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BGH - Entscheidung vom 15.09.2005

3 StR 313/05

Normen:
StGB § 64

BGH, Beschluß vom 15.09.2005 - Aktenzeichen 3 StR 313/05

DRsp Nr. 2005/17888

Anordnung der Unterbringung trotz voll erhaltener Schuldfähigkeit

Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es nicht darauf an, dass verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB besteht.

Normenkette:

StGB § 64 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten im ersten Urteilskomplex wegen eines Falles des schweren Raubes verurteilt, jedoch den Urteilstenor dahin gefasst, dass dieser wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung "und wegen Diebstahls in zwei Fällen" unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 22. April 2003 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt wird. Im zweiten Urteilskomplex hat es gegen ihn wegen Körperverletzung in drei Fällen eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat hat den Schuldspruch lediglich dahin neu gefasst, dass die Worte "und wegen Diebstahls in zwei Fällen" entfallen. Denn bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB werden nur die Strafen, nicht das frühere Urteil einbezogen; im früheren Urteil abgeurteilte Straftaten erscheinen im neuen Urteilstenor nicht.

2. Das angefochtene Urteil weist jedoch insofern einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, als das Landgericht die Prüfung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB ) unterlassen hat, obwohl sich dies aufdrängte.

Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte bereits im Alter von zwölf Jahren Alkohol, später auch Haschisch, Heroin, Kokain und Tabletten. Die beiden dem Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 22. April 2003 zugrunde liegenden Diebstähle beging der Angeklagte, um seine Drogensucht zu finanzieren. Zur verfahrensgegenständlichen Raubtat entschloss er sich, um sich von der Beute Drogen oder Alkohol kaufen zu können. Zum Tatzeitpunkt litt er unter leichten Entzugserscheinungen.

Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Nach § 64 Abs. 1 StGB muss diese Maßregel angeordnet werden, wenn der Täter den Hang hat, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, er wegen einer auf seinen Hang zurückgehenden rechtswidrigen Tat verurteilt wird und die Gefahr besteht, dass er in Zukunft infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen darf die Anordnung nur unterbleiben, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.). Zu all dem verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Erwägungen zu § 64 StGB waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Strafkammer von uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es nicht darauf an, dass verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB besteht (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 64 Rdn. 11).

Die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO ) der Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Dem steht nicht entgegen, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat. Im übrigen hat der Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Die Teilaufhebung berührt den Strafausspruch nicht. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei Anordnung der Maßregel eine geringere Strafe gegen den erheblich vorbestraften Angeklagten verhängt hätte.

Vorinstanz: LG Kiel, vom 11.04.2005