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BVerwG - Entscheidung vom 11.03.2022

3 B 30.21

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3
VO 73/2009/EG Art. 23
VO 1082/2003/EG

BVerwG, Beschluss vom 11.03.2022 - Aktenzeichen 3 B 30.21

DRsp Nr. 2022/6591

Begehren der erneuten Entscheidung über den Antrag auf Gewährung einer Betriebsprämie für einen landwirtschaftlichen Betrieb für das Jahr 2010

§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt grundsätzlich voraus, dass der Mangel das gerichtliche Verfahren betrifft, die Vorinstanz also gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die den äußeren Verfahrensablauf regelt. Fehler des Verwaltungsverfahrens sind nur ausnahmsweise dann beachtlich, wenn sie sich unmittelbar auf das gerichtliche Verfahren auswirken.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2021 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13 500 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3; VO 73/2009/EG Art. 23; VO 1082/2003/EG ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt von dem Beklagten eine erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung einer Betriebsprämie für seinen landwirtschaftlichen Betrieb für das Jahr 2010.

Am 8. April 2010 war der Kläger, der im Haupterwerb Berufskraftfahrer und im Nebenerwerb Landwirt ist, zu einer am 6. April 2010 angekündigten Vor-Ort-Kontrolle bezüglich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen nach Art. 23 der VO (EG) Nr. 73/2009 bzw. des Fachrechts gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1082/2003, die zwischen 16: 00 Uhr und 16: 30 Uhr beginnen sollte, verspätet auf seinem Hof erschienen. Die Gründe hierfür waren eine verspätete Abfertigung seines LKW am Kontrolltag sowie verkehrsbedingte Verzögerungen. Da auch kein von ihm benannter Vertreter anwesend gewesen war, lehnte der Beklagte den Antrag auf die Betriebsprämie 2010 mit der Begründung ab, der Kläger habe die Vor-Ort-Kontrolle unmöglich gemacht. Den Widerspruch vom 16. Dezember 2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2012 als unbegründet zurück. Der Kläger habe die ihm nach Art. 23 VO (EG) Nr. 73/2009 obliegenden Anforderungen an die Betriebsführung nicht erfüllt. Er habe die Vor-Ort-Kontrolle im Sinne des Art. 26 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1122/2009 unmöglich gemacht, da die Kontrolle aus Gründen, die in seiner Person oder in der Person seines Vertreters lägen, nicht habe stattfinden können.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, über den Antrag auf Gewährung einer Betriebsprämie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Kläger habe die Vor-Ort-Kontrolle nicht im Sinne des Art. 26 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1122/2009 "unmöglich" gemacht. Weder ihm noch einem seiner Vertreter könne ein Verschuldensvorwurf gemacht werden.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar zum angegebenen Zeitpunkt aus Gründen höherer Gewalt nicht zum Termin erscheinen können. Er habe auch keinen Vertreter benennen müssen. Er habe aber die Obliegenheit gehabt, dem Beklagten seine verzögerungsbedingte Verhinderung anzuzeigen. Die dem Kläger zurechenbare Obliegenheitsverletzung habe dazu geführt, dass die Vor-Ort-Kontrolle nicht vollständig habe durchgeführt werden können. Wenn der Kläger den Beklagten bereits vormittags, mittags oder am frühen Nachmittag des Kontrolltags über seine voraussichtlich verspätete Ankunft telefonisch unterrichtet hätte, hätte die Kontrolle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am selben Tag zu einer späteren Zeit durchgeführt werden können.

II

Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist unzulässig, denn sie legt weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) noch einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) in der von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dar.

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheitlichkeit zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und außerdem die Darlegung, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung liegen soll (stRspr, z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 28. Dezember 2017 - 3 B 15.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 82 Rn. 5). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht ansatzweise die Formulierung einer Rechtsfrage in dem genannten Sinne entnehmen. Es erschöpft sich - soweit es nicht ohnehin bei einer Auseinandersetzung mit dem Verwaltungsverfahren verharrt - in einer einzelfallbezogenen Kritik an den tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, ohne eine konkrete und fallübergreifende Frage des revisiblen Rechts herauszuarbeiten, die höchstrichterlich noch ungeklärt ist.

Einen über den Einzelfall hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch nicht dadurch auf, dass sie den Verhältnismäßigkeits- und Gleichheitsgrundsatz bei der Ermessensausübung des Beklagten als Prüfungsmaßstab heranziehen möchte. Auch dieses Vorbringen bleibt ausschließlich auf den Fall des Klägers bezogen, wobei sich das Berufungsgericht im Gegensatz zur Darstellung des Klägers umfassend damit auseinandergesetzt hat, was von ihm als Nebenerwerbslandwirt zur Sicherstellung einer vollständigen Vor-Ort-Kontrolle verlangt werden kann (UA Rn. 38 ff.) und ob die vollständige Ablehnung der Beihilfe gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt (UA Rn. 58 ff.).

2. Auch ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht hinreichend dargelegt.

§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt grundsätzlich voraus, dass der Mangel das gerichtliche Verfahren betrifft, die Vorinstanz also gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die den äußeren Verfahrensablauf regelt. Ausnahmsweise sind Fehler des Verwaltungsverfahrens beachtlich, wenn sie sich unmittelbar auf das gerichtliche Verfahren auswirken (BVerwG, Beschlüsse vom 1. Juni 1995 - 5 B 30.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 7 S. 5 und vom 30. Juni 2016 - 2 B 40.15 - juris Rn. 10). Der Kläger bezeichnet keinen Verfahrensmangel im gerichtlichen Verfahren, sondern bemängelt u.a. die aus seiner Sicht fehlerhafte Stichprobenziehung, die fehlerhafte Terminbestimmung für die Vor-Ort-Kontrolle, die Festsetzung des Termins gegen seine Bedenken und das konfrontative und missbräuchliche Verhalten sowie die ermessensfehlerhafte Entscheidung der Verwaltungsbehörde. Er trägt aber nicht vor, dass sich die von ihm behaupteten Fehler im Verwaltungsverfahren auf das Verfahren vor dem Berufungsgericht ausgewirkt hätten. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Der Kläger wendet sich mit seinem Vortrag allein gegen den Inhalt der berufungsgerichtlichen Entscheidung, legt aber keinen Verfahrensfehler bei ihrem Zustandekommen dar.

Auch soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe seine Einlassung, er habe während seiner Heimfahrt mehrfach versucht, bei dem Beklagten anzurufen, nicht ausreichend gewürdigt, legt er keinen Verfahrensmangel dar. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind, wenn sie vorliegen, revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Würdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2021 - 3 B 1.21 - juris Rn. 8 m.w.N.). Ein Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn die angegriffene Entscheidung der Vorinstanz von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Das Ergebnis der gerichtlichen Würdigung selbst ist vom Revisionsgericht im Rahmen einer Verfahrensrüge nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln oder Denkgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 3 B 34.19 - juris Rn. 21 m.w.N.). Einen solchen Fehler lässt die Sachverhaltswürdigung des Berufungsgerichts mit dem Ergebnis, diesen Vortrag nicht für überzeugend zu halten (UA Rn. 39), nicht erkennen. Hierfür hat der Kläger außer dem Vortrag, das Berufungsgericht habe die Einlassung nicht ausreichend gewürdigt, auch nichts dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen, vom 18.10.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 6 A 104/17