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BGH - Entscheidung vom 06.04.2005

5 StR 441/04

Normen:
StPO § 267 Abs. 5

Fundstellen:
NStZ-RR 2005, 211
wistra 2005, 312

BGH, Urteil vom 06.04.2005 - Aktenzeichen 5 StR 441/04

DRsp Nr. 2005/6464

Anforderungen an ein freisprechendes Urteil

1. Das Tatgericht muss bei einem freisprechenden Urteil grundsätzlich zunächst die Umstände feststellen und mitteilen, die es für erwiesen hält. 2. Diese Anforderungen sind jedoch nicht schematisch anzuwenden; dies gilt insbesondere, wenn weitere Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen nicht möglich sind.

Normenkette:

StPO § 267 Abs. 5 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt; im übrigen hat es den Angeklagten in 37 Fällen vom Vorwurf des Betrugs, der Urkundenfälschung und der Fälschung von Zahlungskarten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Revision, die der Generalbundesanwalt teilweise vertritt, gegen die Freisprüche in den Fällen 21 bis 37 der Anklageschrift. Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Mit der Anklage wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, im September und Oktober 2002 in 38 Fällen eine gefälschte Kreditkarte in verschiedenen Geschäften im Online-Lastschriftverfahren vorgelegt, den entsprechenden Zahlungsbeleg mit einem unleserlichen Namenszug unterschrieben und somit Waren im Gesamtwert von beinahe 7.900 Euro erlangt zu haben.

Das Landgericht hat nur im Fall 38 sichere Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten treffen können, weil die Kreditkarte als Fälschung erkannt und der Angeklagte vorläufig festgenommen wurde; insoweit wurde er wegen versuchten Betruges verurteilt.

In 20 Fällen sah es das Landgericht für erwiesen an, daß der Angeklagte zum Zeitpunkt der Vorlage der Kreditkarte im September 2002 nicht in Berlin, sondern in München war; dies greift die Beschwerdeführerin auch nicht an. Im übrigen hat sich das Landgericht keine sichere Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bilden können. Zwar sei er einmal von einer Verkäuferin wiedererkannt worden (Fall 36); in einem anderen Fall befinde sich ein Fingerabdruck von ihm auf dem entsprechenden Zahlungsbeleg (Fall 27). Insoweit könne ihm aber seine Einlassung nicht widerlegt werden, er habe an diesen Tagen nur einen Landsmann begleitet und bei dessen Einkäufen als Dolmetscher fungiert.

II. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt keinen Rechtsfehler auf.

1. In den Fällen 27 und 36, in denen die Revision vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hält die Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar lagen hier besondere Anhaltspunkte für eine Täterschaft des Angeklagten vor. Indessen hält sich das Landgericht bei der Würdigung dieser Beweisanzeichen im Rahmen tatrichterlichen Ermessens. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Landgericht dabei auch nicht die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung überspannt. Die Einlassung des Angeklagten widerspricht nicht der Aussage der Zeugin B, weil diese sich weder daran erinnern konnte, ob der Angeklagte in Begleitung war, noch konnte sie Angaben zu dem Bezahlvorgang an sich machen. Seinen Fingerabdruck auf dem Zahlungsbeleg durfte das Landgericht sich damit erklären, daß der Angeklagte seinem sprachunkundigen Begleiter den Beleg, auf dem dieser unterschreiben sollte, erläutert hat. Darüber hinaus finden andererseits die Zweifel des Tatrichters eine weitere Stütze darin, daß nach den Feststellungen des insoweit sachverständig beratenen Landgerichts die Unterschriften auf den Kartenbelegen nicht mit den Vergleichsunterschriften des Angeklagten übereinstimmen. Wenn das Landgericht bei dieser Beweislage unter Bedacht auf den Zweifelssatz sich keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten oder einer Teilnahme hat bilden können, so ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Es fehlt auch nicht an der gebotenen Gesamtschau. Dagegen spricht schon der Aufbau der Urteilsgründe, in denen jeweils die be- und entlastenden Gesichtspunkte gegenübergestellt werden. Dabei hat das Landgericht ersichtlich die Verbindung der belastenden Umstände gewürdigt, zu denen auch der Verurteilungsfall zählt.

2. Hinsichtlich der übrigen Fälle, zu denen das Landgericht keine näheren Feststellungen getroffen hat (Fälle 21 bis 26, 28 bis 35 und 37), hält das Urteil gleichfalls rechtlicher Überprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Revision, die insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bedurfte es hier keiner zusätzlichen Feststellungen zu den jeweiligen Einzeltaten. Zwar gilt der Grundsatz, daß das Landgericht bei freisprechenden Urteilen zunächst die Umstände feststellen muß, die es für erwiesen hält und dazu die Begründung so abzufassen hat, daß dem Revisionsgericht eine Überprüfung ermöglicht wird (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5). Diese Maßstäbe dürfen jedoch nicht schematisch angewandt werden. Dies gilt insbesondere, wenn weitere Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen nicht möglich sind (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12).

So liegen die Dinge hier. Hinsichtlich der übrigen nicht im einzelnen dargestellten 15 Einkaufsfälle stützt sich die Staatsanwaltschaft allein auf den Umstand, daß dieselbe total gefälschte Karte in allen 38 Fällen verwandt worden ist. Wenn sich eine Überzeugung des Landgerichts indes schon in den Fällen nicht hat bilden lassen, in denen weitere Umstände auf den Angeklagten als Täter hindeuteten, gilt das erst recht für die Taten, hinsichtlich derer solche Beweismittel fehlen. Das Landgericht stellt fest, daß "für die verbleibenden Oktoberfälle" keine weiteren Beweismittel zur Verfügung standen (UA S. 13). Da die Staatsanwaltschaft diesbezüglich keine Verfahrensrüge erhoben hat, ist für die sachlichrechtliche Überprüfung hiervon auszugehen. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt eine ausreichende revisionsgerichtliche Nachprüfung zu. Diesem ist neben dem Fehlen belastender Indizien auch der den Angeklagten entlastende Umstand zu entnehmen, daß hinsichtlich der im September vorgenommenen Einkäufe mit derselben verfälschten Karte die damaligen Taten ohne Beteiligung des Angeklagten begangen worden sind, es mithin einen zweiten Verwender der Karte gegeben haben muß. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht eine Überführung des Angeklagten auch hinsichtlich der ihm zusätzlich vorgeworfenen Taten ohne Rechtsverstoß für nicht möglich erachtet. Weitere Feststellungen zu Taten, bei denen keine tragfähige Verbindung zur Person des Angeklagten hergestellt werden kann, sind entbehrlich.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 01.04.2004
Fundstellen
NStZ-RR 2005, 211
wistra 2005, 312