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Haftung des Jugendamts bei Ausübung einer unterhaltsrechtlichen Beistandschaft

Begeht das Jugendamt bei Ausübung einer unterhaltsrechtlichen Beistandschaft eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Kindesunterhalt, ist es zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.

Darum geht es

Das Jugendamt hat eine unterhaltsrechtliche Beistandschaft für zwei Kinder inne und wird von diesen wegen einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Die Erwägungen, die zu einer Schadensersatzpflicht des Jugendamts führen, sind auch für Anwälte im Rahmen eines Unterhaltsmandats relevant.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Jugendamt hatte es versäumt, den Vater zur Änderung eines von diesem freiwillig errichteten Titels aufzufordern, als ein Kind eine neue Altersstufe erreichte und auch als die Düsseldorfer Tabelle geändert wurde. Für die Differenz zwischen dem titulierten Betrag und dem, was dem jeweiligen Kind zugestanden hätte, haftet das Jugendamt wegen eines Verstoßes gegen das Gebot treuer und gewissenhafter Amtsführung. Da dem Jugendamt gem. § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Aufgabe zugewiesen ist, im Rahmen der Beistandschaft Unterhaltsansprüche für minderjährige Kinder geltend zu machen, können diese darauf vertrauen, dass das Jugendamt diese Aufgabe fachkundig erledigt.

Grundsätzlich obliegt es der Behörde, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass ihre mit der Sachbearbeitung betrauten Mitarbeiter die für die Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben benötigten Rechtskenntnisse erwerben oder die Vorgänge in Zweifelsfällen einem Beschäftigten vorlegen, der über die erforderlichen Rechtskenntnisse verfügt (vgl. BGH, Beschl. v. 27.02.2013 – XII ZB 6/13, DRsp-Nr. 2013/6115).

Die Vorinstanzen haben sich auch mit der Sperrfrist des § 1605 Abs. 2 BGB befasst, nämlich mit der Frage, wann das Jugendamt verpflichtet gewesen wäre, den Vater mit einem neuen Auskunftsverlangen in Verzug zu setzen, um eventuell Unterhalt nach einer höheren Einkommensstufe zu verlangen. Die Mutter hat zusätzlich geltend gemacht, dass ihren Kindern mehr Unterhalt zugestanden hätte, wenn das Jugendamt früher eine neue Auskunft verlangt hätte.

Der Vater erteilte dem Jugendamt, das im September 2004 die Beistandschaft für die Kinder übernommen hatte, im Oktober 2004 Auskunft über seine Einkünfte. Er hatte sich erst im Vorjahr mit einem Handwerksbetrieb selbstständig gemacht.

Das hat die Rechtsfrage aufgeworfen, ob das Jugendamt schon vor Ablauf der zweijährigen Sperrfrist des § 1605 Abs. 2 BGB eine erneute Auskunft hätte verlangen müssen. Die Vorinstanzen haben erwogen, ob die erst kurz zuvor aufgenommene Selbstständigkeit ein Indiz für eine atypische Einkommensentwicklung ist und daher genügt, um ohne weitere Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können, dass der Vater nun wesentlich höhere Einkünfte erziele als zum Zeitpunkt der Auskunft (vgl. OLG Karlsruhe, OLGR 2000, 284).

Der BGH kann diese Frage jedoch offenlassen, da sich das maßgebliche Einkommen des Vaters - wie inzwischen bekannt - nicht erhöht hat, sodass kein Schaden entstanden ist.

Der BGH erwähnt die wohl einhellige Auffassung innerhalb der Rechtsprechung der OLG, wonach ein Selbstständiger seiner Auskunftspflicht nachkommt, wenn er den erforderlichen Jahresabschluss innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres vorlegt. Ob er dieser Auffassung folgt, lasst der BGH offen, denn jedenfalls kann dem Jugendamt angesichts dieser Rechtsprechung keine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden, wenn es davon abgesehen hat, möglicherweise ein Kostenrisiko einzugehen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ausdrücklich offengelassen hat der BGH in seiner Entscheidung die Fragen,

  • ob möglicherweise statt auf einen statischen ein Anspruch auf einen dynamischen Titel besteht,
  • ob bei Selbstständigen in der Gründungsphase in kürzeren Abständen als alle zwei Jahre eine aktuelle Auskunft verlangt werden kann und
  • ob ein Selbstständiger früher als innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des letzten Geschäftsjahres eine Einnahmenüberschussrechnung, betriebswirtschaftliche Auswertung oder vorläufige Gewinnermittlung seines Unternehmens vorlegen muss.

Praxishinweis

Anders als die unterhaltsrechtliche Beistandschaft des Jugendamts endet das Unterhaltsmandat des Anwalts, sobald der erteilte Auftrag erledigt ist. Jedoch kann es zur Vermeidung einer eigenen Haftung wichtig sein, keine Unklarheiten über den Umfang des Mandats aufkommen zu lassen. Ist der ursprünglich begehrte Titel erwirkt und will der Anwalt seine Akte ablegen, weil er das Mandat als beendet ansieht, sollte er den Mandanten darauf hinweisen, dass er von nun an ohne ausdrücklichen neuen Auftrag keine ergänzenden Auskünfte vom Unterhaltspflichtigen mehr verlangt und auch die Altersstufen und Tabellenanpassungen nicht mehr überwacht – Letzteres ist allerdings nur bei statischen Titeln relevant.

Weiter zum Volltext: BGH, Urt. v. 04.12.2013 – XII ZR 157/12, DRsp-Nr. 2014/218

Lesen Sie hierzu auch: Prüfschemata: Beistandschaft