Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BAG - Entscheidung vom 19.08.2008

3 AZR 531/06

Normen:
EG Art. 141 (= EG-Vertrag Art. 119 a.F.)
EG Art. 311
GG Art. 3 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 3
BetrAVG § 1 (Gleichbehandlung)
BGB § 157

BAG, Urteil vom 19.08.2008 - Aktenzeichen 3 AZR 531/06

DRsp Nr. 2009/7853

Einführung eines versicherungsmathematischen Abschlags nur für Männer nach dem 17. Mai 1990

Gleiches Entgelt für Männer und Frauen; Verstoß gegen das geschlechtsbezogene Diskriminierungsverbot [Art. 141 EG] bei Einführung eines versicherungsmathematischen Abschlags nur für Männer nach der Entscheidung des EuGH vom 17. Mai 1990 - Rs C-262/88 i.S. Barber; Auslegung der "Erledigungsklausel"; Fehlender Vertrauensschutz für den Arbeitgeber) 1. Ein auf Männer beschränkter versicherungsmathematischer Abschlag stellt eine gegen Art. 141 EG verstoßende Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Eine enge Verzahnung des gesetzlichen und betrieblichen Rentensystems schränkt weder den Anwendungsbereich des Art. 141 EG ein noch beseitigt diese die unzulässige Diskriminierung. 2. Der Grundsatz des gleichen Entgelts (Art. 141 EG) gilt für jeden einzelnen Bestandteil des den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern gezahlten Entgelts. Leistungen mit unterschiedlichen Zwecksetzungen können nicht miteinander "verrechnet" werden. 3. Ein europarechtlicher Vertrauensschutz führt zwar zu einer zeitlichen Einschränkung der unmittelbaren Wirkung des Art. 141 EG bei den auf das Geschlecht abstellenden, unterschiedlichen Altersgrenzen und versicherungsmathematischen Abschlägen. Wenn die diskriminierende Regelung aber erst nach dem Barber-Urteil vom 17. Mai 1990 (Rs C-262/88) geschaffen wurde, konnte und musste der Arbeitgeber bei seinen Planungen und Dispositionen die unmittelbare Wirkung des Art. 141 EG berücksichtigen. Dementsprechend genießt er insoweit keinen Vertrauensschutz. Eine andere Beurteilung kann nur geboten sein, wenn eine bei Erlass des Barber-Urteils bereits bestehende Ungleichbehandlung in einem später geänderten oder neu erlassenen Regelungswerk lediglich beibehalten oder sogar abgebaut wurde. Dies traf im vorliegenden Fall nicht zu. 4. Die Auslegung der in einem Aufhebungsvertrag enthaltenen "Erledigungsklausel" ergab, dass der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Betriebsrente ohne versicherungsmathematischen Abschlag nicht ausgeschlossen worden war. Im Übrigen können die sich aus Art. 141 EG ergebenden Rechtsfolgen jedenfalls nicht im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Ob auf bereits entstandene und fällige Ansprüche verzichtet werden könnte, bedurfte im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Betriebsrente entstand erst mit Eintritt des Versorgungsfalles.

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Januar 2006 - 6 Sa 402/05 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16. März 2005 - 6 Ca 3460/04 - abgeändert.

3. Die Beklagte wird verurteilt,

a) für die Monate Januar 2004 bis einschließlich Februar 2005 an den Kläger 1.381,94 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2004, 22. Februar 2004, 22. März 2004, 22. April 2004, 22. Mai 2004, 22. Juni 2004, 22. Juli 2004, 22. August 2004, 22. September 2004, 22. Oktober 2004, 22. November 2004, 22. Dezember 2004, 22. Januar 2005 und 22. Februar 2005 jeweils aus 98,71 Euro zu zahlen;

b) an den Kläger ab 21. März 2005 jeweils am 21. des laufenden Monats 98,71 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag zu zahlen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Normenkette:

EG Art. 141 (= EG-Vertrag Art. 119 a.F.); EG Art. 311; GG Art. 3 Abs. 2 ; GG Art. 3 Abs. 3 ; BetrAVG § 1 (Gleichbehandlung); BGB § 157 ;

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird abgesehen (§ 313a Abs. 1 ZPO ).

Hinweise des Senats:

Parallelsachen 19. August 2008 - 3 AZR 530/06 - (führend) und - 3 AZR 531/06 - (vorliegend)

Vorinstanz: LAG München, vom 10.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Sa 402/05
Vorinstanz: ArbG München, vom 16.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Ca 3460/04