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BVerfG - Entscheidung vom 12.07.2006

1 BvR 1493/05

Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
InsO § 56 Abs. 1

Fundstellen:
ZIP 2006, 1956
ZInsO 2006, 1102
ZVI 2006, 507

BVerfG, Beschluss vom 12.07.2006 - Aktenzeichen 1 BvR 1493/05

DRsp Nr. 2007/581

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Auswahl von Insolvenzverwaltern

Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn das Insolvenzgericht einen Rechtsanwalt bei der Auswahl als Insolvenzverwalter mit der Begründung unberücksichtigt läßt, er habe in der Vergangenheit im Rahmen seiner Tätigkeit in Insolvenzverfahren eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt.

Normenkette:

GG Art. 12 Abs. 1 ; InsO § 56 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der (Vor-)Auswahl von Insolvenzverwaltern.

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Notar. Er bemühte sich beim Amtsgericht E. erfolglos um die Übernahme von Insolvenzverwaltungen. Sein daraufhin gestellter Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hob die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 3. August 2004 (BVerfK 4, 1) den Beschluss des Oberlandesgerichts wegen Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG auf und verwies die Sache zurück, weil im Rahmen der Vorauswahl geeigneter Bewerber für die Aufgaben eines Insolvenzverwalters ein justiziables Vorauswahlverfahren verfassungsrechtlich geboten sei.

2. Die Insolvenzrichterin des Amtsgerichts E. nahm den Beschwerdeführer daraufhin in ihre neu erstellte Vorauswahlliste auf. Im zurückverwiesenen Verfahren vor dem Oberlandesgericht teilte sie mit, dass sie den Beschwerdeführer aufgrund von Beanstandungen seiner Tätigkeit in Insolvenzverfahren außerhalb ihrer Zuständigkeit bei Bestellungsentscheidungen in der Vergangenheit in keinem Fall für den geeignetsten Bewerber gehalten habe. Eine Durchsicht der betreffenden Konkursakten habe nunmehr ergeben, dass der Beschwerdeführer als bestellter Sachverständiger und Sequester dem Ehemann der Geschäftsführerin der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin ein Darlehen gewährt habe. Ferner habe er sich von der Geschäftsführerin der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin ein Anwaltsmandat erteilen lassen wegen der Durchsetzung von Forderungen gegen den Käufer eines Schuldnerbetriebs, die entweder der Masse oder der Geschäftsführerin persönlich oder beiden je zum Teil zugestanden hätten. Im Hinblick hierauf müsse sie nun feststellen, dass sie den Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter oder Treuhänder nicht für geeignet halte.

Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Feststellung der Rechtswidrigkeit des bisher von der Insolvenzrichterin des Amtsgerichts E. angewandten Auswahlverfahrens bei der Bestellung von Insolvenzverwaltungen, insbesondere der permanenten Nichtberücksichtigung seiner Person. Darüber hinaus beantragte er, die Insolvenzrichterin zu verpflichten, ihn bei der Vergabe von Insolvenzverwaltungen angemessen zu berücksichtigen und ihn auf der beim Amtsgericht E. geführten Vorauswahlliste geeigneter Bewerber für das Amt des Insolvenzverwalters zu belassen oder wieder einzutragen.

Mit dem angegriffenen Beschluss wies das Oberlandesgericht den Antrag zurück. Der Senat halte die generelle Nichteinbeziehung des Beschwerdeführers aufgrund der von der Insolvenzrichterin festgestellten Beanstandungen nicht für willkürlich. Demzufolge sei auch nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer in keinem konkreten Fall als bestgeeigneter Bewerber beauftragt worden sei.

3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG . Die Begründungen der Insolvenzrichterin und des Oberlandesgerichts, die ihm die Eignung zur Betätigung als Insolvenzverwalter absprächen, verstießen gegen das Willkürverbot. Mit dem von den Gerichten beanstandeten Verhalten habe er keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt.

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere durch den Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006 ( 1 BvR 2530/04) geklärt, so dass der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

Eine grundsätzliche Verkennung des Bedeutungsgehalts der gerügten Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ist der angegriffenen Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht zu entnehmen.

1. Die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers, der darauf gerichtet ist, die Rechtswidrigkeit des bisher von der Insolvenzrichterin des Amtsgerichts E. angewandten Auswahlverfahrens, insbesondere der permanenten Nichtberücksichtigung des Beschwerdeführers festzustellen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Bei der Auswahl unter den geeigneten Bewerbern um das Insolvenzverwalteramt räumt § 56 Abs. 1 der Insolvenzordnung ( InsO ) dem zuständigen Richter ein weites Auswahlermessen ein. Hierdurch soll vorrangig eine Entscheidung unter angemessener Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Gläubiger und des Schuldners ermöglicht werden. Zu berücksichtigen sind ferner die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Interessen der als Insolvenzverwalter geeigneten Bewerber. Für diese besteht im Rahmen der Bestellung zum Insolvenzverwalter ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Jeder Bewerber um das Insolvenzverwalteramt muss eine faire Chance haben, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 -, Umdruck S. 18 f.). Es ist Sache der Fachgerichte, Kriterien für eine sachgerechte Auswahl zu entwickeln (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006, aaO., Umdruck S. 26).

b) Die Insolvenzrichterin hat bei ihren Auswahlentscheidungen in der Vergangenheit dem Beschwerdeführer die Eignung nicht schlechthin abgesprochen, sondern sich im Rahmen ihres Auswahlermessens stets für einen anderen Bewerber entschieden. Aufgrund einer nochmaligen Prüfung hält sie den Beschwerdeführer nunmehr bereits für generell nicht geeignet.

aa) Diese Einschätzung, der auch das Oberlandesgericht folgt, indem es die unterlassene Einbeziehung des Beschwerdeführers in das Auswahlverfahren nicht für willkürlich hält, verletzt nicht Verfassungsrecht. Ein Verfassungsverstoß ist nicht schon dann gegeben, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muss vielmehr in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]; 100, 214 [222]). Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe sich in einem früheren Konkursverfahren so verhalten, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung des Verfahrens durch seine eigenen wirtschaftlichen Interessen bestanden habe und seine Unabhängigkeit von den Interessen der Verfahrensbeteiligten fraglich gewesen sei, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund der Bedeutung der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters für die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens ist der Schluss aus diesen Festellungen auf die Ungeeignetheit des Beschwerdeführers nicht sachfremd.

bb) Scheidet demnach hinsichtlich der aktuellen Praxis der Insolvenzrichterin ein Verfassungsverstoß aus, kann im Ergebnis auch die Ausübung des Auswahlermessens bei den früheren insolvenzgerichtlichen Entscheidungen zu Lasten des Beschwerdeführers nicht beanstandet werden. Ihr lag derselbe Vorfall zugrunde, der die Insolvenzrichterin nunmehr dazu veranlasste, die generelle Eignung des Beschwerdeführers zu verneinen.

2. Aus den Ausführungen zu 1) folgt, dass auch die Ablehnung der Verpflichtung der Insolvenzrichterin, den Beschwerdeführer bei der Vergabe von Insolvenzverwaltungen angemessen zu berücksichtigen, sowie darüber hinaus, ihn auf der Vorauswahlliste zu belassen bzw. einen Wiedereintrag vorzunehmen, einer Prüfung am Maßstab der Verfassung standhält. Im Übrigen könnte eine Verpflichtung zur angemessenen Berücksichtigung nicht sicherstellen, dass eine mit Blick auf die Eigenheiten des konkreten Verfahrens und die spezielle Eignung der Bewerber sachgerechte und damit pflichtgemäße Ermessensausübung erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006, aaO., Umdruck S. 26 f., 35).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ).

Vorinstanz: SchlHOLG, vom 19.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 12 VA 2/00
Fundstellen
ZIP 2006, 1956
ZInsO 2006, 1102
ZVI 2006, 507