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BGH - Entscheidung vom 05.01.2005

4 StR 545/04

Normen:
StPO § 200 Abs. 1 § 264 Abs. 1

Fundstellen:
VRS 108, 427
VRS 108, 433

BGH, Beschluß vom 05.01.2005 - Aktenzeichen 4 StR 545/04

DRsp Nr. 2005/2427

Aburteilung eines Mitangeklagten wegen einer dem anderen Mitangeklagten zur Last gelegten Tat

Die Verurteilung eines Mitangeklagten wegen einer Tat, die nach der zugelassenen Anklage allein dem weiteren Mitangeklagten zur Last gelegt wurde, ist nur zulässig, wenn gegen den Mitangeklagten, der der tatsächliche Täter sein soll, eine Nachtragsanklage erhoben wurde.

Normenkette:

StPO § 200 Abs. 1 § 264 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, jeweils in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es angeordnet, daß dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat weitgehenden Erfolg.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 1. Dezember 2004 zutreffend ausgeführt:

"Das Verfahren ist hinsichtlich des schweren Raubs und der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen, weil es für die abgeurteilte Tat an einer Anklage mangelt. Diese real konkurrierende Tat war nicht Gegenstand der Anklageschrift vom 3. Mai 2004, soweit sie den Revisionsführer betrifft (Bl. 522, 525 III); es besteht auch keine prozessuale Tatidentität (BGHSt 32, 215 , 216f).

Die Anklage wirft dem Revisionsführer vor, gegen § 21 StVG und § 142 StGB verstoßen zu haben (Bl. 525 III), indem er einen - zuvor von dem Mitangeklagten B. geraubten - Pkw geführt habe, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein, dabei einen Unfall verursacht und sodann den Unfallort verlassen habe. Die schwerwiegende Gewaltanwendung gegen den Geschädigten D. und die Wegnahme des Pkw (versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, schwerer Raub) hat die Anklage allein dem Mitangeklagten B. zugeordnet; sie geht weder von einer wie auch immer gearteten Beteiligung des Revisionsführers an den Gewalttaten des Mitangeklagten aus noch von der Kenntnis des Revisionsführers, dass derartige Straftaten von dem Mitangeklagten beabsichtigt waren, wie das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zeigt (Bl. 532 III). Dies ergibt sich auch aus der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 03. Mai 2004 (Bl. 517 III), in der es zur Tatbeteiligung des Revisionsführers heißt, "von einer gemeinschaftlichen Handlung bezüglich des Raubes kann nicht ausgegangen werden" (Bl. 518 III - unter "c)"). Entgegen der Auffassung der Kammer (UA S. 51) lässt sich der Anklage auch nicht entnehmen, dass der Revisionsführer "am Tatort" anwesend war, sondern nur, dass er sich - weiterhin - in der Nähe des späteren Tatorts aufgehalten hat, nachdem der Mitangeklagte fortgegangen war (Bl. 532 III). Die dem Mitangeklagten vorgeworfenen Straftaten stehen auch nicht in einem nach der Lebensauffassung untrennbaren Zusammenhang mit dem gegen den Angeklagten gerichteten Vorwurf; ebenso wenig ist ein unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Zusammenhang (so in BGHR StPO § 264 Abs. 1 - Tatidentität 28) mit dem Raub gegeben: Nach der Anklage (Bl. 532 III) wie auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (UA S. 13 ff.) hat der Mitangeklagte den geraubten Pkw - mit dem Revisionsführer als Beifahrer - zunächst nach Rostock und dann wieder zurück nach Wittstock gesteuert, bevor der Revisionsführer das Fahrzeug selbst gefahren hat, so dass zwischen dem Raub und den dem Revisionsführer in der Anklage vorgeworfenen Straftaten mehr als zwei Stunden gelegen haben. Unter diesen Umständen können die Gewalttaten, die dem Mitangeklagten in der Anklage allein zur Last gelegt werden, nicht als Teil derjenigen prozessualen Tat gelten, die den Gegenstand des gegen den Revisionsführer erhobenen Tatvorwurfs (Fahren ohne Fahrerlaubnis und Verkehrsunfallflucht) darstellt (BGHSt aaO. 217). Folglich hätte es der Erhebung einer Nachtragsklage bedurft. Der Hinweis nach § 265 StPO (Bl. 661, 665 IV; UA S. 51) war insoweit nicht ausreichend."

Dem stimmt der Senat zu.

Die Teileinstellung des Verfahrens hat die Änderung des Schuldspruchs wie aus der Beschlußformel zu Ziff. 1 Buchst. b) ersichtlich zur Folge (vgl. zur Konkurrenz von Fahren ohne Fahrerlaubnis und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., StVG § 21 Rdn. 25 m.w.N.). Auch der Strafausspruch ist aufzuheben, über den deshalb erneut zu befinden ist.

Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO ).

Vorinstanz: LG Neuruppin, vom 02.08.2004
Fundstellen
VRS 108, 427
VRS 108, 433