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BVerwG - Entscheidung vom 10.11.2022

5 B 8.22

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2
BVO BW § 6 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 10.11.2022 - Aktenzeichen 5 B 8.22

DRsp Nr. 2023/4062

Verwerfung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. März 2022 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 312, 40 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2 ; BVO BW § 6 Abs. 1 ;

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen Divergenz noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieser Zulassungsgründe (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ) nicht gerecht wird.

1. Die Beschwerde ist nicht wegen Divergenz zuzulassen.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerdebegründung muss darlegen im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO , dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2022 - 5 B 8.21 - juris Rn. 9 m. w. N.). Danach ist eine Divergenz im vorgenannten Sinne nicht aufgezeigt.

Die Beschwerde genügt den Darlegungsanforderungen jedenfalls deshalb nicht, weil sie keinen abstrakten Rechtssatz formuliert, den der Verwaltungsgerichtshof aufgestellt haben und mit dem er von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz abgewichen sein soll. Sie rügt zwar, das angegriffene Urteil weiche von dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 ) für das Beihilferecht zugrunde gelegten Krankheitsbegriff ab. Das Beschwerdevorbringen (Beschwerdebegründung S. 3) beschränkt sich aber darauf, eine angeblich fehlerhafte Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall ("In Abweichung davon hat das Berufungsgericht das Vorliegen einer Krankheit aber als 'nicht erfüllt' angesehen. Damit weicht das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab.") geltend zu machen, mit der eine Divergenz nicht erfolgreich dargelegt werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2022 - 5 B 12.21 - juris Rn. 4 m. w. N.).

2. Die Beschwerde ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. April 2012 - 5 B 58.11 - juris Rn. 2 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m. w. N.). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Revision rechtlich Bedeutung haben könnten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 5 B 40.18 - juris Rn. 3 m. w. N.). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

Die Beschwerde hält die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig:

"Ist bei Vorliegen eines vererbbaren weiblichen Genfehlers (hier: in Bezug auf das OTC-Gen) eine Krankheit der Klägerin (des Elternteils) und deren beihilfefähige Behandlung anzunehmen, wenn die Behandlung mittels Polkörperdiagnostik der Eizelle i. V. mit ihrer anschließenden künstlichen Befruchtung auf das Erkennen und die Auswahl einer erbgesunden Eizelle gerichtet ist?"

Hierzu kann dahinstehen, ob die Beschwerde den Darlegungsanforderungen bereits deshalb nicht genügt, weil mit der ohne Bezug auf eine bestimmte Rechtsnorm formulierten Fragestellung schon nicht hinreichend aufgezeigt wird, zu welchem Merkmal welcher Rechtsnorm des revisiblen Rechts eine fallübergreifende und entscheidungserhebliche Grundsatzfrage zu klären sein soll. Auch wenn unter Einbeziehung der Beschwerdebegründung (S. 5), wonach die streitgegenständliche Behandlung die Maßstäbe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer beihilfefähigen Behandlung einer Krankheit erfülle, zugunsten der Beschwerde davon ausgegangen wird, dass sich die Frage auf die Auslegung des Begriffs der Krankheit im Sinne von § 6 Abs. 1 BVO BW und deren (beihilfefähiger) Behandlung beziehen soll, zeigt die Beschwerde jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht auf. Vielmehr vertritt sie die Auffassung, dass die von ihr aufgeworfene Frage schon auf der Grundlage der von ihr zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 13) im bejahenden Sinne beantwortet werden könne. Nach einem wörtlichen Zitat aus dieser Entscheidung führt sie aus: "Gemessen an diesen allgemeinen Maßstäben erfüllt die streitgegenständliche Behandlung die Voraussetzungen einer beihilfefähigen Behandlung" sowie "Die Behandlung erfüllt daher - im medizinischen Behandlungsgeschehen und aus funktionaler Sichtweise, worauf es auch aus Rechtsgründen ankommt! - den Behandlungsbegriff aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts" (Beschwerdebegründung S. 5, 6). Einen über die in der bisherigen Rechtsprechung erreichte Klärung hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt sie hingegen nicht auf. Dies gilt auch, soweit sie auf eine ihrer Ansicht nach bei "fertilitätsrelevanten Krankheiten" zu bedenkende "Besonderheit" verweist (Beschwerdebegründung S. 6), weil sie nicht auf die vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Rechtsprechung sowohl des Bundessozialgerichts (u. a. Urteil vom 12. September 2015 - B 1 KR 15/14 R - juris Rn. 10) als auch des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 20. Mai 2020 - IV ZR 125/19 - juris Rn. 13) eingeht.

Darüber hinaus legt die Beschwerde auch die allgemeine, fallübergreifende Bedeutung der formulierten Frage nicht dar. Eine vom konkreten Fall mehr oder weniger losgelöste abstrakte Formulierung der Frage allein reicht insoweit ebenso wenig aus wie die unsubstantiierte und nicht ansatzweise belegte Behauptung, die aufgeworfene Frage entfalte Bedeutung für "mehr als 10 000 Paare in Deutschland" (Beschwerdebegründung S. 5).

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 23.03.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 2 S 1779/20