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BVerwG - Entscheidung vom 17.03.2022

4 BN 35.21

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 17.03.2022 - Aktenzeichen 4 BN 35.21

DRsp Nr. 2022/6599

Verneinung der Erforderlichkeit einer (Teil-)Aufhebung eines Bebauungsplans mit Blick auf die Motive der Gemeinde durch das Normenkontrollgericht

1. Auch soweit das Normenkontrollgericht befugt ist, die planerische Konzeption der Gemeinde zu ermitteln, da es nur so die Erforderlichkeit des Bauleitplans im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und damit eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Norm beurteilen kann, ist das Revisionsgericht an die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.2. Es ist geklärt, dass eine Gemeinde planerische Selbstbeschränkung üben und sich je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch darauf verlassen darf, dass die planersetzenden Vorschriften der §§ 34 , 35 BauGB zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung in Teilbereichen ihres Gebiets ausreichen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; BauGB § 1 Abs. 3 S. 1;

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4).

Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob das Normenkontrollgericht die Erforderlichkeit einer (Teil-)Aufhebung eines Bebauungsplans mit Blick auf die Motive der Gemeinde verneinen darf, obwohl das Planungsziel, Flächen in den Außenbereich zu überführen, mit der Aufhebung des Bebauungsplans erreicht werden kann.

Damit ist - wie die Beschwerde selbst erkennt - bereits keine im allgemeinen Interesse stehende, sondern eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Frage bezeichnet. Davon abgesehen legt die Beschwerde Tatsachen zugrunde, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinne erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde (BVerwG, Urteil vom 10. September 2015 - 4 CN 8.14 - BVerwGE 153, 16 Rn. 11). Der Verwaltungsgerichtshof ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass eine Gemeinde planerische Selbstbeschränkung üben und sich je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch darauf verlassen darf, dass die planersetzenden Vorschriften der §§ 34 , 35 BauGB zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung in Teilbereichen ihres Gebiets ausreichen (UA S. 29; vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <28>). Hier stehe aber dem vordergründig angegebenen Ziel, die aufgrund der Ausweisung eines Wochenendhaus-Sondergebiets erfolgte städtebauliche Fehlentwicklung zu korrigieren und einer weiteren Intensivierung der baulichen Nutzung entgegenzuwirken, die eigentliche, sich offen aus der Planbegründung und den Akten ergebende Motivation entgegen, nach Wegfall der Sondergebietsausweisung Dauerwohnnutzung etablieren zu können und damit eine Nutzungsintensivierung zu erreichen (UA S. 30). An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 11 f. und vom 10. September 2015 - 4 CN 8.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 137 Rn. 9).

Das Normenkontrollgericht ist auch befugt, die planerische Konzeption der Gemeinde zu ermitteln, da es nur so die Erforderlichkeit des Bauleitplans im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und damit eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Norm beurteilen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 9.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 222 Rn. 14 m.w.N. und vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 10 f.; Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 <juris Rn. 4 f.>).

Soweit die Beschwerde anknüpfend an die Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 21. November 1986 - 4 C 60.84 - Buchholz 406.11 § 11 BBauG Nr. 2 <juris Rn. 14>; Beschluss vom 12. Dezember 1990 - 4 B 143.90 - Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 24 <juris Rn. 2 f.>) klären lassen will, wie weit die Pflicht der Gemeinde reicht, bei einer Aufhebung eines Bebauungsplans zugleich darüber zu entscheiden, welche Ordnung für die Flächen künftig gelten soll, fehlt es auch den insoweit aufgeworfenen Fragen an der Entscheidungserheblichkeit. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Normenkontrollantrag nicht stattgegeben, weil die Planung des Antragsgegners nicht weit genug reicht, sondern weil sie in sich widersprüchliche Ziele verfolgt und deshalb nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist (UA S. 28 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 09.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 15 N 20.1412