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BVerwG - Entscheidung vom 26.01.2022

9 B 27.21

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
KAG RP § 7 Abs. 2 S. 1-2
GG Art. 3 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 26.01.2022 - Aktenzeichen 9 B 27.21

DRsp Nr. 2022/4593

Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen von den Grundstückseigentümern durch kommunale Gebietskörperschaften zur Abgeltung der Kosten für eine öffentliche Einrichtung oder Anlage

Die Frage der Verletzung von Bundesrecht durch die Auslegung und Anwendung des nicht revisiblen Landesrechts verleiht einer Rechtssache nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Auslegung und Anwendung der bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 3 228,75 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; KAG RP § 7 Abs. 2 S. 1-2; GG Art. 3 Abs. 1 ;

Gründe

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint.

1. Dies zugrunde gelegt, rechtfertigen die Fragen,

ob es mit dem Gleichheitssatz und dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit in Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn die nicht an eine öffentliche Niederschlagswasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Grundstückseigentümer als Beitragsschuldner durch Beiträge in gleicher Weise wie die an eine solche Anlage angeschlossenen und die Anlage nutzenden Grundstückseigentümer zu sämtlichen Kosten einer solchen Anlage herangezogen werden, obwohl sie diese nicht benutzen, und

ob es mit dem bundesrechtlichen Äquivalenzprinzip vereinbar ist, wenn die nicht an eine öffentliche Niederschlagswasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Grundstückseigentümer als Beitragsschuldner durch Beiträge in gleicher Weise wie die an eine solche Anlage angeschlossenen und die Anlage nutzenden Grundstückseigentümer zu sämtlichen Kosten einer solchen Anlage herangezogen werden, obwohl sie diese nicht benutzen,

nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes (im Folgenden: KAG RP) können die kommunalen Gebietskörperschaften zur Abgeltung der Kosten für eine öffentliche Einrichtung oder Anlage wiederkehrende Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung oder Anlage ein Vorteil entsteht. Kosten, für die die wiederkehrenden Beiträge erhoben werden können, sind dabei nach Ansicht des Berufungsgerichts sämtliche laufenden Kosten der öffentlichen Einrichtung oder Anlage (fixe und variable Personal- und Betriebskosten sowie Abschreibungen und Zinsen für Fremd- und Eigenkapital). Dementsprechend sah das Berufungsgericht es als rechtmäßig an, dass die Beklagte die gesamten Kosten der Beseitigung des Niederschlagswassers über wiederkehrende Beiträge nach § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG RP refinanziert und die Klägerin für die Jahre 2016 bis 2018 zu solchen Beiträgen herangezogen hatte. Als Eigentümerin eines an die Niederschlagswasserbeseitigungsanlage anschließbaren, aber nicht angeschlossenen Grundstücks konnte die Klägerin so über wiederkehrende Beiträge ebenso zu den gesamten Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung herangezogen werden wie die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke, obwohl sie die Niederschlagswasserbeseitigungsanlage nicht benutzt hatte.

Der Sache nach zielen die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen daher darauf ab, ob die Auslegung und Anwendung der landesrechtlichen Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG RP durch das Berufungsgericht mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Äquivalenzprinzip im Einklang stehen. Die Frage der Verletzung von Bundesrecht durch die Auslegung und Anwendung des nicht revisiblen Landesrechts verleiht einer Rechtssache aber nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Auslegung und Anwendung der bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juni 2009 - 9 B 2.09 - Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 6 Rn. 4 m.w.N. und vom 8. März 2017 - 9 B 19.16 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 227 Rn. 19). Dass dies hier der Fall wäre, ist der Beschwerdebegründung jedoch nicht zu entnehmen. Die Klägerin zeigt nicht auf, welche klärungsbedürftigen Fragen der Auslegung und Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes und der Abgabengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG oder des Äquivalenzprinzips, die über deren Anwendung im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Berufungsurteils hinausgehen, sich in einem Revisionsverfahren fallübergreifend stellen würden.

2. Auch soweit die Klägerin geklärt wissen will,

ob öffentliche Einrichtungen oder Anlagen die Kosten ihrer Leistungen, die quantifizierbar und individuell zurechenbar sind, in Form von Gebühren von den Nutzern erheben müssen oder ob es zulässig ist, diese Kosten der individuellen Leistungen in Form von leistungsunabhängigen Beiträgen von einer Gruppe von Grundstückseigentümern zu decken, und

ob und wie die Kosten nach den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auf Kosten der Leistung und auf Kosten der Einrichtung oder Anlage aufgeteilt werden müssen,

verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Abgesehen davon, dass die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO am 12. Juli 2021 in ihrer Replik vom 1. September 2021 darauf gestützt hat, handelt es sich dabei ebenfalls um Fragen des nicht revisiblen Landesrechts. Denn sie betreffen die Auslegung und Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG RP, wonach einmalige und wiederkehrende Beiträge sowie Benutzungsgebühren nebeneinander erhoben werden können, und von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG RP, nach dem die den Benutzungsgebühren und wiederkehrenden Beiträgen zugrunde liegenden Kosten nach den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen für Kostenrechnungen zu ermitteln sind. Dass darüber hinaus in diesem Zusammenhang die Klärung fallübergreifender Fragen des Bundesrechts, insbesondere des Bundesverfassungsrechts, im Revisionsverfahren zu erwarten wäre, legt die Klägerin nicht dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 04.05.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 6 A 11344/20