Bein abzurechnen.

Nach § 8 II (2) der AUB gilt bei vollständiger Gebrauchsunfähigkeit des betroffenen Körperteils ein Invaliditätsgrad von 70%. Aufgrund der festgestellten Teilbeeinträchtigung ergibt sich somit ein Invaliditätsgrad von 23,333%.

... außerdem ... wird als Unfallfolge die dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit aufgrund der andauernden Immunsuppression mit Medikamenten mit 10% eingeschätzt.

Der festgestellte Gesamtinvaliditätsgrad beträgt somit 33,333%. Unter Berücksichtigung der zum Unfallzeitpunkt versicherten Invaliditätssumme von DM 500.000,00 sowie der vertraglich vereinbarten progressiven Invaliditätsstaffel (225%) ergibt sich folgende Leistungsabrechnung:

25,00% aus der einfachen Versicherungssumme

= 25,00% von DM 500.000,00 = DM 125.000,00

8,33% aus der 2fachen Versicherungssumme

= 8,33% von DM 1.000.000,00 = DM 83.334,00

Leistungsbetrag DM 208.334,00

- bereits gezahlt DM 100.000,00

verbleibender Leistungsbetrag DM 108.334,00

Damit wir Ihnen den obigen Leistungsbetrag per Überweisung zur Verfügung stellen können, bitten wir um Bekanntgabe Ihrer aktuellen Bankverbindung in Deutschland ... Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen ..."

Unter dem 26. Mai 1998 erwiderte der Kläger:

"... Ich bin bereit, den vorliegenden Regulierungsvorschlag anzunehmen. Bitte überweisen Sie auf mein Konto ...

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit noch für die Kooperation Ihrerseits bedanken. Besonders für die geleistete Vorauszahlung ..."

Ab September 1998 kam es zu Komplikationen bei der knöchernen Konsolidierung des eingesetzten Knies. Am 28. März 2000 mußte das rechte Bein des Klägers in Höhe des Oberschenkels amputiert werden.

Der Kläger hat die Neufestsetzung seiner Invalidität begehrt. Nunmehr ausgehend von einem Invaliditätsgrad von insgesamt 80% (voller Beinwert von 70% plus 10% wegen medikamentöser Immunsuppression), welcher nach der vereinbarten Progressionsstaffel die Versicherungsleistung auf 165% der Versicherungssumme erhöht, hat der Kläger eine Versicherungsleistung von insgesamt 825.000 DM errechnet und deshalb die Zahlung weiterer 616.666 DM gefordert. Dazu trägt er vor, die drohende Amputation seines Beines sei zum Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 bereits absehbar gewesen.

Die Beklagte meint, die Parteien hätten mit dem Schriftwechsel vom Mai 1998 eine endgültige Regulierung des Unfallschadens herbeigeführt, der Kläger habe mit seinem schriftlichen Einverständnis vom 26. Mai 1998 wirksam auf weitere Versicherungsleistungen verzichtet. Im übrigen sei der Verlust des Beines nicht innerhalb der 15-Monatsfrist des § 8 II (1) AUB 61 ärztlich festgestellt worden und seien die Abstoßung des Implantats und die Notwendigkeit der Beinamputation zum Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 nicht ausreichend sicher vorhersehbar gewesen. Vielmehr sei damals noch mit einer erfolgreichen Einheilung des Transplantates zu rechnen gewesen. Selbst eine Unsicherheit über den Erfolg der Transplantation bei Ablauf der Dreijahresfrist gehe hier zu Lasten des Klägers.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hat allerdings angenommen, daß dann, wenn der Prognose zum Ablauf der Dreijahresfrist ein Fehlschlagen der Transplantation und die Amputation des Beines zugrunde zu legen sei, auch die dann nicht mehr erforderliche medikamentöse Immunsuppression keine Berücksichtigung mehr finden könne. Ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 70% (voller Beinwert) und der vereinbarten Progressionsstaffel hat es die Beklagte unter Berücksichtigung bereits geleisteter 208.334 DM zu einer weiteren Invaliditätsentschädigung von 466.666 DM (238.602,54 EUR) verurteilt.

Das allein von der Beklagten angerufene Berufungsgericht hat - insoweit unter Zurückweisung der Berufung - die noch zu erbringende Invaliditätsentschädigung auf 69.876,22 EUR herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Im Wege der Anschlußrevision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg, die Anschlußrevision war zurückzuweisen.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden im Rahmen der Neubemessung seiner Invalidität auf der Grundlage der Gliedertaxe des § 8 II (2) b AUB 61 und der vereinbarten Progressionsstaffel ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 46,66 % (2/3 des Beinwertes von 70%) nach Abzug der bereits erbrachten Zahlungen (208.334 DM) nur noch weitere 69.876,22 EUR (136.666 DM) zu.

Zwischen den Parteien sei unstreitig, daß innerhalb der Jahresfrist des § 8 II (1) AUB 61 ein Dauerschaden eingetreten sei, der auch innerhalb der 15-Monatsfrist ärztlich festgestellt worden sei und den der Kläger binnen gleicher Frist geltend gemacht habe (§ 8 II (1) AUB 61). Die ärztliche Feststellung der Invalidität habe auch den schließlich eingetretenen Totalverlust des Beines durch Amputation umfaßt, der sich als eine Komplikation im Rahmen der weiteren Behandlung der eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung darstelle.

Bei der Bemessung des maßgeblichen Invaliditätsgrades sei die erst nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 durchgeführte Amputation des Beines allerdings ebensowenig zu berücksichtigen wie der nach der Knietransplantation nur kurzfristig eingetretene Teilerfolg, der sich in einer Gebrauchsminderung des Beines von einem Drittel niedergeschlagen und zur Regulierungsentscheidung der Beklagten geführt habe. Entscheidend sei nach § 13 (3) a AUB 61 allein der zu Ende der Dreijahresfrist gegebene oder prognostizierbare Dauerzustand. Später eintretende Verbesserungen oder Verschlechterungen seien nicht zu berücksichtigen. Unterziehe sich der Versicherungsnehmer - wie hier - einer neuartigen Heilmethode, komme es darauf an, ob innerhalb der Dreijahresfrist ein dauerhafter (Teil-)Erfolg eingetreten sei. Könne ein solcher zum Stichtag nicht festgestellt werden, müßten ein etwaiger zeitweiser Erfolg und die erfolgte Heilbehandlung (hier die Transplantation) außer Betracht bleiben und es sei statt dessen auf den durch das Unfallgeschehen verursachten Invaliditätsgrad abzustellen.

Vorliegend habe der vom Gericht bestellte Sachverständige überzeugend dargelegt, daß bei Ablauf der Dreijahresfrist noch offen gewesen sei, ob die Knietransplantation, ein neuartiges Verfahren, über dessen Langzeitfolgen noch keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen, letztlich zu einem dauerhaften Erfolg habe führen können. Deshalb ergebe sich der Invaliditätsgrad vorliegend unter Außerachtlassung der Transplantation und der Amputation allein aus dem von der Beklagten vor Durchführung der Knietransplantation im November 1996 eingeholten ärztlichen Gutachten, nach dessen nachvollziehbarer Prognose eine unfallbedingte Gebrauchsminderung des rechten Beins von zwei Dritteln eingetreten war. Hinreichend substantiierte Einwände gegen dieses Gutachten habe der Kläger nicht erhoben. Umgekehrt gehe es nicht zu seinen Lasten, daß er nicht die seinerzeit angeregte Knieversteifung habe durchführen lassen, denn bei medizinisch unklarer Prognose stehe dem Versicherungsnehmer die Wahl der Behandlungsmethode frei.

Der Kläger sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht durch den Schriftwechsel der Parteien im Mai 1998 gehindert, die Neufestsetzung der Invalidität zu verlangen. Denn ein deklaratorischer oder konstitutiver Schuldbestätigungsvertrag im Sinne einer abschließenden vergleichsweisen Regelung über die Höhe der zu leistenden Entschädigung sei nicht zustande gekommen. Die Beklagte sei mit dem Schreiben vom 18. Mai 1998 lediglich ihrer Verpflichtung zur Erklärung über die Leistungspflicht aus § 11 AUB 61 nachgekommen. Da eine solche Erklärung nur dazu diene, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen, führe die Annahme der Erklärung regelmäßig nicht zu einem Schuldbestätigungsvertrag (vgl. BGHZ 66, 250). Besondere Umstände, aus denen sich ergäbe, daß die Parteien vorliegend anderes bezweckt hätten, seien nicht ersichtlich.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Berufungsgericht bei Bemessung des Invaliditätsgrades die noch vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 eingetretenen nachteiligen Folgen der Knietransplantation, die zu einer völligen Gebrauchsuntauglichkeit des verletzten Beins geführt haben, nicht berücksichtigt hat.

1. Im Ansatz zutreffend ist es zwar davon ausgegangen, daß bei der für Unfallversicherungsleistungen wegen Invalidität maßgeblichen Beurteilung des Invaliditätsgrades nach dem hier anzuwendenden § 13 (3) a AUB 61 auf den drei Jahre nach dem Unfall vorliegenden und den zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d.h. hinreichend prognostizierbaren Dauerzustand abzustellen ist (BGHZ 130, 171 , 181 m.w.N.). Spätere Veränderungen - seien sie positiv oder negativ - haben demgegenüber außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteile vom 8. Juli 1981 - IVa ZR 192/80 - VersR 1981, 1151 unter II 2; vom 13. April 1988 - IVa ZR 303/86 - VersR 1988, 798).

Ist vor Ablauf der Dreijahresfrist eine Heilbehandlung eingeleitet, aber nicht abgeschlossen, so hat ein nur zeitweise eingetretener Erfolg keinen Einfluß auf die Bewertung der Invalidität (BGH, Urteile vom 28. Februar 1990 - IV ZR 36/89 - VersR 1990, 478 unter 3; vom 17. Oktober 1990 - IV ZR 178/89 - VersR 1991, 57 unter 3). Ebenso ist der angestrebte Erfolg einer Heilbehandlungsmaßnahme dann nicht zu berücksichtigen, wenn das ärztliche Urteil - unter Bewertung aller bis zum Ablauf der Dreijahresfrist erkennbar gewordenen Tatsachen - wie hier dahin geht, es könne noch nicht gesagt werden, daß die Heilmaßnahme mit dauerhaftem Erfolg oder Teilerfolg durchgeführt worden sei (BGH aaO.).

2. Das Berufungsgericht hat weitergehend angenommen, im Falle des Klägers müßten sowohl die nicht durchgeführte künstliche Versteifung des Beins als auch die statt dessen erfolgte Knietransplantation für die Bewertung der Invalidität insgesamt außer Betracht bleiben, letztere deshalb, weil nach dem Ergebnis des gerichtlich eingeholten Gutachtens zum Ende der Dreijahresfrist noch nicht vorauszusehen gewesen sei, ob es zu einer endgültigen knöchernen Einheilung des Spenderknies und damit zu einem dauerhaften Erfolg der Transplantation kommen werde. Es hat deshalb auf den Zustand des Beins vor Beginn der Transplantation entsprechend der im Gutachten vom November 1998 festgestellten unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigung von zwei Dritteln des Beinwertes zurückgegriffen.

3. Dabei hat es jedoch nicht ausreichend bedacht, daß lediglich ein nach durchgeführter Heilbehandlung nicht hinreichend sicher prognostizierbarer Erfolg, nicht jedoch zugleich feststehende, durch die Heilbehandlung selbst geschaffene negative Veränderungen unberücksichtigt bleiben müssen. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung im Ergebnis einen Zustand des geschädigten Beines zugrundegelegt, wie er zwar noch im ärztlichen Gutachten vom November 1996 beschrieben worden, bei Ablauf der Dreijahresfrist im Juni 1998 aber nicht mehr gegeben war. Denn mit der durchgeführten Knietransplantation war - ungeachtet späterer möglicher Erfolgsaussichten dieser Maßnahme - zunächst insoweit eine unumkehrbare Zerstörung des Beines verbunden, als dessen körpereigenes Kniegelenk herausgetrennt worden war. Nach dieser Operation gab es das im Gutachten vom November 1996 beschriebene, lediglich zu 2/3 in seiner Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigte Bein nicht mehr. Statt dessen lebte der Kläger fortan mit einem gebrauchsuntauglichen Bein ohne körpereigenes Knie und hatte lediglich die Hoffnung, dieser Zustand werde sich später dadurch bessern, daß - wie es zunächst auch den Anschein hatte - das Spenderkniegelenk komplikationsfrei anwachsen und so zu einer dauerhaften Verbesserung der Gebrauchsfähigkeit des Beines führen werde. Lediglich dieser nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen bei Ablauf der Dreijahresfrist noch nicht absehbare Erfolg der Transplantationsmaßnahme hatte bei der Bewertung der Invalidität außer Betracht zu bleiben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Februar 1990 aaO. unter 2). Dagegen mußte das Berufungsgericht seiner Bewertung als feststehend zugrunde legen, daß das Bein zum Ende der Dreijahresfrist infolge des Verlustes des ursprünglichen Kniegelenks völlig gebrauchsuntauglich war. Insoweit hat der Kläger den von ihm zu erbringenden Beweis geführt. Den der Beklagten obliegenden (vgl. dazu BGH aaO. unter 3) Beweis dafür, daß - nach der Prognose zum Ende der Dreijahresfrist - der beschriebene Zustand behoben oder zumindest gebessert werden konnte, hat sie demgegenüber nicht erbracht.

4. Aus dem Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 (aaO.) ergibt sich nichts anderes. Dort lag zugrunde, daß der Versicherer den Versicherungsnehmer, der sich einen Oberschenkelhalsbruch mit nachfolgender Hüftkopfnekrose zugezogen hatte, zur Verminderung des Invaliditätsgrades auf die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks verweisen wollte. Eine solche Operation, welche der Versicherungsnehmer ablehnte und deren dauerhafter Erfolg nicht absehbar war, hatte aber nicht stattgefunden. Nur deshalb war es in jenem Falle gerechtfertigt, diese Behandlungsmaßnahme bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades insgesamt unberücksichtigt zu lassen.

5. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, es könne dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe mit seiner Entscheidung für die riskante Transplantation die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes selbst herbeigeführt. Der Senat hat bereits früher ausgesprochen, daß es die höchsteigene Entscheidung des Patienten bleiben muß, ob er sich einem so wesentlichen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit angesichts der Risiken einerseits und der Heilungschance andererseits unterzieht (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1990 aaO.). Dem Unfallversicherer gegenüber besteht insoweit keine Verpflichtung oder Obliegenheit des Versicherungsnehmers, von riskanten Operationen abzusehen, solange diese - wie hier - medizinisch vertretbar erscheinen.

6. Ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 70% (dem vollen Beinwert nach § 8 II (2) b und (3) AUB 61) hat der Kläger nach der vereinbarten Progressionsstaffel Anspruch auf insgesamt 135% der Versicherungssumme von 500.000 DM, mithin 675.000 DM. Abzüglich bereits geleisteter 208.334 DM ergibt sich der bereits vom Landgericht zuerkannte Betrag von 238.602,54 EUR (466.666 DM).

III. Die Anschlußrevision der Beklagten wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Schriftwechsel der Parteien im Mai 1998 habe nicht zu einer endgültigen Regelung über die Höhe der Invaliditätsentschädigung geführt, die einer Neubemessung des Invaliditätsgrades entgegenstehe.

Dieses Ergebnis hat es aufgrund einer Auslegung der beiden zwischen den Parteien gewechselten Schreiben gewonnen. Diese ist als tatrichterliche Würdigung vom Revisionsgericht nur beschränkt (BGHZ 65, 107 , 110) daraufhin überprüfbar, ob dabei gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder sie auf Verfahrensfehlern beruht, etwa indem unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer acht gelassen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - NJW 1992, 1967 unter II 3 a m.w.N.). Solche Rechtsfehler macht die Anschlußrevision nicht geltend. Vielmehr geht es ihr darum, die Auslegung des Tatrichters durch eine eigene, vermeintlich bessere zu ersetzen. Damit kann sie keinen Erfolg haben, zumal das Berufungsgericht erkennbar die vom Senat bereits im Urteil vom 24. März 1976 (BGHZ 66, 250, 256 f.) aufgestellten Leitlinien beachtet hat.

Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 24.09.2003
Vorinstanz: LG Wiesbaden, vom 25.07.2002
Fundstellen
BGHReport 2005, 1104
MDR 2005, 1048
NJW-RR 2005, 974
VersR 2005, 927
zfs 2005, 452