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BGH - Entscheidung vom 24.10.2005

II ZR 55/04

Normen:
GmbHG § 6 Abs. 3
BGB § 158

Fundstellen:
BB 2006, 14
BGHReport 2006, 170
DB 2006, 41
DNotZ 2006, 214
DStR 2005, 2195
GmbHR 2006, 46
MDR 2006, 405
NJW-RR 2006, 182
NZG 2006, 62
NotBZ 2006, 18
Rpfleger 2006, 83
WM 2005, 2394
ZIP 2005, 2255

BGH, Urteil vom 24.10.2005 - Aktenzeichen II ZR 55/04

DRsp Nr. 2005/20795

Bestellung des GmbH-Geschäftsführers unter auflösender Bedingung

»Der Geschäftsführer einer GmbH kann unter einer auflösenden Bedingung bestellt werden. Sieht der Bestellungsakt vor, dass das Amt endet, wenn der Geschäftsführer ab einem bestimmten Zeitpunkt der GmbH nicht seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellt, so verliert der Geschäftsführer automatisch sein Amt, wenn er zu dem genannten Zeitpunkt diese Voraussetzung nicht erfüllt, etwa weil er außerdem einer weiteren Tätigkeit nachgeht.«

Normenkette:

GmbHG § 6 Abs. 3 ; BGB § 158 ;

Tatbestand:

Die familiär geprägte W. GmbH & Co. KG hat die klagende GmbH (Klägerin zu 2) als Komplementärin. An ihr sind neben weiteren Personen der Kläger zu 1 und der Beklagte zu 1 sowie dessen Mutter, die Beklagte zu 2, beteiligt. Durch Gesellschafterbeschluss vom 25. März 1994 wurde - neben dem Kläger zu 1 - der Beklagte zu 1 zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 bestellt. Weiter heißt es in dem Beschluss:

"Stellt der Geschäftsführer J. N. (Beklagter zu 1) ab dem 31.12.1996 nicht seine volle Arbeitskraft zur Verfügung, so scheidet er als Geschäftsführer aus der W. Verwaltungsgesellschaft mbH (Klägerin zu 2) aus; insoweit ist seine Bestellung zum Geschäftsführer befristet."

Hintergrund dieser Regelung war, dass der Beklagte zu 1 als Geschäftsführer der L. GmbH tätig war und ihm die Möglichkeit eröffnet werden sollte, sein Engagement in der anderen Gesellschaft nicht abrupt, sondern mit einer längeren Übergangsfrist zu beenden. Dementsprechend wurde dem Beklagten zu 1 in dem Geschäftsführerdienstvertrag die Befugnis eingeräumt, seine bislang ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer der L. GmbH bis zum 31. Dezember 1996 in eingeschränktem Umfang fortzusetzen. Tatsächlich nahm der Beklagte zu 1 über diesen Zeitpunkt hinaus bis Februar 2003 die Funktion des Geschäftsführers der L. GmbH wahr.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass der Beklagte zu 1 nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin zu 2 ist. Das Oberlandesgericht hat der - erstinstanzlich abgewiesenen - Klage auf die Berufung der Kläger stattgegeben. Mit ihrer - von dem Senat zugelassenen - Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

I. Das Oberlandesgericht (ZIP 2004, 951 ), das die Feststellungsklage als zulässig erachtet, meint, der Beklagte zu 1 sei nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin zu 2. Der Beklagte zu 1 sei unter der auflösenden Bedingung zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 bestellt worden, ihr ab dem 31. Dezember 1996 seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Diese Bedingung sei zwischenzeitlich eingetreten, weil der Beklagte zu 1 seine Tätigkeit bei der L. GmbH nicht aufgegeben habe. Die Bestellung eines Geschäftsführers unter einer auflösenden Bedingung unterliege keinen Wirksamkeitsbedenken, weil sie die Rechtsstellung Dritter nicht beeinträchtige.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Feststellungsklage für zulässig gehalten.

a) Ob der Beklagte zu 1 infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung sein Geschäftsführeramt bei der Klägerin zu 2 verloren hat, kann nur im Rahmen einer Feststellungsklage (§ 256 ZPO ) geklärt werden. Eine Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses vom 25. März 1994 über die Bestellung des Beklagten zu 1 zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 kommt nicht in Betracht, weil die Parteien übereinstimmend von der Wirksamkeit dieses Beschlusses ausgehen und ihr Streit allein dessen inhaltliche Tragweite betrifft (vgl. Sen.Urt. v. 1. März 1999 - II ZR 205/98, ZIP 1999, 656 = WM 1999, 796 ).

b) Die Feststellungsklage der Klägerin zu 2 ist gegen den Beklagten zu 1 ohne weiteres zulässig, weil sie ein rechtliches Interesse an der verbindlichen Klärung hat, ob der Beklagte zu 1 noch ihr Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan ist (vgl. Sen.Urt. v. 20. Juni 2005 - II ZR 18/03, ZIP 2005, 1365 f. zum umgekehrten Fall der Feststellungsklage des Geschäftsführers). Zulässigkeitsbedenken bestehen ebenfalls nicht, soweit die Feststellung im Verhältnis des Klägers zu 1 zu den Beklagten zu 1 und 2 als Gesellschafter der Klägerin zu 2 begehrt wird. Da für die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter von erheblicher Bedeutung ist, wer das Amt des Geschäftsführers innehat, kann diese Frage auch im Verhältnis der Gesellschafter zueinander durch eine Feststellungsklage geklärt werden (BGHZ 121, 257 f. m.w.Nachw.), zumal sich das Problem der Rechtskrafterstreckung des Urteils auf die GmbH (BGHZ aaO.) wegen der Beteiligung der Klägerin zu 2 am vorliegenden Rechtsstreit nicht stellt. Wegen des gleich gelagerten Klärungsinteresses begegnet die Zulässigkeit der Feststellungsklage auch im Verhältnis der Klägerin zu 2 zu der Beklagten zu 2 keinen Bedenken.

c) Die Klägerin zu 2 wird im vorliegenden Rechtsstreit zutreffend durch ihren Geschäftsführer, den Kläger zu 1, vertreten. Solange die Gesellschaft nicht von ihrer Befugnis nach § 46 Nr. 8 2. Alternative GmbHG Gebrauch macht, kann sie im Rechtsstreit gegen einen früheren Geschäftsführer durch die amtierenden Geschäftsführer vertreten werden (Sen.Urt. v. 24. Februar 1992 - II ZR 79/91, ZIP 1992, 760 = WM 1992, 731 ).

2. Auch in der Sache ist dem Berufungsgericht zu folgen, dass der unter einer auflösenden Bedingung zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 bestellte Beklagte zu 1 dieses Amt mit Eintritt der Bedingung verloren hat.

a) Der Beklagte zu 1 ist unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 BGB ) zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2 berufen worden, weil er als Geschäftsführer ausscheiden sollte, sofern er der GmbH "ab dem 31. Dezember 1996 nicht seine volle Arbeitskraft zur Verfügung" stellt.

Durch diese Gestaltung wurde eine Befristung mit einer Bedingung kombiniert, weil die auflösende Bedingung erst nach einem bestimmten Zeitablauf Rechtswirkungen zeitigen sollte. Eine solche Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden (Staudinger/Bork, BGB 2003, § 163 Rdn. 4). Die Bestellung des Beklagten zu 1 als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 sollte nach Maßgabe des Gesellschafterbeschlusses vom 25. März 1994 - ungeachtet seiner tatsächlichen Arbeitsleistung - bis zum 31. Dezember 1996 fortdauern, sodann aber erlöschen, falls der Beklagte zu 1 der Klägerin zu 2 nicht seine volle Arbeitskraft widmet. Die auflösende Bedingung ist eingetreten, weil der Beklagte zu 1 seine Tätigkeit als Geschäftsführer der L. GmbH bis in das Jahr 2003 fortgesetzt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die auflösende Bedingung bereits am 1. Januar 1997 oder - wie das Berufungsgericht, das von einer Fristverlängerung ausgeht, meint - am 30. Juni bzw. 25. August 1998 eingetreten ist.

b) Die Bestellung eines Geschäftsführers unter einer auflösenden Bedingung ist entgegen der Auffassung der Revision zulässig. Das Schrifttum lehnt eine in dieser Weise gestaltete Bestellung des Geschäftsführers überwiegend mit der Begründung als unzulässig ab, die Rechtssicherheit erfordere, dass für jedermann deutlich sei, welche Person die im öffentlichen Interesse stehenden Pflichten aus §§ 41 , 43 Abs. 3 , 64 GmbHG zu erfüllen habe (Hommelhoff/Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 6 Rdn. 25; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 6 Rdn. 27; Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 6 Rdn. 34; Michalski/Heyder, GmbHG 2002 § 6 Rdn. 83; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 6 Rdn. 29; Marschner-Barner/Diekmann in: MünchHdbGesR Bd. 3 2. Aufl. § 42 Rdn. 39). Dies überzeugt den Senat nicht. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Gegenauffassung die Bestellung eines Geschäftsführers unter einer auflösenden Bedingung zulässig (Lutter/Hommelhoff aaO. § 38 Rdn. 40; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 17. Aufl. § 38 Rdn. 38 b; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner aaO. § 38 Rdn. 39), weil dadurch Belange der Rechtssicherheit nicht in stärkerem Maße als bei einer anderen Form der Abberufung berührt werden.

aa) § 158 BGB sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung abhängig zu machen. Mit Hilfe einer Bedingung können die rechtsgeschäftlich Handelnden für spätere Entwicklungen durch eine darauf abgestimmte Regelung Vorsorge treffen. Die Bedingung ist danach ein wichtiges Instrument der Vertragsgestaltung. Den mit der Vereinbarung einer Bedingung verbundenen Schwebezustand und die sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten nimmt der Gesetzgeber grundsätzlich in Kauf. Lediglich bestimmte Rechtsgeschäfte (Beispiele: Auflassung, § 925 Abs. 2 BGB ; Eheschließung, § 1311 Satz 2 BGB ) und die Ausübung von Gestaltungsrechten (Beispiel: § 388 Satz 2 BGB ) hat der Gesetzgeber der Verknüpfung mit einer Bedingung entzogen. Die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH wird erst mit der Annahme des Amtes wirksam; sie gehört nicht zu den "bedingungsfeindlichen" Rechtsgeschäften und kann daher an eine auflösende Bedingung geknüpft werden.

bb) Die auflösend bedingte Bestellung eines Geschäftsführers ist nicht deswegen mit besonderen Unsicherheitsfaktoren behaftet, weil die Frage, ob die Bedingung eingetreten ist oder nicht, kontrovers beurteilt werden kann. Auch in anderen Fällen kann die Abberufung eines Geschäftsführers mit ähnlichen rechtlichen Zweifeln behaftet sein: Kann der Geschäftsführer wegen einer entsprechenden Satzungsgestaltung nach § 38 Abs. 2 GmbHG nur aus wichtigem Grund abberufen werden, kommt es häufig zu gegensätzlichen Beurteilungen, ob der dem Geschäftsführer gemachte Vorwurf seinem Schweregrad nach eine sofortige Abberufung rechtfertigt (vgl. etwa die Nachweise bei Scholz/Uwe H. Schneider aaO. § 38 Rdn. 43-53) oder fehlerfrei festgestellt worden ist (vgl. Sen.Urt. v. 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 562 = WM 1995, 709). Ebenso können Unstimmigkeiten entstehen, ob sich die zunächst befristete Bestellung verlängert hat und deshalb nur durch einen Widerruf beendet werden kann. Nicht anders verhält es sich bei der Prüfung, ob die Organstellung des Geschäftsführers wegen Amtsunfähigkeit entfallen ist (vgl. BGHZ 115, 78 , 80), ob eine wirksame Amtsniederlegung stattgefunden hat (vgl. BGHZ 121, 257 , 260) oder ob mit der Beendigung des Dienstvertrages der Verlust der Organstellung einhergeht (vgl. BGHZ 112, 103 , 115). Diese Beispiele rechtlicher Zweifelsfälle bei der Abberufung eines Geschäftsführers veranschaulichen, dass die Unsicherheit des Bedingungseintritts der Bestellung eines Geschäftsführers unter einer auflösenden Bedingung nicht entgegensteht.

cc) Gläubigerschutzbelange wie auch die berechtigten Interessen der Gesellschaft verbieten ebenfalls nicht die Bestellung unter einer auflösenden Bedingung. Wird der Geschäftsführer nach Eintritt der Bedingung rechtsgeschäftlich tätig, kann der redliche Geschäftsverkehr auf die Eintragung in das Handelsregister (§ 15 HGB ) und die danach fortbestehende Vertretungsmacht vertrauen, zumal eine Bedingung nicht eintragungsfähig ist (MünchKomm/Westermann, BGB 4. Aufl. § 158 Rdn. 34). Schließlich unterliegt der nach Bedingungseintritt tätig bleibende "faktische" Geschäftsführer dem Pflichtenkreis eines ordentlichen Geschäftsführers und haftet etwa bei einer Missachtung der Insolvenzantragspflicht (§ 64 Abs. 1 GmbHG ; vgl. Sen.Urt. v. 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 und v. 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414 ).

Hinweise:

Anmerkung Volker Teigelkötter BGHReport 2006, 170

Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 11.02.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 58/03
Vorinstanz: LG Ulm - 10 O 30/03 KfH - 24.9.2003,
Fundstellen
BB 2006, 14
BGHReport 2006, 170
DB 2006, 41
DNotZ 2006, 214
DStR 2005, 2195
GmbHR 2006, 46
MDR 2006, 405
NJW-RR 2006, 182
NZG 2006, 62
NotBZ 2006, 18
Rpfleger 2006, 83
WM 2005, 2394
ZIP 2005, 2255