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BVerwG - Entscheidung vom 15.02.2022

8 B 46.21

Normen:
VwRehaG § 1 Abs. 1 S. 3
GG Art. 3 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 15.02.2022 - Aktenzeichen 8 B 46.21

DRsp Nr. 2022/5306

Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für die Enteignungsmaßnahmen zu Lasten der Rechtsvorgänger aufgrund der Bodenreform

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 3. August 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwRehaG § 1 Abs. 1 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1 ;

Gründe

Die Kläger machen als Rechtsnachfolger des 1949 verstorbenen Herrn B. v. K. Ansprüche auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung geltend.

Im Rahmen der Bodenreform wurden die Rittergüter des Herrn B. v. K. zusammen mit weiteren Vermögensgegenständen enteignet; er und seine Familie wurden gezwungen, Haus und Hof zu verlassen. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 3. Juli 2014 gemäß § 1a VwRehaG fest, dass die Ausweisung der Familie mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats schlechthin unvereinbar war und aus Gründen der politischen Verfolgung zu einer schweren Herabwürdigung der Betroffenen geführt hat.

Die Tochter des Herrn B. v. K und die Kläger zu 2 und 3 beantragten im Jahr 2017 die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für die Enteignungsmaßnahmen zu Lasten ihrer Rechtsvorgänger aufgrund der Bodenreform. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG schließe die begehrte verwaltungsrechtliche Rehabilitierung aus.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht gerichtete, allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen. Dies würde voraussetzen, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

Die Fragen:

Ist § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG verfassungskonform so auszulegen, dass diese Norm der Rehabilitierung eines rechtsstaatswidrigen besatzungshoheitlichen Vermögensentzuges eines landwirtschaftlichen Vermögenswertes in der sowjetischen Besatzungszeit nicht im Wege steht, weil anderenfalls eine im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrige Ungleichbehandlung der

a) inzwischen anerkannten Rehabilitierungsfähigkeit von rechtsstaatswidrigen, der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnenden, also besatzungshoheitlichen Vertreibungen im Rahmen der Bodenreform,

b) anerkannten Rehabilitierungsfähigkeit nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und Rückgabefähigkeit nach § 1 Abs. 7 VermG von rechtsstaatswidrigen, der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnenden, besatzungsrechtlichen strafrechtlichen Vermögenseinziehungen etwa nach SMAD Befehl 201 und

c) anerkannten Rückgabefähigkeit nach § 5 AusglLeistG besatzungshoheitlich - auch im Rahmen der Bodenreform - enteigneter Mobilien,

mit denen allesamt deutsche Rehabilitierungsbehörden, deutsche Rehabilitierungsgerichte und deutsche Vermögensämter der ehemaligen Sowjetunion einen Vorwurf von sowjetischer Seite in der sowjetischen Besatzungszeit in Deutschland begangenen Unrechts gemacht haben einerseits und der Versagung der Rehabilitierung rechtsstaatswidriger, ebenfalls der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnender besatzungshoheitlicher Vermögenseinziehungen von Landwirtschaftsbetrieben in der sowjetischen Besatzungszeit andererseits entstünde, die nach bisheriger Rechtsprechung vorgeblich alleine deswegen nicht möglich sein soll, weil damit der sowjetischen Besatzungsmacht ein Unrechtsvorwurf gemacht wird?

Für den Fall, dass der Senat eine solche verfassungskonforme Auslegung mit Blick auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG nicht für möglich erachten sollte, ist dann § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG wegen einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von einerseits unbestritten zu rehabilitierenden besatzungshoheitlichen Vertreibungsmaßnahmen, strafrechtlich zu rehabilitierenden besatzungshoheitlichen bzw. besatzungsrechtlichen strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und zurückzugebenden besatzungshoheitlich enteigneten Mobilien nach § 5 AusglLeistG und andererseits nicht zu rehabilitierenden besatzungshoheitlichen Vermögensentziehungsmaßnahmen von Landwirtschaftsbetrieben nach den Bodenreformverordnungen verfassungswidrig?

sind - wie schon in dem von den Klägern in Bezug genommenen Verfahren, das dem Beschluss vom 15. Juni 2021 - 8 B 63.20 - zugrunde lag - im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig, weil sie von anderen Prämissen ausgehen als das angegriffene Urteil. Das Verwaltungsgericht hat keine Feststellungen zu den Gründen der besatzungshoheitlichen Enteignung getroffen und sich weder zur Frage ihrer Rechtsstaatswidrigkeit noch zur Vereinbarkeit des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG mit Art. 3 Abs. 1 GG oder weiteren Vorschriften des Grundgesetzes verhalten.

Anderes folgt entgegen der Auffassung der Kläger nicht aus der von ihnen erwähnten Passage der Klagebegründung. Das Urteil beruht nicht schon deswegen auf der dort von den Klägern geäußerten Auffassung, weil das Verwaltungsgericht diese - wie die Kläger meinen - nicht "bestritten" hätte. Dem Urteil lässt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass das Verwaltungsgericht angenommen hätte, auch die Enteignung der Rechtsvorgänger der Kläger stelle eine von § 1 Abs. 2 VwRehaG erfasste Maßnahme dar. Das Verwaltungsgericht führt vielmehr aus, die Rechtsstaatswidrigkeit der erfolgten Kreisverweisung stehe außer Frage. Diese Maßnahme sei jedoch getrennt von der Enteignung verfügt und vollzogen worden und habe die vermögensrechtlichen Vorgänge unberührt gelassen. Daher habe die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung der Kreisverweisung auch keine rechtlichen Auswirkungen auf den geltend gemachten Anspruch auf Rückübertragung des im Zuge der Bodenreform enteigneten Grundvermögens. Es bleibe bei dem in § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG angeordneten Ausschluss der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung. Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. Dezember 2009 - 3 C 25.08 - Buchholz 428.6 § 1a VwRehaG Nr. 1 Rn. 22; Beschluss vom 16. Oktober 2020 - 8 B 21.20 - juris Rn. 6) und begründen keinen erneuten Bedarf nach einer revisionsgerichtlichen Klärung.

Das gilt auch für das weitere Vorbringen der Beschwerde, die in weiten Teilen wortgleich mit der Beschwerdebegründung im Verfahren - 8 B 63.20 - ist. Wie der Senat bereits in seinem hierzu ergangenen Beschluss ausführlich dargelegt hat, ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG in der insoweit maßgeblichen Ausprägung des Willkürverbots vereinbar, dass § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG jede verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen der besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Enteignung von Vermögenswerten im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausschließt. Ebenso wenig liegt nach der zitierten gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass besatzungshoheitlich enteignete Mobilien nach § 5 AusglLeistG zurückgegeben werden können, während dies bei besatzungshoheitlich enteignetem Grundeigentum ausgeschlossen ist. Die von der Beschwerde geübte Kritik an diesem Verständnis des Art. 3 Abs. 1 GG und des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG zeigt keinen erneuten oder weitergehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Daher besteht auch kein Anlass zu der von den Klägern angeregten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG .

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 VwGO . Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Halle, vom 03.08.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 192/19