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BGH - Entscheidung vom 02.06.2005

I ZR 147/02

Normen:
UWG § 3 § 4

Fundstellen:
BGHReport 2006, 184
K&R 2006, 127

BGH, Urteil vom 02.06.2005 - Aktenzeichen I ZR 147/02

DRsp Nr. 2005/20240

Anforderungen an die Kennzeichnung des zu zahlenden Entgelts bei Bewerbung eines Funktelefons mit Telefonnetzkarte; Hervorhebung der Aktivierungskosten

Wird ein einheitliches aus einem Mobiltelefon und dem Netzzugang eines Anbieters bestehendes Angebot als besonders preisgünstig ("Für'n Apfel und n'Ei") beworben, so sind separat anfallende Aktivierungskosten so zu kennzeichnen, dass sie dem Angebot eindeutig zugeordnet werden können. Der Hinweis in einer Fußnote versteckt in Einzelheiten des Tarifs reicht nicht aus.

Normenkette:

UWG § 3 § 4 ;

Tatbestand:

Beide Parteien betreiben den Einzelhandel mit Geräten der Telekommunikation in Verbindung mit dem gleichzeitigen Abschluss von Netzkartenverträgen.

Die Beklagte warb im Oktober 1995 in einer Beilage zur "Thüringer Allgemeinen" für den Erwerb eines Mobiltelefons der Marke Bosch mit den Worten "Für'n Apfel und n'Ei". Im linken unteren Drittel der Anzeige wird in einem eingerahmten Text - eingeleitet durch ein Sternchen - darauf hingewiesen, dass "dieser Preis" nur in Verbindung mit dem Abschluss eines zwölfmonatigen Netzkartenvertrages gelte. Es folgt dann eine Übersicht über die Tarife (Grundpreise, Minutenpreise, monatlicher Mindestgesprächsumsatz), wobei sich hinter den Angaben zum Geschäfts- und zum Freizeittarif ein weiteres Sternchen befindet. Am unteren Ende des Kastens findet sich eine mit einem Stern eingeleitete Fußnote, in der es in noch einmal kleinerer Schriftgröße heißt:

Geschäftstarif in der Zeit Mo-Fr 7.00-20.00 Uhr; Freizeittarif in der übrigen Zeit sowie an bundesweiten Feiertagen. Alle Preise in DM inkl. Mehrwertsteuer. Einmalige Aktivierungskosten 12 Monatsvertrag DM 49.- für alle Tarife.

Nachstehend sind zunächst der erwähnte Kasten (etwa in Originalgröße) und sodann die ganze Anzeige (verkleinert und in schwarz-weiß) wiedergegeben:

Folgt Graphik

Die Klägerin hat in dieser Werbung einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung sowie gegen § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens erblickt und sie als wettbewerbswidrig beanstandet. Ferner hat sie geltend gemacht, die Werbung verstoße auch gegen das Irreführungsverbot (§ 3 UWG a.F.).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes im Zusammenhang mit der Freischaltung einer Telefonnetzkarte ein Telefon-Handy (Funktelefon) "für'n Apfel und n'Ei" anzukündigen, anzubieten oder zu gewähren, wie dies aus der als Anlage K 1 vorgelegten Werbung ersichtlich ist.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Versäumnisurteil antragsgemäß verurteilt und das Versäumnisurteil auf den Einspruch der Beklagten aufrechterhalten. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung unter Neufassung des Urteilstenors mit der Maßgabe bestätigt, dass die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist.

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil im ersten Revisionsverfahren aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 81/98, BGH-Rep 2002, 76). Einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung und einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens hat der Bundesgerichtshof verneint; die Zurückverweisung war erforderlich, weil keine Feststellungen zur konkreten Werbeanzeige getroffen worden waren - die beanstandete Anzeige war nur in einer stark verkleinerten, in Teilen unleserlichen Kopie vorgelegt worden - und sich deshalb in der Revisionsinstanz nicht klären ließ, ob in der beanstandeten Anzeige hinreichend auf die Konditionen des Netzkartenvertrags hingewiesen worden war.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren, in dem das Original der beanstandeten Anzeige vorlag, hat die Klägerin ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2002 beantragt,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der Freischaltung einer Telefonnetzkarte ein Handy (Funktelefon) "für'n Apfel und n'Ei" anzukündigen oder anzubieten, wie dies aus der als Anlage vorgelegten Werbung ersichtlich ist.

Mit dem zweiten Berufungsurteil hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die (vom Berufungsgericht zugelassene) Revision der Klägerin, mit der sie ihre zuletzt gestellten Anträge aus dem Schriftsatz vom 15. April 2002 weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten nunmehr verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die beanstandete Werbung sei nicht bereits deswegen irreführend, weil der am Beginn des Textes im weißen Kasten befindliche Asteriskus ins Leere gehe. Aus dem Gesamteindruck der Anzeige ergebe sich eine klare Zuordnung der Preisangaben im weißen Kasten zu dem letztlich kostenlos abgegebenen Mobiltelefon. In diesem Kasten seien - für Durchschnittsverbraucher hinreichend deutlich zu erkennen - sowohl die verbrauchsabhängigen als auch die verbrauchsunabhängigen Entgelte unmissverständlich und übersichtlich angegeben. Dies gelte auch für die lediglich in der Fußnote in kleinerer Schrift angeführten Aktivierungskosten in Höhe von 49 DM. Eine Irreführung sei daher zu verneinen, auch wenn Gestaltung und Inhalt des weißen Kastens nahezu identisch seien mit den Angaben, die der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 8. Oktober 1998 ( I ZR 107/97, WRP 1999, 512, 513 - Aktivierungskosten) als irreführend beanstandet habe.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung der Beklagten nach dem zuletzt gestellten Unterlassungsantrag.

1. Nachdem das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) am 8. Juli 2004 in Kraft getreten ist, ist der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsantrag auch nach neuem Recht zu beurteilen, wobei die neue gesetzliche Grundlage nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Streitfalls führt als vor dem Inkrafttreten des Gesetzes.

2. Gegenstand des Streits ist allein noch der oben wiedergegebene Klageantrag, der auf Unterlassung der konkret beanstandeten Werbung gerichtet ist und der erkennbar auf die inzwischen vorgelegte Originalanzeige Bezug nimmt. Diesen Antrag hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. April 2002 als einzigen zu stellenden Antrag angekündigt und in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2002 ausweislich des Sitzungsprotokolls auch gestellt. Der Umstand, dass der Tatbestand des Berufungsurteils noch die zunächst angekündigten umfassenderen Haupt- und Hilfsanträge enthält, ist - wie die Revisionserwiderung zutreffend bemerkt - nicht von Bedeutung, da der Beweis, den der Tatbestand liefert, durch das Sitzungsprotokoll entkräftet wird (§ 314 Satz 2 ZPO ).

3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin als betroffener Mitbewerberin ein Unterlassungsanspruch zu, weil die beanstandete Werbung nicht hinreichend deutlich darauf hinweist, dass mit dem Erwerb des Mobiltelefons, das letztlich unentgeltlich abgegeben werden soll, nicht nur der Abschluss eines Netzkartenvertrags, sondern auch einmalige Aktivierungskosten verbunden sind. Dieser Anspruch ergibt sich nach neuem Recht aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 1, § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 , § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 1 Abs. 2 und 6 PAngV .

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, der Durchschnittsverbraucher beziehe die im weißen Kasten enthaltenen Angaben zu den im Zusammenhang mit dem Netzkartenvertrag zu zahlenden Entgelten auf die Preisangabe für das Mobiltelefon ("für'n Apfel und n'Ei") und erkenne auch ohne einen entsprechenden Sternhinweis bei der Preisangabe für das Telefon, dass sich die mit dem Erwerb des Mobiltelefons verbundene wirtschaftliche Belastung erst unter Berücksichtigung dieser Entgelte ermitteln lasse (vgl. hierzu auch das erste Revisionsurteil v. 7.6.2001 - I ZR 81/98, Umdruck S. 5 f. unter 2.b)aa); insoweit nicht in BGH-Rep 2002, 76).

b) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Anforderungen, die im Hinblick auf das Irreführungsverbot sowie auf das Gebot der Preisklarheit und Preiswahrheit (§ 1 Abs. 6 PAngV ) an die Transparenz von Preisangaben zu stellen sind, nicht einheitlich bestimmt werden können. Bei dem Angebot der Beklagten handelt es sich um ein Kopplungsangebot, das hinsichtlich der Preisangaben einer besonderen Missbrauchskontrolle unterliegt. Denn von solchen Angeboten geht häufig die Gefahr aus, dass über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht oder unzureichend informiert wird. Eine solche Gefahr besteht namentlich dann, wenn ein Teil des gekoppelten Angebots in der Werbung blickfangmäßig als besonders günstig herausgestellt wird (vgl. BGHZ 139, 368 , 376 f. - Handy für 0,00 DM; 151, 84, 89 - Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v. 13.6.2002 - I ZR 71/01, GRUR 2002, 979 , 981 = WRP 2002, 1259 - Kopplungsangebot II; Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 157/98, GRUR 2002, 287 , 288 = WRP 2002, 94 - Widerruf der Erledigungserklärung; Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdn. 1.65; Bornkamm in Baumbach/Hefermehl aaO. § 5 UWG Rdn. 7.33). Insbesondere ist es wettbewerbswidrig, wenn in einem derartigen Fall Hinweise auf Belastungen, die den herausgestellten günstigen Preis unmittelbar relativieren, weder am Blickfang teilnehmen noch sonst hervorgehoben dargestellt sind.

Die Beklagte stellt in ihrer Werbung blickfangmäßig heraus, dass ein Teil des einheitlichen, aus Mobiltelefon und Netzzugang bestehenden Angebots letztlich unentgeltlich ("für'n Apfel und n'Ei") abgegeben wird. Eine solche Angabe ist jedoch unvollständig, wenn nicht gleichzeitig die Preisbestandteile, die auf den Netzkartenvertrag entfallen, in der Werbung so dargestellt werden, dass sie dem blickfangmäßig herausgestellten Preis für das Mobiltelefon eindeutig zugeordnet sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar sind (BGHZ 139, 368 , 376 - Handy für 0,00 DM; BGH WRP 1999, 512, 516 - Aktivierungskosten; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.7.2004 - I ZR 142/02, GRUR 2004, 961 , 963 = WRP 2004, 1479 - Grundeintrag Online). Aus der Sicht des Verbrauchers gliedern sich die Preisbestandteile in sofort zu zahlende Entgelte, in verbrauchsunabhängige, monatlich zu zahlende Entgelte und in verbrauchsabhängige Entgelte. Kosten für die Aktivierung des Kartenvertrags stehen im Rahmen des Kopplungsangebots auf derselben Ebene wie der Preis für das Telefon, weil sie sofort zu zahlen sind. Wirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob ein Telefon unentgeltlich abgegeben wird und für die Aktivierung des Netzkartenvertrags 49 DM anfallen oder ob für das Telefon 49 DM berechnet und keine Aktivierungskosten verlangt werden.

Die Beklagte hätte daher - wenn nicht im Blickfang - zumindest in hervorgehobener Weise in dem weißen Kasten auf die Aktivierungskosten hinweisen müssen, etwa in der Weise, dass im Zusammenhang mit der dort erwähnten Notwendigkeit des Abschlusses eines Kartenvertrages in einer gesonderten Zeile auf die Aktivierungskosten hingewiesen wird. Dies ist nicht geschehen. Vielmehr findet sich der Hinweis auf diese Kosten versteckt in einer Fußnote, in der definiert ist, was unter dem Geschäfts- und dem Freizeittarif zu verstehen ist, und in der klargestellt wird, dass die angegebenen Preise die Mehrwertsteuer enthalten.

III. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Beklagte ist entsprechend dem zuletzt gestellten, auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Klageantrag zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 , § 92 Abs. 1 , § 344 ZPO . Dabei geht der Senat davon aus, dass der Klageantrag von Anfang an auf die konkrete Verletzungsform beschränkt war, ein von der beanstandeten Werbung losgelöstes Verbot des Angebots unentgeltlicher oder nahezu unentgeltlicher Mobiltelefone von der Klägerin also nicht begehrt worden ist. Dennoch hat die Klägerin ihren Antrag im wiedereröffneten Berufungsverfahren insofern beschränkt, als sie die Modalität des Gewährens gestrichen und damit nicht mehr begehrt hat, dass der Beklagten auch die Durchführung von Folgeverträgen untersagt wird. Dementsprechend muss die Klägerin einen Teil der Kosten der Verfahrensabschnitte tragen, deren Gegenstand der weitergehende Klageantrag war.

Vorinstanz: OLG Thüringen, vom 08.05.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 1139/97
Vorinstanz: LG Erfurt, vom 15.07.1997 - Vorinstanzaktenzeichen 5 HKO 58/97
Fundstellen
BGHReport 2006, 184
K&R 2006, 127