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BGH - Entscheidung vom 12.01.2005

3 StR 411/04

Normen:
StPO § 136a Abs. 1

Fundstellen:
NStZ 2005, 393
StV 2005, 201
wistra 2005, 230

BGH, Beschluß vom 12.01.2005 - Aktenzeichen 3 StR 411/04

DRsp Nr. 2005/3279

Ankündigung von Strafanträgen durch den Staatsanwalt als unzulässiges Versprechen eines Vorteils

Ein Verstoß gegen § 136 a Abs. 1 Satz 3 StPO (Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils) kann vorliegen, wenn die vom Staatsanwalt angekündigten Strafanträge für den Fall eines Geständnisses bzw. eines Nicht-Geständnisses so weit auseinander liegen, dass der Unterschied in den Anträgen mit der strafmildernden Wirkung eines Geständnisses nicht mehr erklärbar und als unzulässiges Druckmittel zur Erwirkung eines verfahrensverkürzenden Geständnisses zu werten ist.

Normenkette:

StPO § 136a Abs. 1 ;

Gründe:

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

1. Die Rüge, das Landgericht habe das vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis nicht verwerten dürfen, weil die Kammer sich die vom Staatsanwalt in einer Sitzungspause gegenüber dem Angeklagten und seinem Verteidiger abgegebene Erklärung über die Höhe seines Strafantrages bei geständiger bzw. nicht geständiger Einlassung "zu eigen gemacht" habe, ist nicht hinreichend ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ); denn weder läßt sich dem Revisionsvortrag entnehmen, daß der Kammer ausdrücklich auch die vom Staatsanwalt angekündigten Strafanträge mitgeteilt worden sind, noch wird erkennbar, in welcher Weise sie sich die Straferwartung des Staatsanwalts zu eigen gemacht haben soll. Der Senat vermag daher auf Grundlage der Revisionsrechtfertigung nicht zu prüfen, ob die Kammer den Angeklagten tatsächlich durch unzulässige Mittel zu seinem Geständnis veranlaßt hat.

Sollte der Staatsanwalt - entsprechend dem Vortrag der Revision - den Angeklagten zu dem Geständnis durch die Äußerung veranlaßt haben, er werde bei geständiger Einlassung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten beantragen, während sich die Strafe ohne Geständnis auf sechs bis sieben Jahre belaufen könne, läge hierin allerdings ein Verstoß gegen § 136 a Abs. 1 Satz 3 StPO (Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils) bzw. eine mit den Grundsätzen eines fairen Strafverfahrens nicht zu vereinbarende Androhung einer die Schuldangemessenheit übersteigenden Strafe. Denn ein so gravierender Unterschied in den Schlußanträgen wäre mit der strafmildernden Wirkung eines Geständnisses nicht mehr erklärbar und als unzulässiges Druckmittel zur Erwirkung eines verfahrensverkürzenden Geständnisses zu werten (vgl. BGH, Beschl. vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03). Dies hätte dessen Unverwertbarkeit zur Folge (vgl. § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO ). An die behauptete Äußerung des Staatsanwalts knüpft die Revisionsrüge indessen nicht an. Sie will die Unverwertbarkeit des Geständnisses vielmehr ausdrücklich aus einer rechtsstaatswidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit des Angeklagten durch die Strafkammer ableiten. Wegen dieser eindeutigen Stoßrichtung der Rüge kann diese nicht dahin verstanden werden, der Beschwerdeführer wolle die mangelnde Verwertbarkeit seiner Einlassung allein auf die behauptete Vorgehensweise des Staatsanwalts stützen (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 36).

2. Soweit die Revision beanstandet, es sei der Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden bei der Beweiswürdigung unter Verstoß gegen § 261 StPO zur Bestätigung der Richtigkeit des Geständnisses verwertet worden, gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge auch die Darlegung, daß er nicht auf andere zulässige Weise - etwa über eine Bestätigung durch den Angeklagten nach Vorhalt - in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist (vgl. Kuckein aaO. Rdn. 58; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 249 Rdn. 30). In der Beweiswürdigung hat das Landgericht ausführlich dargelegt, daß dem Angeklagten eine Vielzahl von Urkunden vorgehalten worden ist. Unter diesen Umständen bestehen erhebliche Bedenken, ob der pauschale Vortrag der Revision, der Inhalt der im Urteil aufgeführten Urkunden sei weder durch Verlesung noch in anderer zulässiger Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden, den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Jedenfalls ist die Rüge unbegründet. Wie sich aus der Beweiswürdigung der Strafkammer ergibt, wurden die Urkunden dem Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgehalten. Ihr Inhalt kann daher durch den Angeklagten bestätigt worden sein. Damit wäre er hier in zulässiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden; denn für die Überprüfung der Richtigkeit des Geständnisses des Angeklagten kam es auf den Wortlaut der Urkunden nicht an (vgl. Meyer-Goßner, aaO. § 249 Rdn. 28). Ohne eine - dem Revisionsgericht verwehrte - Rekonstruktion der Beweisaufnahme kann somit der Nachweis nicht geführt werden, daß die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht auf die in der Beweiswürdigung geschilderte Weise aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen wurden (vgl. BGH NStZ 2001, 425 ; Meyer-Goßner, aaO. § 261 Rdn. 38 a). Die kurze Verhandlungsdauer zur geständigen Einlassung des Angeklagten schließt den Vorhalt und die Bestätigung des entscheidungserheblichen Inhalts der Urkunden nicht aus, weil dieser - wofür die Ausführungen in der Beweiswürdigung sprechen - bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt sein kann, als der Angeklagte den subjektiven Tatbestand des Betruges noch bestritten hat.

Vorinstanz: LG Lübeck, vom 13.07.2004
Fundstellen
NStZ 2005, 393
StV 2005, 201
wistra 2005, 230