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BVerwG - Entscheidung vom 16.09.2022

4 BN 30.22

Normen:
BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 2 Abs. 3

BVerwG, Beschluss vom 16.09.2022 - Aktenzeichen 4 BN 30.22

DRsp Nr. 2023/223

Ermitteln und Bewerten der Belange bei der Aufstellung der Bauleitpläne zur Erfüllung des Abwägungsgebots

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt.

Normenkette:

BauGB § 1 Abs. 7 ; BauGB § 2 Abs. 3 ;

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

Die Beschwerde möchte der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,

in welchem Umfang die Gemeinde Belange in der Bauleitplanung zu ermitteln und zu berücksichtigen hat, die bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan dem Grunde nach bekannt waren und berücksichtigt worden sind, die ein Antragsteller aber erst nach Einleitung eines Normenkontrollverfahrens näher dargelegt hat.

Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3).

Nach § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten. Dieser Verfahrensschritt dient der Erfüllung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB . Danach sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dies gilt für alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Belange, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über einen Bauleitplan nicht erkennbar waren, sind nicht abwägungsbeachtlich (BVerwG, Urteil vom 9. April 2008 - 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100 Rn. 22). Die Ermittlungspflichten des § 2 Abs. 3 BauGB erstrecken sich auch nicht auf Umstände, deren Ermittlung der Gemeinde unmöglich ist (BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 4 B 71.17 - ZfBR 2018, 601 Rn. 7).

Darüber hinaus ist eine Frage des Einzelfalls und damit grundsätzlicher Klärung entzogen, welche Belange abwägungserheblich sind und welche Ermittlungspflichten die planende Gemeinde treffen (BVerwG, Beschluss vom 22. April 2021 - 4 BN 59.20 - juris Rn. 7). Die Vorinstanz hat Verfahrensfehler bei der Ermittlung und Bewertung der Eigentumsbelange des Antragstellers und der artenschutzrechtlichen Bestandserfassung beanstandet. Die Beschwerde beschränkt sich darauf, diese Auffassung im Stil eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels zu kritisieren. Auch ihr Hinweis auf das Außerkrafttreten des § 47 Abs. 2a VwGO durch Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298 ) führt nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung. § 47 Abs. 2a VwGO a. F. regelte eine Sachurteilsvoraussetzung für ein Normenkontrollverfahren, aber nicht die Pflichten der Gemeinde bei der Ermittlung der abwägungserheblichen Belange (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. November 2010 - 4 CN 3.10 - BVerwGE 138, 181 Rn. 9 und vom 29. September 2015 - 4 CN 2.15 - BVerwGE 153, 74 Rn. 10).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Schleswig-Holstein, vom 05.05.2022