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BVerwG - Entscheidung vom 06.12.2022

5 B 4.22

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3
HBeihVO § 17 Abs. 9 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 06.12.2022 - Aktenzeichen 5 B 4.22

DRsp Nr. 2023/4057

Nachfrageobliegenheit des Beihilfeberechtigten hinsichtlich einer tatsächlich erfolgten Rechnungstellung durch den Leistungserbringer vor dem Hintergrund einer beihilferechtlichen Ausschlussfrist nach abgeschlossener medizinischer Behandlung

Einer aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt die grundsätzliche Bedeutung, wenn die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht hinreichend aufgezeigt wird.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Januar 2022 wird verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 451,87 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3; HBeihVO § 17 Abs. 9 S. 1;

Gründe

Die Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieser Zulassungsgründe (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ) nicht gerecht wird.

1. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. April 2012 - 5 B 58.11 - juris Rn. 2 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m. w. N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob einen Beihilfeberechtigten vor dem Hintergrund einer beihilferechtlichen Ausschlussfrist nach abgeschlossener medizinischer Behandlung eine Nachfrageobliegenheit hinsichtlich einer tatsächlich erfolgten Rechnungstellung durch den Leistungserbringer trifft."

Der Beklagte begründet diese von ihm postulierte Nachfrageobliegenheit mit dem Zweck der Ausschlussfrist für Stellung eines Beihilfeantrags nach (nunmehr) § 17 Abs. 9 Satz 1 HBeihVO . Nach dieser Vorschrift wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn der Beihilfeberechtigte sie innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach Entstehen der Aufwendungen, der ersten Ausstellung der Rechnung oder der Bescheinigung des Geldwerts von Sachleistungen beantragt hat. Der Zweck dieser Vorschrift bestehe in der Schaffung von Rechtssicherheit, das heißt klarer Verhältnisse in angemessener Zeit. Der Dienstherr solle nicht für lange zurückliegende Leistungen Beihilfe erbringen müssen, die dann nur noch erschwert geprüft und haushaltsrechtlich kalkuliert werden könnten. Der Zweck umfasse aber auch, den Beihilfeberechtigten auf eine zeitnahe und ordnungsgemäße Rechnungsstellung der Leistungserbringer hinwirken zu lassen. Eine derartige Obliegenheit werde verletzt, wenn trotz Kenntnis von der Ausschlussfrist (vor deren Ablauf) keine rechnungsbezogenen Rückfragen an den Leistungsträger gemacht würden.

Die Beschwerde genügt insoweit den Darlegungsanforderungen nicht, weil sie die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend aufzeigt. Dabei kann offenbleiben, ob der zumindest im Ansatz zutreffend durch den Beklagten skizzierte Zweck der Antragsfrist des § 17 Abs. 9 Satz 1 HBeihVO (vgl. dazu auch VGH Kassel, Urteil vom 25. Juli 2012 - 1 A 2253/11 - ESVGH 63, 84 <87 f.>) tatsächlich auch eine Obliegenheit zu rechnungsbezogenen Rückfragen an den Leistungsträger rechtfertigen kann. Dies allein würde jedenfalls nicht genügen, § 17 Abs. 9 Satz 1 HBeihVO einen derartigen Inhalt zuzumessen. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass für eine derartige Obliegenheit ein hinreichender Anknüpfungspunkt im Wortlaut des § 17 Abs. 9 Satz 1 HBeihVO besteht, was aber unabdingbar ist, um ihr einen entsprechenden materiellen Gehalt zuschreiben zu können. Es fehlt jede Darlegung, inwiefern aus der dort enthaltenen Normierung einer (u. a.) auf die Ausstellung einer Rechnung bezogenen Antragsfrist zumindest mittelbar der Schluss gezogen werden könnte, dass die Erhaltung des Beihilfeanspruchs von einem über die bloße fristgerechte Antragstellung hinausgehenden bestimmten Handeln des Beihilfeberechtigten abhängig gemacht wird, zumal eine zeitnahe Rechnungserstellung auch nicht notwendig in dessen Interesse, sondern in demjenigen des Dienstherrn liegen würde. Denn die von der Beschwerde behauptete Obliegenheit würde auch dann Geltung beanspruchen, wenn nicht allein der Erhalt einer bereits ausgestellten Rechnung in Rede steht, sondern auch dann, wenn eine Behandlung nach einem Jahr noch gar nicht in Rechnung gestellt worden ist. Die Beschwerde kommt insoweit auch deshalb den Begründungsanforderungen nicht nach, weil sie sich nicht mit den systematischen Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zum in § 17 Abs. 9 Satz 2 HBeihVO normierten Inhalt der Sachleistungsbescheinigung auseinandersetzt, in welchem der Verwaltungsgerichtshof einen mittelbaren normativen Anknüpfungspunkt für eine entsprechende Obliegenheit des Beihilfeberechtigten gesehen hat. Entsprechende inhaltliche Anforderungen an die Rechnung stellt § 17 Abs. 9 Satz 1 HBeihVO aber gerade nicht auf.

2. Die Beschwerde ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m. w. N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

Der allein geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) ist nicht hinreichend dargelegt. Die Aufklärungsrüge setzt die substantiierte Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 1.16 D - juris Rn. 9 m. w. N.). Gemessen daran hat die Beschwerde eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht ausreichend bezeichnet.

Die Beschwerde ist der Ansicht, der Verwaltungsgerichtshof habe der Behauptung des Klägers, die der hier streitgegenständlichen Behandlung vorangegangene Krankenhausbehandlung sei unmittelbar zwischen dem Beklagten und dem Leistungsträger abgerechnet worden, durch eine Anfrage bei Letzterem nachgehen müssen. Dann hätte sich diese als wahrheitswidrig erwiesen mit der Folge, dass auch die weiteren Behauptungen des Klägers zum Nichterhalt der Rechnung diesem nicht mehr hätten geglaubt werden können.

Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Beklagte vor Erlass des angefochtenen Beschlusses auf eine derartige Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte. Sie hat des Weiteren nicht aufgezeigt, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof solche Ermittlungen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn seine Entscheidung geht gerade nicht davon aus, die genannte Behauptung des Klägers sei zutreffend gewesen. Dies ist nach dem Gesamtzusammenhang der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich ersichtlich. Die Behauptung des Klägers hatte im streitgegenständlichen Zeitraum bereits offensichtlich keine rechtliche Grundlage, weil die Möglichkeit einer Krankenhausdirektabrechnung durch die Beihilfestellen erst durch das Änderungsgesetz vom 15. November 2021 (GVBl. S. 718) eingeführt worden ist (§ 17 Abs. 4a HBeihVO ). Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof auch nicht - dem Vorbringen des Klägers folgend - auf eine solche (frühere) Direktabrechnung abgestellt, um zu begründen, warum für diesen hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechnung keine Nachfrageobliegenheit bestanden hat. Im Übrigen lassen seine Ausführungen zu den in den ärztlichen Gebührenordnungen fehlenden Regelungen über eine Rechnungsstellungsfrist gegenüber dem Patienten auch bei Krankenhausbehandlungen (BA S. 16) erkennen, dass er gerade nicht von der Möglichkeit einer tatsächlich erfolgten Direktabrechnung ausgegangen ist. Der Sache nach rügt die Beschwerde vielmehr eine unrichtige Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof, weil dieser den Angaben des Klägers zum verspäteten Erhalt der Rechnung gleichwohl Glauben geschenkt hat. Hierauf kann eine Aufklärungsrüge nicht gestützt werden.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: VGH Hessen, vom 25.01.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 1749/18