Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 04.01.2022

6 B 14.21

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
HundeG LSA § 3 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 04.01.2022 - Aktenzeichen 6 B 14.21

DRsp Nr. 2022/3521

Miniatur Bullterrier als gefährlicher Hund im Sinne von § 3 Abs. 2 HundeG LSA

Fragen, die irrevisibles Landesrecht betreffen, führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf Grund mündlicher Verhandlung vom 23. Juni 2021 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; HundeG LSA § 3 Abs. 2;

Gründe

I

Der Kläger ist Halter eines Hundes, bei dem es sich nach dessen Ahnentafel um einen Miniatur Bullterrier handelt. Die beklagte Gemeinde forderte ihn auf, unter anderem einen erfolgreich abgeschlossenen Wesenstest für seinen Hund vorzulegen. Der Hund sei eine Varietät der Rasse Bullterrier und gelte als gefährlich. Nachdem die Aufforderung erfolglos geblieben war und die Beklagte beabsichtigte, den Hund sicherzustellen und zu verwahren, hat der Kläger Klage erhoben. Er begehrt die Feststellung, dass sein Miniatur Bullterrier kein gefährlicher Hund im Sinne von § 3 Abs. 2 HundeG LSA sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Da der Miniatur Bullterrier gegenüber dem Bullterrier als eigenständige Rasse anzusehen sei, sei dessen Berücksichtigung in Ziffer 1 der Anlage 6 zu § 4a der HundeVO LSA als Unterfall des Bullterriers von der Ermächtigungsgrundlage des § 3 Abs. 2 Satz 3 HundeG LSA nicht gedeckt. Die dort eröffnete Ermächtigung zur Bestimmung der standardgerechten Merkmale der Phänotypen durch Rechtsverordnung gelte nur für die von § 3 Abs. 1 Satz 1 HundeG LSA i.V.m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG erfassten Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das vorinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Es könne offenbleiben, ob der Hund des Klägers angesichts einer Widerristhöhe von 38,5 cm noch ein Miniatur Bullterrier oder ein Bullterrier sei. Die Vermutung der Gefährlichkeit erfasse auch Miniatur Bullterrier. Der Landesgesetzgeber habe zwar mit der Bezugnahme in § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA auf § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG die Hunderassen benannt, die als gefährlich gelten. Jedoch habe er es unabhängig von der bundesrechtlichen Regelung der Rassen durch § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG in § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 HundeG LSA dem Verordnungsgeber überlassen zu definieren, welche Hunde nach dem äußeren Erscheinungsbild (Phänotyp) unter Berücksichtigung der von kynologischen Fachverbänden entwickelten und am 9. Februar 2001 geltenden Kriterien unter die jeweiligen Rassen fielen. Danach sei es von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, wenn der Verordnungsgeber in Ziffer 1 der Anlage 6 zu § 4a HundeVO LSA den Miniatur Bullterrier als Unterfall des Bullterriers entsprechend dem damaligen FCI-Rassestandard einordne. Auch wenn zum maßgebenden Stichtag andere Fachverbände den Miniatur Bullterrier bereits als eigenständige Rasse eingestuft hätten, erlaube es § 3 Abs. 2 Satz 3 HundeG LSA dem Verordnungsgeber dennoch, denjenigen Phänotyp zu wählen, der den Miniatur Bullterrier als Varietät des Bullterriers ansehe. Der Verordnungsgeber habe in Ziffer 1 der Anlage 6 zu § 4a HundeVO LSA den FCI-Rassestandard für den Miniatur Bullterrier wortwörtlich übernommen, um dessen standardgerechte Merkmale des äußeren Erscheinungsbildes zu beschreiben. Bedenken gegen die Bestimmtheit der Regelung bestünden nicht. Auch im Übrigen sei die Regelung, insbesondere in Bezug auf die ihr immanente Prognose der Gefährlichkeit von Miniatur Bullterriern, nicht zu beanstanden.

Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er ausschließlich den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht.

II

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da die mit ihr aufgeworfenen und von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfragen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO aufgrund des Darlegungserfordernisses beschränkt ist, die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht rechtfertigen.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 6 m.w.N.). Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bzw. Bundesverfassungsrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann zu rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8 und vom 15. März 2021 - 6 BN 2.20 - juris Rn. 6).

Anhand dieses Maßstabes führen die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen,

"ob durch die Zuordnung des Miniatur Bullterriers zu den gefährlichen Hunden gem. § 3 Abs. 2 HundeG LSA, § 4a HundeVO LSA der gesetzliche Rahmen der vorgenannten Norm unter Verletzung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes überschritten sowie der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt wird",

"ob durch das ausschließliche Abstellen des Verordnungsgebers auf den FCI-Standard zu dem festgelegten Zeitpunkt am 09.02.2001 bei der Bestimmung der standard-gerechten Merkmale des Phänotyps von Bullterriern der gesetzliche Rahmen des § 3 Abs. 2 S. 3 HundeG LSA unter Verletzung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG ) verlassen wird" und

"ob dem Normgefüge der § 3 Abs. 2 HundeG LSA i.V.m. § 4a HundeVO LSA und deren Anlage 6 mit hinreichender Bestimmtheit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG entnommen werden kann, dass ein Miniatur Bullterrier gleich einem Standard Bullterrier als gefährlicher Hund angesehen werden soll",

nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Diese Fragen betreffen irrevisibles Landesrecht und nicht Bundesrecht. Sie beziehen sich nicht auf das Verständnis des Vorbehalts des Gesetzes, des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Art. 103 Abs. 2 GG , sondern auf die Auslegung und Anwendung der landesrechtlichen Vorschriften durch das Berufungsgericht. Der Kläger erachtet eine im Lichte der genannten Verfassungsprinzipien vorgenommene, vom Berufungsgericht abweichende und mit dem Verwaltungsgericht übereinstimmende Auslegung und Anwendung des § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren (Hundegesetz - HundeG LSA) vom 23. Januar 2009 (GVBl. LSA S. 22), hier anwendbar i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom 27. Oktober 2015 (GVBl. LSA S. 560), sowie des § 4a der Verordnung zur Durchführung des Hundegesetzes (Hundeverordnung - HundeVO LSA) vom 27. Februar 2009 (GVBl. LSA S. 133), anzuwenden i.d.F. der Verordnung vom 22. Februar 2016 (GVBl. LSA S. 67), für geboten, die es nicht zulässt, dass der Verordnungsgeber Miniatur Bullterrier als Unterfall der Rasse (Standard) Bullterrier einordnet. Für eine solche Auslegung irrevisiblen Landesrechts ist das Bundesverwaltungsgericht nicht zuständig. Dass Inhalt und Reichweite des bundesverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts, des Bestimmtheitsgebots und des Art. 103 Abs. 2 GG klärungsbedürftig sind, macht die Beschwerde nicht geltend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen-Anhalt, vom 23.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 3 L 107/19