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BGH - Entscheidung vom 21.02.2005

II ZR 126/03

Normen:
BGB § 133 § 157

Fundstellen:
DStR 2005, 841

BGH, Urteil vom 21.02.2005 - Aktenzeichen II ZR 126/03

DRsp Nr. 2005/5711

Auslegung eines Praxisgemeinschaftsvertrags zwischen Zahnärzten betreffend die Verteilung der Honorare

Normenkette:

BGB § 133 § 157 ;

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Umsatz- und Kostenbeteiligungsansprüche aus einer zahnärztlichen Praxisgemeinschaft.

Sie waren mit Ausnahme der ersten drei Monate des Jahres 1999, in denen sie in Form einer Gemeinschaftspraxis verbunden waren, vom 1. Oktober 1990 bis zum 30. Juni 2001 als Zahnärzte in einer Praxisgemeinschaft tätig. Sowohl der Vertrag über die Praxisgemeinschaft vom 1. Oktober 1990 als auch der Vertrag über die Gemeinschaftspraxis vom 14. Dezember 1998 enthält Regelungen zur Umsatzverteilung (2/3 zugunsten des Klägers, 1/3 zugunsten des Beklagten) und zum Umfang der vom Kläger zu tragenden Betriebskosten, in dessen Eigentum alle Praxiseinrichtungen standen.

Mit der Begründung, Grundlage der Abrechnung der zwischen den Parteien bestehenden Praxisgemeinschaft sei in beiden Verträgen stets der von dem Beklagten abgerechnete Umsatz gewesen, ohne daß es darauf angekommen sei, ob darauf auch Zahlungen geleistet worden seien, hat der Kläger vom Beklagten für den Zeitraum 1995 bis 2001 Zahlung in Höhe von 117.286,03 EUR sowie an fälschlicherweise nicht zu Lasten des Beklagten abgerechneten kieferorthopädischen Materialkosten 50.689,23 EUR verlangt.

Der Beklagte hat ausgehend von dem tatsächlichen Umsatz, der seiner Ansicht nach vertragliche Abrechnungsgrundlage war, eine ihm aus dem Abrechnungsverhältnis noch zustehende Forderung gegen den Kläger in Höhe von 11.662,49 EUR errechnet, die er ebenso wie seiner Ansicht nach vom Kläger zu tragende Betriebskosten in Höhe von 92.771,39 EUR widerklagend geltend gemacht hat.

Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht dem Kläger aus dem Abrechnungsverhältnis einen noch ausstehenden Betrag in Höhe von 87.039,23 EUR zuerkannt, dem Beklagten von den geltend gemachten Betriebskosten einen Betrag in Höhe von 42.394,01 EUR. Die weitergehenden Berufungen hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Gegen die Verurteilung zur Zahlung in Höhe von 87.039,23 EUR sowie gegen die Abweisung der Widerklage in Höhe von 11.662,49 EUR richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses angegriffen wird, zur teilweisen Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung, im übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 1. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ausgeführt:

Für die Abrechnung der zwischen den Parteien streitigen Zeiträume vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1998 und vom 1. April 1999 bis zum 30. Juni 2001 sei auf der Grundlage des Vertrages vom 1. Oktober 1990 das vom Beklagten für seine Tätigkeit abgerechnete Honorarvolumen und nicht, wie der Gemeinschaftspraxisvertrag vom 14. Dezember 1998 dies vorsehe, das tatsächlich vom Beklagten vereinnahmte Honorar zugrunde zu legen, und zwar entsprechend der von den Parteien getroffenen Vereinfachungsregelung im Verhältnis Kläger 2/3 zu Beklagter 1/3. Hierfür sprächen sowohl der Wortlaut des Vertrages als auch die von dem streitverkündeten Steuerberater erstellten Abrechnungen.

Unter Zugrundelegung des abgerechneten Honorars ergebe sich die Begründetheit der Klage in Höhe von 87.039,23 EUR und zugleich die Unbegründetheit der Widerklage in Höhe von 11.662,49 EUR, da dieser Berechnung das tatsächlich vereinnahmte Honorar zugrunde liege.

2. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Auslegung eines Vertrages ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (st.Rspr. vgl. Sen.Urt. v. 8. November 2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82 , 83). Diese Nachprüfung ergibt vorliegend, daß das Berufungsgericht wesentlichen Auslegungsstoff übergangen hat.

Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Auslegung allein auf den Wortlaut des § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 1. Oktober 1990 gestützt. Nach dieser Regelung sollte der Beklagte an den Kläger (vereinfacht) 2/3 seines monatlichen Nettoumsatzes gemäß der eigenen Rechnungsstellung zahlen. Der Begriff Nettoumsatz ist im Text erläutert als "Sollumsatz = Honorarumsatz ohne Material- und Laborkosten sowie ohne Mehrwertsteuer". Dabei hat das Berufungsgericht jedoch die Bedeutung der unmißverständlichen Formulierung in § 6 des Vertrages vom 14. Dezember 1998 für die Auslegung der Regelung in § 4 verkannt. Diese Regelung ist zwar im Grundsatz gleichlautend mit der in § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 1. Oktober 1990. In ihr wird aber zusätzlich eindeutig festgehalten, daß als der für die Abrechnung zwischen den Parteien maßgebliche Nettoumsatz nur der Umsatz gelten soll, den der Beklagte selbst durch seine Behandlungsleistungen erbringt und der abrechenbar und nach dem Kassenzahnarztrecht ggf. durch die gesetzlichen Krankenkassen bzw. die KZV zur Auszahlung gelangt. Diese Klarstellung kann, was das Berufungsgericht verkannt hat, bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 1. Oktober 1990 nicht unberücksichtigt bleiben. Der Kläger hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht - wie sich aus dem in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ergibt - zugestanden (§ 288 ZPO ), daß sich durch den Vertrag vom 14. Dezember 1998 wirtschaftlich zwischen den Parteien gegenüber dem Zustand ab dem 1. Oktober 1990 nichts ändern sollte. Unter Zugrundelegung dieses unstreitigen Umstandes ist die Auslegung des Berufungsgerichts denkgesetzlich nicht möglich. Denn eine wirtschaftliche Änderung konnte mit dem Vertrag vom 14. Dezember 1998 nur dann nicht verbunden sein, wenn das der Abrechnung zugrundezulegende Honorarvolumen nach beiden Vereinbarungen gleichermaßen stets das tatsächlich vereinnahmte Honorar des Beklagten war. Die vom Berufungsgericht angenommene Vertragsauslegung führt hingegen zu einer wirtschaftlichen Veränderung im Abrechnungsverhältnis der Parteien durch die Regelung in § 6, und zwar zum Nachteil des Klägers und zum Vorteil des Beklagten. Denn es macht wirtschaftlich einen Unterschied, ob der Kläger bei fortbestehender voller Kostentragungspflicht hinsichtlich der Betriebsausgaben der Praxis 2/3 der in Rechnung gestellten oder nur 2/3 der dem Beklagten tatsächlich zugeflossenen Honorare erhält. Ebenso bedeutet es für den Beklagten eine wirtschaftliche Veränderung, wenn er von dem verbleibenden 1/3 des liquidierten Umsatzes die Kürzungen infolge geringerer Zahlungen durch die kassenärztliche Verrechnungsstelle allein tragen muß, oder 1/3 des gezahlten Honorars erhält und damit beide Parteien das Kürzungsrisiko im Ergebnis anteilig tragen.

b) Da angesichts des gerichtlichen Geständnisses des Klägers § 4 des Vertrages vom 1. Oktober 1990 somit nur in dem Sinne ausgelegt werden kann, daß Abrechnungsgrundlage stets das dem Beklagten tatsächlich zugeflossene Honorar war, und sich unter Zugrundelegung des tatsächlich erzielten Honorars aus dem Vortrag des Klägers kein Anhaltspunkt für einen Anspruch gegen den Beklagten herleiten läßt, war auf die Revision des Beklagten das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das klageabweisende landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

II. Hinsichtlich des widerklagend geltend gemachten Betrages in Höhe von 11.662,49 EUR ist der Rechtsstreit hingegen noch nicht entscheidungsreif. Zwar hat der Beklagte seiner Berechnung - nach obigen Ausführungen zutreffend - die gezahlten Honorare zugrunde gelegt, so daß auf seine Revision hin das angefochtene Urteil auch insoweit aufzuheben war. Das Berufungsgericht hat jedoch - von seinem Rechtsstandpunkt her folgerichtig - das der Berechnung zugrundeliegende, umfangreiche Zahlenmaterial keiner Überprüfung unterzogen. Dies wird es - nach ggf. ergänzendem Sachvortrag der Parteien - nachzuholen haben.

Vorinstanz: OLG Celle, vom 12.03.2003
Fundstellen
DStR 2005, 841