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BVerwG - Entscheidung vom 10.02.2022

1 B 18.22 (1 B 35.21)

Normen:
VwGO § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VwGO § 152a Abs. 2 S. 6

BVerwG, Beschluss vom 10.02.2022 - Aktenzeichen 1 B 18.22 (1 B 35.21)

DRsp Nr. 2022/5554

Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs

Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2021 - 1 B 35.21 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ; VwGO § 152a Abs. 2 S. 6;

Gründe

Die Anhörungsrüge der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie legt das Vorliegen einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne von § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO schon nicht in einer den Anforderungen des § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO genügenden Weise dar.

1. Im gerichtlichen Verfahren gewährleisten Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO den Beteiligten das Recht, sich vor einer Entscheidung zu allen erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu äußern. Das Gericht muss nach seiner Rechtsauffassung rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Eine Verletzung dieser Pflicht ist nicht schon anzunehmen, wenn eine Entscheidung, namentlich eine letztinstanzliche, nicht auf jedes Element eines sehr umfangreichen Vortrags eingeht, sondern erst, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 109 jeweils m.w.N.).

2. Dies ist der Begründung der Anhörungsrüge nicht zu entnehmen.

2.1 Die Klägerin macht der Sache nach keine Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens, sondern eine - aus ihrer Sicht - fehlerhafte Anwendung des Revisionszulassungsrechts geltend, indem das Gericht es ihr durch die Nichtzulassung der Revision verwehrt habe, ihre Rechtsansicht in einer im Revisionsverfahren durchzuführenden mündlichen Verhandlung zu vertreten. Die Nichtzulassung von Vorbringen in einem erst noch durch einen positiven Zulassungsbeschluss zu eröffnenden Verfahrensstadium - dem Revisionsverfahren - verletzt aber schon im Ansatz nicht das rechtliche Gehör der Klägerin im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, das eine mündliche Verhandlung gerade nicht vorsieht. Berührt wird allenfalls die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ), die u.a. dann verletzt ist, wenn die Fachgerichte überhöhte Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsmittelzulassungsgrundes stellen (s. etwa BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 8. Mai 2019 - 2 BvR 657/19 -, vom 16. April 2020 - 1 BvR 2705/16 - und vom 25. September 2020 - 2 BvR 854/20 - jeweils juris). Dass im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entscheidungserhebliches Vorbringen unberücksichtigt geblieben sei, ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen, dass "man die [mit der Beschwerde] aufgestellten Fragen so oder so beantworten kann", was nicht Aufgabe eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens sei.

2.2 An einer hinreichenden Darlegung fehlte es indes selbst dann, wenn einer Mindermeinung zu folgen wäre, dass § 152a VwGO analog auch auf die Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Verfahrensprinzipien Anwendung fände oder insoweit weiterhin eine Gegenvorstellung zuzulassen wäre (s. Kopp/Schenke, VwGO , 27. Aufl. 2021, § 152a Rn. 22 und 27). Eine mögliche Verletzung der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ) durch ein "Durchentscheiden" einer bislang ungeklärten Rechtsfrage im verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelzulassungsverfahren (s. etwa BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 Rn. 29) ist mit Hinweis darauf, dass die zur Prüfung gestellten Fragen "so oder so" beantwortet werden könnten, und den knappen Ausführungen zur Statusangleichung der Mitglieder der Kernfamilie sowie dem Festhalten des Gesetzgebers an den ausländerrechtlichen Differenzierungen zwischen subsidiär Schutzberechtigten und anerkannten Flüchtlingen nicht (substantiiert) dargelegt.

Nach der gefestigten Rechtsprechung sämtlicher Senate des Bundesverwaltungsgerichts besteht bei der Grundsatzrüge ein geltend gemachter Klärungsbedarf dann nicht, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der entstandenen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt. Dass diese Voraussetzungen für eine Verneinung der Klärungsbedürftigkeit der von der Nichtzulassungsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Rechtsfragen - entgegen der im angegriffenen Beschluss dargelegten Rechtsauffassung des Senats - nicht vorgelegen hätten, wird der Sache nach zwar behauptet, nicht aber in Auseinandersetzung mit den Gründen des Beschlusses vom 21. Dezember 2021 dargelegt. Die bloße Wiederholung bereits im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geführter Argumente reichte schon deswegen nicht aus, weil - bei zugunsten der Klägerin unterstellter Statthaftigkeit einer analogen Anwendung des § 152a VwGO - die Anhörungsrüge jedenfalls keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung eröffnet.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .